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ERP-System eng verzahnt mit „Echtzeit-Datenbank“ Was ist S/4HANA?

Von M.A. Jürgen Höfling |

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Mit „S/4HANA“ hat SAP vor einigen Jahren die vierte Generation seiner betriebswirtschaftlichen Standardsoftware-Suite (S4)auf den Markt gebracht. Das Herzstück der Software ist die In-Memory-Datenbank „HANA“.

Datenmodell der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware und Datenbankmanagement sind bei S/4HANA besonders eng verzahnt
Datenmodell der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware und Datenbankmanagement sind bei S/4HANA besonders eng verzahnt
(Bild: "Nobby" Norbert Höller_pixelio.de)

Das Kürzel S/4HANA klingt kryptisch. Das hat die Nachfolgeversion der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware-Pakete alias ERP-Pakete „R/2“, „R/3“ und Business Suite von SAP mit vielen Kürzeln in der Software-Branche gemein. Dechiffrieren wir deshalb gleich hier zu Beginn diesen Marketing-Schlüssel: „S“ steht für Simple“ - zumindest gegenüber den nicht eben leicht zu bedienenden Vorgänger-Versionen -, „4“ für „vierte Generation“ (der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware) und „HANA“ lässt sich mit „High-Performance ANalytic Appliance“ (oder auch satirisch mit „Hasso´s New Architecture“) ausbuchstabieren. Hasso Plattner ist bekanntlich einer der SAP-Gründer.

HANA ist ein relationales Datenbank-Management-System, das seine Einträge nicht zeilenweise, sondern spaltenweise direkt im Arbeitsspeicher und dazugehörigen Pufferspeichern (Caches) speichert und dadurch (zumindest für bestimmte Anwendungen) zum einen Abfragen in sehr hoher Geschwindigkeit („Echtzeit“) und zum anderen sowohl für Transaktionen als auch für Analyse-Abfragen gleichermaßen gut verwendbar ist. Derartige Datenbanken heißen im Fachjargon „In-Memory-Datenbanken“.

In-Memory-Datenbank-Management-Systeme

Der Begriff „In-Memory“ in Datenbanksystemen ist eigentlich tautologisch, also ein „weißer Schímmel“, denn wo sonst sollen die Strukturen einer Datenbank gehalten werden als „im Speicher“. Gut, bei dem Begriff „In-Memory“ ist der Arbeitsspeicher gemeint, aber der spielt auch bei Datenbanken, die sich nicht mit dem Prädikat „In-Memory“ schmücken, eine wichtige Rolle. Darüber hinaus gibt es auch sogenannte Hybrid-Datenbanken, die die Speicherhaltung in Arbeits- und Festplattenspeicher ausdrücklich und in einem festgelegten Schema kombinieren.

Tatsächlich sind viele Parameter zu berücksichtigen, wenn eine Datenbank auf Schnelligkeit getrimmt werden soll. So sind vermutlich intelligent gemachte Datei- und Indexstrukturen für die Zugriffsgeschwindigkeit auf Datensätze wichtiger als die Tatsache, in welchem Speicher diese Daten gehalten werden.

Im Übrigen haben rein „Hauptspeicher lastige“ Datenbanken eventuell ein Persistenz-Problem oder besser gesagt: es müssen Maßnahmen ergriffen werden (Backup-Maßnahmen, Verwendung nicht-flüchtiger Hauptspeicher-Komponenten etc.), um eine ausreichende „Lagerstabilität“ der gespeicherten Daten zu gewährleisten.

Tatsächlich ist die SAP HANA-Datenbank eine in vielerlei Hinsicht optimierte Datenbank. Die Tatsache, dass die Datensätze „in-Memory“ sind, ist sicher nicht unwichtig, aber auch nicht das alles entscheidende Faktum, das ihre Qualität ausmacht. So ist sicher die spaltenorientierte Speicherung der Daten, mit der HANA arbeitet, in vielen Anwendungsfällen ein wichtiger Punkt, der die Zahl der notwendigen Operationen drastisch reduziert und dadurch die Abfragegeschwindigkeit deutlich erhöht.

Vereinfachtes Datenmodell

Die In-Memory-Datenbank HANA ist das Kernstück der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware S/4HANA. Die Verknüpfung der Kürzel S/4 und HANA macht unmissverständlich klar, dass HANA und S/4 auch softwaretechnisch eng miteinander verzahnt sind. Während die Vorgängerversionen der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware von SAP auch mit relationalen Datenbanken anderer Hersteller, etwa Oracle, IBM oder Microsoft, zusammenspielten, funktioniert S/4 nur mit der HANA-Datenbank.

Die Aussage „softwaretechnisch eng verzahnt“ bedeutet beispielsweise, dass das - gegenüber den Vorgänger-Generationen der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware - deutlich vereinfachte Datenmodell sozusagen für die In-Memory-Datenbank maßgeschneidert ist. Zu der Vereinfachung des Datenmodells gehört nicht zuletzt auch die Neugestaltung der Oberflächen (GUI), über die der Nutzer auf die Prozesse zugreift.

Bei der Neugestaltung tauschte man das für Transaktionsverarbeitung optimierte SAP GUI durch das rollenbasierte „SAP Fiori“ aus und reduzierte dabei die Anzahl der Bildschirme und Bildschirmwechsel sowie die Menge der Felder, die für eine bestimmte Rolle beziehungsweise einen bestimmten Prozess relevant sind.

