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Energie-Effizienz im Rechenzentrum Trendwende in der Datacenter-Energieversorgung

Autor / Redakteur: Filipe Pereira Martins und Anna Kobylinska* / Ulrike Ostler |

Die Energieversorgung bildet einen nicht zu unterschätzenden Anteil der Betriebskosten eines Datencenter; laut aktuellen Studien von Gartner Inc. und IDC stellt sie gar den zweitgrößten Kostenfaktor dar. Innovationen zur Maximierung der Energie-Effizienz lassen allerdings Hoffnungen auf Abhilfe aufkommen.

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Im nordfriesischen Braderup entsteht das erste grüne Rechenzentrum Deutschlands, welches zu 100 Prozent mit regenerativer Energie des anliegenden Windparks, einer Biogasanlage und/oder mit Solarstrom betrieben werden kann, ein Projekt der Windcloud GmbH.
Im nordfriesischen Braderup entsteht das erste grüne Rechenzentrum Deutschlands, welches zu 100 Prozent mit regenerativer Energie des anliegenden Windparks, einer Biogasanlage und/oder mit Solarstrom betrieben werden kann, ein Projekt der Windcloud GmbH.
(Bild: Windcloud GmbH)

Der bevorstehende Boom mit (3D-)Video-Streaming, Augmented Reality und Big Data aus IoT treibt den Bedarf nach Datencenter-Kapazitäten in die Höhe und stellt damit die Rechenzentren vor neuen Herausforderungen im Bereich der Energieversorgung. Hinzu kommen steigende Energiekosten und neue Regelungen.

Googles Datacenter in Oregon „schwitzt“ den Dampf aus.
Googles Datacenter in Oregon „schwitzt“ den Dampf aus.
(Bild: Google)

So sind in den Rechenzentren der Prä-SDDC-Ära (Software Defined Datacenter) sind nur noch die Personal- und Wartungskosten höher als die Energiekosten.

Mit der Umstellung auf SDDC-Technologie und der breitflächigen Einführung der Zero-Trust-Technologie steigt der Automatisierungsgrad an und damit fallen auch die Administrationskosten weiter. Um die Ausgaben jetzt noch weiter zu senken gilt es, an den verbleibenden Schrauben zu drehen.

Die Strompreise

Strompreise in Deutschland zählen zu den höchsten weltweit und werden im Zuge der energiepolitischen Trendwende vorerst weiter ansteigen. Deutschland setzt den Umstieg auf erneuerbare Energieträger verstärkt fort und folgt damit weitsichtigen politischen Vorgaben aus der Bundeshauptstadt, um die Abhängigkeit von OPEC-Staaten und der Russischen Föderation langfristig zu reduzieren.

Entwicklung der Strompreise für Großabnehmer unter den Datencenter

Kurzfristig ist die Umstellung auf erneuerbare Energien ein äußerst schmerzhafter Vorgang. Mit einem Durchschnittspreis für Industriestrom in Höhe von 15,32 Cent brutto pro Kilowattstunde (KWh) liegt Deutschland laut dem Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) europaweit nahe der Spitze der Preisskala.

In der EU fällt der Industriestrompreis zwischen 30 Prozent höher (mit zirka 9 Cent pro Kilowattstunde im benachbarten Frankreich) und knapp über 550 Prozent höher (in Dänemark) als in den Vereinigten Staaten aus, wo Rechenzentren im Durchschnitt 5,3 Cent pro KWh hinblättern. Allerdings kann die Versorgungssicherheit in den USA je nach Region extrem schwanken und macht zusätzliche Kapitalauslagen erforderlich, die sich in den Stromkosten nicht direkt reflektieren. In Deutschland ist dagegen eine sehr hohe Netzstabilität gewährleistet.

Die Konsolidierung im deutschen Datencenter-Markt liegt unter anderem in der Kostendegression begründet. Datencenter mit einem Verbrauch von mindestens 50.000 kWh und einem Lastgangzähler (RLM) profitieren von geringeren Steuern und sonstigen Abgaben. Bei einem Verbrauch von 2 bis 20 Millionen kWh beträgt der Preis zurzeit durchschnittlich 15,6 Bruttocent. Großabnehmer in Deutschland bekommen Mengenrabatte und andere Vergünstigungen und können so ihre Energiekosten auf bis zu 4,7 Bruttocent pro kWh drücken.

Der Vorteil der großen und der Superrechenzentren

Massive Rechenzentren kommen nicht nur in den Genuss von Mengenrabatten, sondern können dank ihrer SDDC-Infrastruktur weitere Einsparungen realisieren. Kleine und mittelgroße Datencenter sind dagegen in der Gesamtkalkulation des Energieverbrauchs klar benachteiligt.

