Diskussion auf der Future Thinking F-Gase-Verordnung: Fieberhafte Suche nach Alternativen

Autor / Redakteur: Dr. Dietmar Müller / Ulrike Ostler |

Auf dem Fachkongress „Future Thinking“ am 11. April wird ein Thema mit Sicherheit viel diskutiert werden: die Kältemittel der Zukunft. Die F-Gase-Verordnung untersagt künftig den Einsatz besonders umweltschädlicher Gase, weniger umweltschädliche Substanzen werden maximal eingeschränkt. Nun sucht die Rechenzentrumsbranche nach Alternativen. Bereits heute ist der Markt extrem angespannt.

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Auf der future thinking am 11. April wird ein Thema mit Sicherheit viel diskutiert werden: die Kältemittel der Zukunft.
Auf der future thinking am 11. April wird ein Thema mit Sicherheit viel diskutiert werden: die Kältemittel der Zukunft.
(Bild: gemeinfrei, jill111 / Pixabay / CC0 )

Wasser wäre schön. Und günstig. Und so gesund. Wasser als Kältemittel in einem geschlossenen Kreislauf weist potentiell viele gute Eigenschaften auf, die andere Kühlmittel nicht bieten können - so ist etwa gesetzlich keine Wartung vorgeschrieben. Entsprechende Anlagen sind zudem sehr geräusch- und schwingungsarm und je nach Einsatz sogar nach BAFA förderfähig.

Wasser ist aber nicht das einzige Kühlmittel, das dank der F-Gase-Verordnung in den Fokus der Rechenzentrumsbetreiber gerät. Denn – wer wüsste es in der Branche nicht - ab 2020 ist bei stationären Neuanlagen der Einsatz von Kältemitteln mit einem GWP von mehr als 2500 verboten, ab 2025 sind nur noch Kältemittel mit einem Global Warming Potential (GWP) von maximal 750 erlaubt. Das aktuelle Mittel der Wahl „R410A“ verfügt über ein GWP von 2088 und darf ab 2025 nicht mehr in Split-Geräten mit einer Füllmenge von bis zu drei Kilogramm genutzt werden.

Ab dem 1. Januar 2020 kommt das auch des Öfteren eingesetzte „R404A“ wegen seiner Klimaschädlichkeit nicht mehr in Frage, es weist einen GWP von weit über 3000 auf. Verschwiegen werden soll hier aber nicht, dass bis zum 1. Januar 2030 unter gewissen Bedingungen noch aufgearbeitete und recycelte fluorierte Treibhausgase für die Instandhaltung oder Wartung bestehender Kälteanlagen verwendet werden dürfen. Die Lebensdauer der heutigen R404A-Anlage beträgt damit noch knapp über zehn Jahre.

Teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW) sind seit dem 1. Januar 2015 herunter reguliert, die Verkaufsmenge wird bis zum Jahr 2030 schrittweise auf ein Fünftel der heutigen Menge reduziert. Von diesem so genannten "Phase-Down" ist auch das häufig eingesetzte Kältemittel R134a betroffen, das ab dem 1. Januar 2022 nicht mehr in gewerblich genutzten Kühl- und Gefriergeräte in den Verkehr gebracht werden darf. Bis 2025 werden weitere Erzeugnisse, wie ortsfeste Kälteanlagen oder Mono-Splitklimageräte, mit besonders klimaschädlichen F-Gasen schrittweise vom Markt genommen.

Wasser als optimales Kältemittel

Fieberhaft sucht die Branche deshalb nach Ersatz. Verdampfersysteme mit Wasser gelten als die Lösung aller Kühlungsprobleme. „Es gibt da zwei Alternativen, die komplett auf Kältemaschinen und herkömmliches Kältemittel verzichten“, so Ulrich Terrahe, Veranstalter der Future Thinking und Geschäftsführer der DC-CE RZ-Beratung.

„Bei der einen Lösung werden die Server mit Wasser gekühlt. Hierbei wird direkt mit einer Wasservorlauftemperatur größer 40 Grad auf die IT-Technik gefahren und nur über einen Rückkühler wieder abgekühlt. Diese Methode wird im HPC-Computing unteranderem bei der Karlsruher Institut für Technologie (KIT) oder im Leibnitz Rechenzentrum Garching angewendet. Aktuell läuft ein Forschungsprojekt, dass wir mit initiiert haben und bei dem getestet wird ob die Abwärme nicht über eine Adsorber Kältemaschine in Kälte gewandelt werden kann“, führt er aus.

Bei der anderen Lösung werde die Zulufttemperatur soweit angehoben, dass man mit einem adiabaten Rückkühler (zum Beispiel Kühlturm oder Hybridkühler) die Feuchtkugeltemperatur nutze und ebenfalls ganzjährig ohne Kältemaschine auskomme. „Bei 30 Grad Zuluft lässt sich das Verfahren in vielen Regionen Deutschlands nutzen und findet aktuell Anwendung im Rechenzentrum der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt“, so der erfahrene Rechenzentrumsplaner.

Umweltfreundlich und kostensparend

Wasser als Kältemittel ist ein altbekanntes Mittel, entsprechende Systeme bedürfen jedoch einer energetisch optimalen und direkten Umsetzung des thermodynamischen Kreisprozesses. In der Regel arbeiten sie mit der Direktverdampfung von Wasser in einem vakuumdichten und geschlossenen Kreislauf, der über Plattenwärmeübertrager hydraulisch vom Rückkühler und vom Verbraucher getrennt ist.