SAP Fiori stellt den Anwendern auf allen Endgeräten – vom PC über Tablet bis zum Smartphone – die gleiche Oberfläche mit den gleichen Funktionen zur Verfügung. Benutzer, die den jeweiligen Prozess kennen, sollen Software praktisch ohne Schulung bedienen können.

Wenn die Aggregierung entfällt

Beim Datenmodell, das S/4HANA zugrunde liegt, müssen Daten nicht bei jeder Buchung in vordefinierten Formaten zusammengeführt (aggregiert) werden. Solche Aggregate, wie sie in festplattenorientierten, relationalen Datenbank-Management-Systemen üblich sind, haben den Nachteil , dass sie sich in der Regel auf eine ganz bestimmte Abfrage beziehen, dass also eine neu formulierte Abfrage meist eine neue Aggregierung erforderlich macht.

Die durch den Verzicht auf Aggregierung mögliche Aufsummierung von Einzelposten nach beliebigen Kriterien erhöht die Flexibilität beim Erstellen von Analysen und erhöht den Durchsatz, da weniger Tabellen fortgeschrieben werden müssen. Freilich gelten diese Behauptungen nicht für alle möglichen Anwendungsszenarien.

Es lassen sich mit Sicherheit Szenarien denken, bei denen vorherige Aggregierung sinnvoll ist und kaum die Flexibilität beeinträchtigt. Darüber hinaus setzt sich die Leistung einer Datenbank aus einer Vielzahl von Parametern zusammen, sodass die alleinige Fixierung auf die Nachteile der Aggregierung von Datenbank-Spalten bei Optimierungs-Initiativen in vielen Fällen nicht allzu viel bringt.

Komplette Veränderung der Architektur

Das Zusammenspiel von „Echtzeit-Datenbank-Technologe“, intelligentem Datenmodell und rollenbasierter, personalisierter Oberfläche bilden in ihrem Zusammenspiel sicher die Pluspunkte von S/4HANA. Die Betonung liegt hier eindeutig auf dem Wort „Zusammenspiel.

Man kann das am Beispiel, wie heute Fotos erstellt und weiterverbreitet werden, exemplifizieren. Der langwierige Prozess von Belichten und Entwickeln des Fotomaterials und nachfolgendem Postversand der gedruckten Fotos ist bekanntlich mittlerweile durch einen eng integrierten Prozess, bei dem Smartphone und Internet die Hauptrolle spielen, ersetzt worden. Die Veränderung ist unübersehbar und riesig, diese Veränderung zeichnet sich allerdings weniger durch die höheren Geschwindigkeiten per se aus, sondern vor allem durch eine komplette Veränderung von Architektur und Prozess. Letztere ergeben erst die Geschwindigkeitsvorteile.

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In ähnlicher Weise ergeben sich die Geschwindigkeitsvorteile von S/4HANA auch nicht in erster Linie durch die „Echtzeit-Fähigkeiten“ der In-Memory-Datenbank, sondern durch die durchgängige Integration der Architektur und das Vermeiden von Medienbrüchen. Um einen Bericht zu erstellen, ist es mit S/4HANA zum Beispiel nicht mehr notwendig, dafür extra in ein Data Warehouse zu wechseln und dadurch das ERP-System verlassen zu müssen.

Motor der digitalen Transformation

Mit S/4HANA macht ein Unternehmen einen großen Schritt in die digitale Zukunft. S/4HANA ist insofern ganz klar ein Motor der digitalen Transformation. Um von einer früheren Generation betriebswirtschaftlicher Standardsoftware aus der „SAP-Werkstatt“ zu S/4HANA zu migrieren, ist ein Tabula-Rasa-Ansatz („alles neu und frisch“) oder auch die Migration vom alten SAP-System möglich.

Anschließende Optimierungen werden in letzterem Fall unumgänglich sein. Allgemeine Ratschläge, wann das eine oder andere sinnvoll ist, sind unabhängig von der konkreten Anwendungssituation schwer zu geben. Und schließlich ist alles auch eine Kostenfrage.

Bei einer Migration muss indes immer im Blick bleiben, dass es sich nicht nur um einen Übergang von einem Datenbank-Management-System zu einem anderen handelt - was an sich auch schon ganz schön komplex sein kann -, sondern dass der Wechsel letztlich die ganze IT-System-Landschaft tangiert. Das rührt einfach aus der Tatsache, dass durch den Wechsel auf S/4HANA bei vielen Geschäftsprozessen „alte Zöpfe“ abgeschnitten werden und Abläufe deutlich vereinfacht werden. Im Grunde kann ein solcher Wechsel mit einem prozess- und softwaretechnischen Großreinemachen verbunden werden.

Dass es S/4HANA sowohl als Vor-Ort-Version im eigenen Rechenzentrum als auch als Cloud-Version gibt, muss in der heutigen Zeit nicht ausdrücklich betont werden. Mehr noch: es wird künftig sogar eine Mischung aus beidem geben. So können Firmen etwa mit einer „Customer Edition” der „SAP HANA Enterprise Cloud“ per HPE Greenlake bald die Vorteile einer Cloud im eigenen Rechenzentrum nutzen und damit die Migration zu SAP S/4HANA“ beschleunigen.

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