OVHcloud bietet Quantencomputing als Service Multicloud, Quantencomputing plus eine Prise Idealismus sowie EU-Stolz
Anbieter zum Thema
Anfang Juni haben OVHcloud und Atos ihre Partnerschaft bekannt gemacht: Die „Quantum Learning Machine“ von Atos steht über die Cloud-Angebote von OVHcloud „as a Service“ zur Verfügung. Doch das Quantencomputing-Engagement des europäischen Cloud-Anbieters geht noch weiter: Auch Start-ups haben die Möglichkeit, ihre Technik zugänglich zu machen. Vor allem große Anwenderunternehmen zeigen großes Interesse.

„Im Quantencomputing existiert die ansonsten übliche Überlegenheit aus Amerika und China nicht“, sagt Thierry Souche, Chief Technology Officer bei OVHcloud. „Und wir möchten, dass diese Technologie bei uns in Europa eine echte Chance hat.“ Dazu brauche es erstens Ausbildung im Quantencomputing und zweitens eine möglichst geringe Einstiegshürde. Und die Zeit in beiden Bereichen dränge.
Thierry Souche
Thierry Souche ist seit 2021 als Chief Technology Officer bei OVHcloud tätig. Er leitet die Product Business Unit, die für die Bereitstellung und den Betrieb der OVHcloud-Dienste für alle Kundensegmente zuständig ist.
Bevor er zu OVHcloud kam, war Thierry 25 Jahre lang bei der Orange Group als Technologiemanager in den Niederlanden, Großbritannien und Rumänien tätig und leitete in den letzten 9 Jahren als CIO die digitale Transformation und Innovation.
Bildquelle: OVHcloud
Gefragt nach seinen persönlichen Überraschungsmomenten, seit sich OVHcloud in Sachen Quantentechnologien engagieren, antwortet Souche, der selbst Quantenphysiker ist:
Für mich waren Quantencomputer eine Technologie, deren Nutzbarkeit noch in weiter Ferne liegt. Ich war überrascht, was es schon gibt und wie weit die Techniken bereits ausgereift sind. Es ist mehr als Zeit, dass sich potenzielle Anwender, aber auch Anbieter damit auseinandersetzen. Eigentlich sollten alle Cloud-Provider ähnliche Initiativen haben wie die Hyperscaler und nun auch wir.
Ausbildung im Bereich Quantenomputing ist für ihn nicht gleichbedeutend mit der Entwicklung von Basistechnologien und -techniken. Dafür brauche es eigentlich nur wenige, aber brillante Mathematiker und Physiker. Es gehe vielmehr darum, sich mit den Auswirkungen und der Nutzung dieser zu beschäftigen. Dafür brauche es eine breite Basis, geschaffen durch Bildung und Ausbildung, auch jenseits der Hochschulen.
Cloud biete einen einfachen Zugang. Zum einen, weil die potenziellen Nutzer, sich keine eigene Hardware beschaffen müssen. Zum anderen, weil es noch so viele verschiedene Techniken und Technologien für Quantencomputer gibt und keiner gewiss weiß, welche sich als die erfolgreichste herauskristallisieren werde. Sich an eine Technik zu binden, stelle für die Anwenderunternehmen somit ein Risiko dar.
Zugleich gebe es eine nahezu unübersehbare Anzahl an Start-ups, die ohne Hilfe keine oder nur geringe Chancen bekämen, ihre Ideen und Techniken weiter zu entwickeln. Mithilfe von OVHcloud sollen Verbindungen mit (potenziellen) Kunden geschaffen werden. Die kämen in der Regel aus Konzernen, etwa aus den Segmenten Chemie und Energie, erläutert Souche. Häufig hätten diese bereits Erfahrungen im High Performance Computing (HPC), das nebenbei bemerkt OVHcloud aus zwei französischen Rechenzentren, in Roubaix und in Gravelines bei Paris, anbietet; ein in Deutschland lokalisiertes Angebot soll folgen.
Derzeit scheint klar zu sein, dass Quantencomputer nicht alle Arten von Lasten bewältigen werden können, so dass ein Augenmerk immer darauf gerichtet ist, die Digitaltechnik mit der Quanten-basierten Rechnerei zu verbinden. Das ist auch in dem OVHcloud-Angebot so. Zum Beispiel fehlt es den Quantencomputern derzeit an Memory-Kapazitäten, erläutert Souche.
Wir scouten aktiv Start-ups
Um ein Quantencomputing-Ökosystem auf die Beine zu stellen, unterstützt der Cloud-Anbieter seit 2015 mit dem „OVHcloud Startup-Programm“ Unternehmen weltweit - mehr als 2.600 ausgewählte bisher. Die Vielversprechendsten erhalten bis zu 100.000 Euro an kostenlosem Cloud-Guthaben, mehrstündige Coachings sowie internationale Sichtbarkeit.
Um den Startups Starthilfe zu geben, also Zugang zu Finanzierung und Verträgen, gibt es auch einen 'Showcase' in Zusammenarbeit mit Empact Ventures, einem globalen Vermittler des Startup-Ökosystems. Am 22. Juni 2022 haben alle Teilnehmer, einschließlich der fünf Finalisten des OVHcloud Startup Program Showcase, an einer Abschlussveranstaltung teilgenommen.
