Forschungsprojekt PeerDC Datacenter-Register: Mit Branchenbedenken in die entscheidende Phase
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Das Forschungsprojekt „PeerDC“, ein Auftrag des Umweltbundesamts (UBA), geht in seine entscheidende Phase. Ziel des „Public Energy Efficiency Register of Data Centres” ist ein Online-Register. Dieses soll wesentliche Informationen zur Energie-Effizienz von Marktteilnehmern zugänglich machen. Nutzer sollen anhand von Kennzahlen einschätzen und vergleichen können, wie Energie-effizient ein Rechenzentrum seine Dienste anbieten kann. Die Kennzahlen gibt es noch nicht. Die Gestaltung gehört zum Projekt.

Zum Projektteam gehört die Deutsche Energie-Effizienzinitiative der Industrie (DENEFF), die Data Center Group, der Öko-Institut e.V., der Lobby-Verband German Datacenter Association (GDA) sowie Vogel IT-Medien GmbH und das Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energienutzung (IER) der Universität Stuttgart. Hier liegt auch die Leitung, nämlich in den Händen von Professor Peter Radgen. Das Projekt läuft seit Oktober 2021 und endet im Juli 2023.
PeerDC-Ziel ist es, erstmals ein bundesweit einheitliches Register und Bewertungssystem für Energie-effiziente Rechenzentren aufzubauen – eine spätere Ausweitung auf die europäische Ebene wird angestrebt. Erste Zwischenergebnisse wurden der Fachöffentlichkeit im vergangenen Sommer vorgestellt. Dennoch rumort es hier und da.
Denn unter anderem ist der Projektfortschritt auf die freiwillige Mitarbeit aus der Datacenter-Branche angewiesen. Mit dabei ist NTT Global Data Centers. Günter Eggers, vertritt das Unternehmen nach außen. Autor Harald Lutz hat ihn im Auftrag von DataCenter-Insider um eine Einschätzung des Projekts gebeten.
Löst der Gedanke an den Aufbau eines bundesweiten Registers und Bewertungssystems für Energie-effiziente Datacenter und die damit einhergehende Markttransparenz und Vergleichsmöglichkeit auch für die Kunden von Rechenzentrumsdienstleistungen bei NTT schon schlaflose Nächte aus?
Günter Eggers: Grundsätzlich nein. Im Prinzip stehen wir inhaltlich hinter diesem Projekt. Wir haben uns von Anfang an bei PeerDC beteiligt und werden auch als offizieller Partner genannt. Bei dem geplanten Rechenzentrumsregister ist aus unserer Sicht aber entscheidend, welche Daten überhaupt erhoben und welche davon öffentlich werden und wie mit diesen Informationen später umgegangen wird.
Wie so oft liegt das Problem auch hier im Detail: Wir müssen darüber reden, ob der gewählte Ansatz wirklich praxisgerecht funktioniert und das gewünschte Ergebnis auch mit einem verhältnismäßigen Aufwand erzielt werden kann.
Und da haben wir in der Tat unsere begründeten Zweifel. Wir hadern aber nicht grundsätzlich mit der Idee des Aufbaus eines bundeseinheitlichen Rechenzentrumsregisters.
Wo drückt Sie denn bei der unter Federführung des renommierten Energie-Effizienzforschers Professor Radgen (IER) durchgeführten Studie der Schuh?
Günter Eggers: Wir arbeiten mit dem IER in verschiedenen Bereichen gut zusammen. Professor Radgen ist ohne Zweifel sehr kompetent und kommt als Vorstand der German Datacenter Association (GDA) mit vielen Herausforderungen der Rechenzentrumsbranche in Berührung.
Das Hauptproblem aber besteht vor allem im Detailgrad der zu erhebenden Daten. Für jedes unserer 22 deutschen Rechenzentren müsste NTT über 100, zum Teil sehr detaillierte Fragen beantworten. Darunter sind auch jede Menge knifflige technische Dinge, die nicht mal so nebenbei aus einem IT-System auszulesen sind, sondern aufwendig extra erhoben werden müssen.
Das bedeutet pro Rechenzentrum einen Personalaufwand von drei bis vier „Manntagen“. Eine qualifizierte Fachkraft wäre damit rund drei Monate beschäftigt.
Damit wäre zwar zunächst für ein Jahr die meiste Arbeit erledigt. Dieser Aufwand aber ist schon erheblich. Wir fragen uns, ob es für den Aufbau des Registers wirklich notwendig ist, dieses Level abzufragen.