Zur Verärgerung der energieintensiven Datencenter-Branche trägt inzwischen aber massiv die geplante Ökostromabgabe der EU bei. Bisher war Industriestrom aus Bestandskraftwerken in Deutschland von dieser Abgabe befreit; neue Kraftwerke wurden mit 40 Prozent der Abgabe belastet. Die Übergangsphase mit der bestehenden Regelung läuft aber 2017 aus.

Berlin wehrt sich gegen die geplante Erhöhung und verhandelt knallhart mit der EU-Kommission. Aufgrund des Umstiegs auf erneuerbare Energieträger sind ja laut der Unternehmensberatung BDO und des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitutes (HWWI) die Energiekosten zwischen 2002 und 2012 bereits um mehr als 83 Prozent gestiegen.

Im Einklang mit der Natur? Die Rehe suchen offenbar die Wärme des Datencenter.
Im Einklang mit der Natur? Die Rehe suchen offenbar die Wärme des Datencenter.
(Bild: Google)

Datencenter sehen sich genötigt, aktiv in die eigene Energieeffizienz zu investieren und proaktiv Energiesparmaßnahmen zu ergreifen.

Stromverbrauchmessungen: Der erste Schritt zur Kostensenkung

Das Energiesparpotenzial eines Datencenters lässt sich auf Grund geringer Verfügbarkeit zuverlässiger Messwerte oft gar nicht richtig ermitteln. Der PUE-Wert (Power Usage Efficiency) ist ja nur ein Pauschalbetrag der nichts darüber aussagt, an welchen Schrauben zu drehen ist. (Der PUE-Wert ist der Quotient aus dem Gesamtenergieverbrauch eines Rechenzentrums dividiert durch den Energieverbrauch der bloßen IT des Datencenters.)

Googles Datencenter am Standort Hamina in Finnland kühlt sich das ganze Jahr über mit Meereswasser und eiskalter Luft.
Googles Datencenter am Standort Hamina in Finnland kühlt sich das ganze Jahr über mit Meereswasser und eiskalter Luft.
(Bild: Google)

Zudem kann der PUE-Wert auch trügerisch sein. Aus der historischen Entwicklung lassen sich Trends ableiten, aber nur wenn die Kennzahlen stets nach denselben Kriterien erfasst werden. Ohne konkrete Messwerte verpuffen aber jegliche Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs.

Während ein paar besonders geschickte Betreiber von Mega-Datencenter sich sogar Künstliche Intelligenz zu Nutze machen und damit einen wirklich beneidenswerten PUE-Wert von ca. 1,1 (zum Beispiel Google) erzielen können, kommen kleinere Rechenzentren bisher oft auf einen Wert von 1,5 bis 2,0. Doch dieser Nachteil scheint in naher Zukunft angesichts der vielen Innovationen nicht mehr unüberwindbar.

Bereits mit ein paar wenigen, aber gezielten Verbesserungen lässt sich der PUE-Wert auch in kleineren Datencenter deutlich drosseln und so erhebliche Einsparungen oft in Höhe von mehreren Millionen Euros pro Jahr realisieren.

Stromkosten trimmen: Warm- und Kaltluftschottung und die Kräfte der Natur

Maßnahmen zur Minimierung der Energiekosten in einem Datencenter basieren auf dem Warm- und Kaltluftschottungsansatz, der seine Begründung in Thermodynamik findet.

Zu den beliebtesten Design-Fehlern, die sich sehr negativ auf die Energie-Effizienz auswirken, zählt das Mischen von heißer Abluft aus den Server-Schränken mit Kühlungsluft. Zu den typischen Ursachen zählen:

  • Luftlöcher,
  • unpassender Bodenbelag,
  • fehlende Türen, Raumtrenner und Kältevorhänge.

Angewandte Thermodynamik suggeriert, dass sich in verbundenen Räumen von selbst eine Mischtemperatur einstellt. Als Resultat daraus wird die empfindliche Elektronik nur unzureichend gekühlt, was das Ausfallrisiko in die Höhe treibt, möglicherweise sogar dann, wenn die Klimatisierung anspringt, um die Verluste zu kompensieren.

Der Warm- und Kaltluftschottungsansatz in Aktion beim PUE-rekordverdächtigten Datencenterbetreiber Google: Kalte Luft wird durch den Boden hineingepustet.
Der Warm- und Kaltluftschottungsansatz in Aktion beim PUE-rekordverdächtigten Datencenterbetreiber Google: Kalte Luft wird durch den Boden hineingepustet.
(Bild: Council Bluffs, Iowa; Bildquelle: Google)

Der Warm- und Kaltluftschottungsansatz läuft im Grunde genommen darauf hinaus, die Kalt- und Warmluft durchgängig voneinander zu trennen. Die an den Server-Racks in massiven Mengen entstehende Warmluft wird umgehend nach außen hin abgeführt und die Kaltluft gezielt an die Server-Racks geleitet. Die Kunst besteht darin, beide Luftströme voneinander abzuschotten, so dass jeweils ein separater Kalt- und ein Warmgang entsteht. Je besser und effizienter dies gelingt, desto stärker sinkt der PUE-Wert und desto niedriger fallen die Energiekosten aus.