Das OVHcloud Startup-Programm
Dieses hat aus Roundtables und einer 'Startup-Klinik' bestanden, in der sie bei ihren technischen und geschäftlichen Anforderungen beraten worden sind. Die Finalisten haben ihre Unternehmen einer Jury aus Experten des Startup-Ökosystems vorstellen dürfen. Die fünf Finalisten waren:
Anadata: ein Technologieunternehmen, das Analysen, Lösungen und Dienstleistungen im Bereich Fernerkundung und Geoinformationen mit Schwerpunkt auf dem afrikanischen Kontinent anbietet
Interest Protocol: ein Darlehensprotokoll, das alle Krypto-Anlageklassen unterstützt, einschließlich NFTs, zinstragende Token und Token von Liquiditätsanbietern
i.praedico: ein Insurtech, das automatisch die beste Entschädigungsstrategie für schwere Körperverletzungen berechnet, um die finanziellen Auswirkungen vorherzusehen und zu optimieren
Polymore: automatische Erkennung von falsch sortiertem Abfall mithilfe von KI zur Unterstützung von Recyclingunternehmen
U Impact: datengesteuerte Plattform für nachhaltige Investitionen, die dazu beiträgt, die Wirkung von Investitionen zu steigern.
Die Jury konzentrierte sich auch auf die Präsentationen der Teams, die von den Unternehmen verwendete Technologie und nicht zuletzt auf die beabsichtigte Verwendung des Hauptpreises von 10.000 Euro. Am Ende dieser Pitches, am 22. Juni dieses Jahres, hat Michel Paulin, CEO von OVHcloud schließlich den Gewinner des Jahres 2022 bekannt gegeben: U Impact. Ziel des in Berlin ansässigen Startups ist es, dass alle Investitionen nachhaltige Investitionen in die Zukunft sind. Neben dem Preisgeld haben die Gründer von U Impact ein persönliches Coaching mit Paulin gewonnen.
Außerdem ist das Unternehmen in das OVHcloud-Startup-Programm mit kostenlosem Cloud-Guthaben aufgenommen worden und kann nun von Empact Ventures großem Netzwerk aus Partnern, Kunden, Gründern und Investoren profitieren. Aber auch die anderen Finalisten werden ebenfalls von den Möglichkeiten profitieren können, die sich aus diesen hervorragenden Verbindungen ergeben.
OVHcloud und Quandela
Die Technik, die OVHcloud in sein 'Quantencomputing per Cloud' aufnimmt, spiegelt aber auch die diversen Ansätze Quantencomputer zu bauen wider. Einerseits zeigten die späteren Anwenderunternehmen Interesse am Quantencomputing andererseits wollten die Technikanbieter frühzeitig Erfahrungen mit Multicloud-Computing sammeln. OVHcloud betreibt immerhin 400.000 Server in 33 Rechenzentren in 140 Ländern.
Einer der jüngsten Deals ist zwischen dem französischen Start-up-Unternehmen Quandela und dem Public-Cloud-Anbieter zustande gekommen. Quandela entwickelt einen ersten vollständigen photonischen Quantencomputer. Dieser soll bis Ende des Jahres als Online-Plattform verfügbar sein.
In einem ersten Schritt geht es um die Bereitstellung der Software-Suite von Quandela „Perceval“ als Open Source. Sie ermöglicht die Ausführung von Quantenalgorithmen durch die Simulation eines optischen Quantencomputers. Das wiederum soll möglichst vielen - Entwicklern, der Industrie und der wissenschaftlichen Gemeinschaft - das Erkunden von Möglichkeiten des Quantencomputing erlauben.
OVHcloud und Atos
„Dieser gemeinsame Ansatz mit Quandela wird es uns ermöglichen, die Erforschung neuer Anwendungsfälle zu fördern, die von diesen Computing-Modellen profitieren", sagt OVHcloud-CTO Souche. Dasselbe gilt auch für die Kooperation mit Atos. Ebenfalls im Juni dieses Jahres haben OVHcloud und Atos ihre Partnerschaft zur Förderung des Quantencomputing geschlossen. Im Rahmen dieser Partnerschaft stellen die Partner den Quantensimulator von Atos über die Cloud-Angebote von OVHcloud „as a Service“ zur Verfügung.
Die öffentlichen und privaten Akteure dieses aufstrebenden Ökosystems sollen über den standortunabhängigen Zugang zu einer Quantenentwicklungsumgebung haben, so dass sie Softwarebausteine entwickeln und mit ihnen experimentieren können, noch bevor die ersten Quantencomputer tatsächlich am Markt erhältlich sind.
Durch die Nachbildung einer realen Quantenumgebung soll das neue Angebot die verschiedenen Ansätze zur Quantenberechnung reproduzieren. Beim Einsatz über OVHcloud können Nutzer Schaltkreise mit bis zu 38 Qubits in doppelter Genauigkeit simulieren und Quanten-Annealing-Probleme mit bis zu 5.000+ Qubits lösen.
Dank der Leistungsfähigkeit des „SMP BullSequana S“-Servers des Herstellers erreicht die „Atos Quantum Learning Machine“ (QLM) auf dem Markt unerreichte Simulationsfähigkeiten für drei verschiedene Modelle der Quantenprogrammierung (das Gate-Modell, das Annealing-Modell und das Analog-Modell). Es lassen sich also hardwareunabhängige Quantensoftwareschichten im Programm-, Annealing- und Analogmodus entwickeln. Nach Anbieterangaben ist damit auch der Weg für die ersten Anwendungen geebnet, die für Prozessoren der ersten Generation – auch bekannt als NISQ oder Noisy Intermediate Scale Quantum – optimiert sind.
Mit der Atos-Technologie als Anker wird OVHcloud Anwendungen für Quantenberechnungen über „Jupyter- Notebooks anbieten können. Das nach freien und offenen Standards konzipierte Notebook wird je nach Infrastruktur ein variables Leistungsniveau bieten und von der Arbeit profitieren, die die Teams für künstliche Intelligenz bei OVHcloud bereits heute leisten.
(ID:48459942)