Je nach Anwendung wurden unter realen Betriebsbedingungen so bis zu 80 Prozent Energiekostenersparnis erzielt. Diese Technologie eignet sich für alle Anwendungen, die ganzjährig einen kontinuierlichen Kühlbedarf haben, wie sie eben in Rechenzentren und der industriellen Prozesskühlung vorkommen.

Bernd Dürr, Autor des Standardwerks „IT-Räume und Rechenzentren planen und betreiben“. erläutert: „Wasser als Kältemittel ist eine gute Sache - und man wünscht sich natürlich, dass es sich durchsetzen wird. Aktuell sind meines Wissens Kältemaschinen ab 20 Kilowatt aufwärts am Markt verfügbar.“

Doch die Technik sei aufgrund der geringen Stückzahlen und aufwendigen Technik noch recht teuer. Die nächsten Monate und Jahren würden zeigen, ob sich Wasser als Kältemittel durchsetzen wird oder ganz neue Systeme in der Entwicklung seien, die Wasser als Kühlmittel einsetzen und andere Techniken nutzen können. „Letztlich ist es auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit, was sich am Markt durchsetzen wird“, so der Autor.

„Was bei der ganzen Diskussion jedoch auch immer wieder vergessen wird, sind die kleinen IT-Räume bis 20 Kilowatt, die auch irgendwie gekühlt werden müssen," fügt eer einen weiteren Aspekt hinzu. „Dafür sind bisher die Direktverdampfersysteme die wirtschaftlichsten Lösungen. Diese kleinen Räume beziehungsweie dessen Klimatisierung ist bei der ganzen Diskussion und Entwicklung noch gar nicht berücksichtigt und es ist noch nicht absehbar, wie hier zukünftig die Klimatisierung ganz ohne synthetische Kältemittel erfolgen soll.“

Alternativen mit geringem GWP

Ein umfassender Überblick über Alternativen zu den fluorierten Treibhausgasen kann nicht Ziel dieses Artikels sein, einige Beispiele seien aber genannt. LG Electronics etwa setzt als Alternative zu R410A auf „R32“. Verdichter- und Komponentenhersteller wie etwa Bitzer, Danfoss oder Emerson nutzen nun die Kältemittel R449A und R452A. Entsprechend den Vorgaben der Normen ASHRAE 34 und DIN EN 378 wurden sie der Sicherheitsgruppe A1 zugeordnet, das bedeutet, dass sie kein Chlor enthalten und ein Ozonabbaupotential (ODP) von 0 aufweisen.

HFOs (Hydrofluor-Olefin) wie R1234yf und R1234ze(E) weisen auch einen (sehr) geringen GWP auf und kommen insbesondere bei Klima- und Normalkühlanwendungen sowie Wärmepumpen zum Zuge, sind jedoch entflammbar.

Das Kältemittel R513A hat einen GWP-Wert von 631, fällt auch in die Sicherheitsklasse A1 und ist für RZ-Betreiber interessant, weil es R134a problemlos ersetzen kann, leider aber deutlich teurer ist. Es ist nicht brennbar und besteht zu 44 Prozent aus R134a und zu 56 Prozent aus R1234yf. R290 benötigt als R134a-Ersatz durchaus Modifikationen an den Kältekreisläufen, verspricht aber eine höhere Effizienz, also eine höhere Kälteleistung.

Alternativen werden immer teurer

Die verfügbaren Alternativen zu finden ist nicht schwer – zeichnen sich aber durch „Verknappungssprünge“ aus. Das bedeutet, dass die Preise für teilfluorierter Kohlenwasserstoffe rasant in die Höhe klettern, Händler verkaufen Mittel wie R-23, R-134a, R-404A, R-507, R-410A und R-407C zu stetig steigenden Tagespreisen.

„Wenn etwas knapp wird, dann wird es teuer, solange die Alternativen begrenzt sind. So funktioniert der Markt. Die klimapolitisch notwendige schrittweise Verknappung teilfluorierter Kohlenwasserstoffe wird daher voraussichtlich weiter zu deutlichen Preissteigerungen führen. Allein schon, weil bestehende Anlagen nur begrenzt umrüstbar sind“, so Dr. Ralph Hintemann, Gesellschafter und Senior Researcher am Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit.

„Bei Neuanlagen sollte man sich daher unbedingt Gedanken über Alternativen machen. Sonst kann es irgendwann passieren, dass man sehr teuer bezahlen muss. Oder schlimmer noch: Man bekommt gar kein klimaschädliches Kältemittel mehr für seine Anlagen.“

Diskussionen auf der Future Thinking

Auf der mittlerweile zehnten Future Thinking am 11. April 2019 im „Chamäleon Beach“ im Rhein-Main-Gebiet werden Aussteller, Sprecher und Gäste aus Fachpresse und Politik die und andere Themen heiß diskutieren: „Die Zahl der Rechenzentren steigt jährlich. Umso wichtiger werden innovative Lösungen, um den damit einhergehendem Energiebedarf nachhaltig, effizient und ressourcenschonend zu stillen. Ich bin sehr gespannt, welche Ideen und Konzepte wir dieses Jahr zu diesem und verwandten Themen kennenlernen“, so Ulrich Terrahe, Veranstalter und Initiator des Deutschen Rechenzentrumspreis, der am Abend im Anschluss an den Kongress verliehen werden wird.

Tipp: Gucken Sie sich einmal die Einreichungen zum Deutschen Rechenzentrumspreis in der Kategorie "RZ-Klimatisierung und Kühlung" in diesem Jahr und der vergangenen Jahre an: Special RZ-Peis

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