An dieser Stelle unterscheidet sich unsere praxisorientierte Sicht von der wissenschaftlicen Perspektive von Professor Radgen und seinem Team. Und wir sind lediglich ein Betreiber von Datacenter-Infrastruktur. Für diejenigen Datacenter-Unternehmen, die zusätzlich auch die IT betreiben, ist noch einmal unverhältnismäßig viel mehr Detailarbeit zu leisten. Wie soll das alles mit einem überschaubaren Aufwand überhaupt zu schaffen sein?
Fachkundige mit bösen Absichten könnten leicht Rückschlüsse auf die strategische Bedeutung des Rechenzentrums ziehen.
Eine zweite Frage, die ebenfalls im Zusammenhang der Datenerhebung für das Rechenzentrumsregister genannt werden muss, lautet: Ist es wirklich zwingend notwendig, wie von den verschiedenen Initiatoren beabsichtigt, weitgehend alle erhobenen Daten auch zu veröffentlichen? Darunter fallen auch hoch sensible technische Daten.
So soll nach jetzigem Stand der Dinge beispielsweise auch die verfügbare USV-Kapazität der Rechenzentren, somit indirekt auch die ungefähre IT-Kapazität, veröffentlicht werden. Daraus könnten Fachkundige mit bösen Absichten leicht Rückschlüsse auf die strategische Bedeutung des Rechenzentrums ziehen. Solche Indikatoren möchten wir in der Öffentlichkeit vermeiden. Es muss auf jeden Fall ausgeschlossen werden, dass von außen indirekt Rückschlüsse auf mögliche Anwender im Rechenzentrum geschlossen werden können. (siehe Kasten: Mögliche Rückschlüsse auf hoch sensible Anwender.)
Das Projekt Peer DC nähert sich mit Riesenschritten der Zielgeraden. Was könnte oder müsste das IER-Projektteam aus Ihrer Sicht in der verbleibenden Zeit umgehend noch korrigieren oder in andere Bahnen lenken?
Günter Eggers: Aus unserer Sicht ist das relativ einfach: Niemand zweifelt ernsthaft daran, dass ein qualifizierter Fragebogen für die Durchführung des Projekts grundsätzlich erforderlich ist. Wir wollen aber gerne die nicht unbedingt erforderlichen Fragen reduzieren.
Die wirklich notwendigen Fragen sind, um eine aussagefähige Übersicht über die Effizienz von Rechenzentren zu bekommen, in Wirklichkeit sehr überschaubar. Diese können und dürfen auch gerne gestellt werden. Insofern gehe ich davon aus, dass eine sinnvolle Überarbeitung und auch Kürzung des Fragebogens zeitnah zu einem für alle Seiten akzeptierbaren Ergebnis führen wird.
Haben Sie über Ihre Einwände und Verbessrungsvorschläge schon mit dem Projektteam selbst gesprochen? Und wie war gegebenenfalls die Reaktion?
Günter Eggers: Der Kern des Problems liegt aus meiner Sicht nicht in einer mangelnden Kommunikation mit Professor Radgen und seinem Team, sondern in den Vorgaben durch die Projektträger der Studie selbst. Unseres Wissens fordern diese in der Tat diesen hohen Detailgrad für die Untersuchung ein. Das Problem ist aus unserer Sicht daher bereits im Design der Studie angelegt, so dass die Freiheitsgrade in der Umsetzung durch die durchführenden Wissenschaftler selbst limitiert sind.
Verstärkend kommt noch hinzu, dass Wissenschaftler allgemein gerne dazu neigen, möglichst viele Daten zu erheben. Wir wiederum neigen eher dazu, möglichst wenig Daten herauszugeben, um einerseits unseren Aufwand in Grenzen zu halten und andererseits keine Angriffsfläche für Industriespione zu bieten.
Wie lautet ihr Resümee?
Günter Eggers: Wir haben in diesem Gespräch unsere Bedenken und Verbesserungsvorschläge bei der Durchführung des Projekts PeerDC vorgebracht. Das Bemühen um ein transparentes Rechenzentrums-Register an sich ist aus Perspektive von NTT Global Data Centers aber ein nachvollziehbarer und unterstützenswerter Ansatz.
Wir scheuen auch nicht davor zurück, uns in puncto Energie-Effizienz einem Vergleich zu stellen, und haben daher keine Bange davor, möglicherweise schlechter dazustehen als unser Wettbewerb. Wir gehen vielmehr umgekehrt davon aus, durchaus an der einen oder anderen Stelle eher positiver als der Branchendurchschnitt abzuschneiden.
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