Eine systematische Abschottung von Kalt- und Warmluftgängen lässt sich sowohl bei traditionellen Datencentern als auch bei Co-Location-Rechenzentren durchaus realisieren. Die wahre Herausforderung besteht in der korrekten Erfassung und Auswertung von relevanten Metriken.

Bei der praktischen Umsetzung der Warm- und Kaltluftschottung setzen Betreiber von Mega-Datencenter, darunter Google, schon mal eigene Software-Tools auf der Basis künstlicher Intelligenz ein. Kleinere Datencenter können Lösungen wie Thermal-Fingerprints, eine selbstlernende Software für die multidimensionale Echtzeitdatenanalyse im Rechenzentrum der Technischen Universität Chemnitz, für ihre Bedürfnisse anpassen. Kommerziell verfügbare Lösungen zum Überwachen der Energie-Effizienz beinhalten DCIM-Tools wie „ABB Decathlon“.

Laut einer Studie von Forrester Research lässt sich der Energieverbrauch beim Einsatz von DCIM durch optimierte Kühlung und bessere Last-Verwaltung in einem typischen Datencenter um bis zu 30 Prozent reduzieren.

Die Sortech AG aus Halle bietet eine Lösung für Rechenzentren, die sogar noch einen Schritt weitergeht: ein Adsorptionskühlungssystem an, welches die überschüssige Wärme als Energiequelle zum Antrieb des Kühlungsprozesses nutzt. Das Leibniz-Rechenzentrum sei mit dieser Lösung einen PUE-Wert von unter 1,1 nahegekommen.

Anbieter von modularen Rechenzentren wie die Rittal GmbH & Co. KG können einen definierten PUE-Wert ihrer (praktisch schlüsselfertigen) Lösungen garantieren. Das Rittal-System „Rimatrix S“ garantiert beispielsweise einen PUE-Wert von 1,15.

Innovative Datencenter in geeigneter geografischer Lage nutzen zur Kühlung die Kräfte der Natur. Das neueste Beispiel ist Lefdal Mine Datacenter (LMD). LMD entsteht auf der Basis von Rimatrix S unterirdisch in einem Bergwerk an der norwegischen Küste, und gilt mit seinen 120.000 Quadratmeter als Europas größtes Rechenzentrum.

Lefdal Mine Datacenter entsteht auf der Basis des modularen Systems „Rimatrix S“ von der Rittal GmbH & Co. KG unterirdisch in einem Bergwerk an der norwegischen Küste.
Lefdal Mine Datacenter entsteht auf der Basis des modularen Systems „Rimatrix S“ von der Rittal GmbH & Co. KG unterirdisch in einem Bergwerk an der norwegischen Küste.
(Bild: Rittal)

Dank dem freien Zugang zum Fjordwasser in der Nachbarschaft von vier Gletschern und der Verfügbarkeit von CO2-neutraler Energie aus hydroelektrischen Generatoren und Windturbinen (mit überschüssiger Kapazität von 6,7 TW) verspricht LMD mit einem PUE-Wert von weniger als 1,1 zum Vorzeigeprojekt für ein grünes Rechenzentrum zu werden.

Speichersysteme für Peak-Shaving und hybride erneuerbare Energiequellen

Datencenter mit hohen Spitzenlasten zahlen das ganze Jahr über kräftig drauf, wenn sie diese kurzzeitigen Bedarfsspitzen nicht anderweitig abdecken können. Wer seinem Netzbetreiber die Lastspitzen aufbürdet, muss dafür teure Zuschläge und möglicherweise Nachzahlungen in Kauf nehmen. Strategien zur Stromkostenminimierung, zum Beispiel durch den Einsatz von Energiespeichersystemen, bezeichnet man in diesem Szenario als Peak-Shaving (Spitzenabdeckung beziehungsweise Spitzenlastenausgleich).

Wer es schafft, kostspielige Lastspitzen aus eigenen Energiespeichersystemen vorzugsweise mit eigenproduziertem Strom aus alternativen Energiequellen wie Solarenergie zu dämpfen, kann sich bei dem eigenen Netzbetreiber in eine niedrigere Stromverbrauchsklasse einstufen lassen und kommt durch das Minimieren von Preisaufschlägen mit niedrigeren Netznutzungsentgelten weg. Moderne Speichersysteme können mehrere MWh Strom speichern und bedarfsgerecht freigeben.

Ein leistungsstarker Hybridspeicher nutzt die Windcloud GmbH für ihr nachhaltiges Rechenzentrum im nordfriesischen Braderup, das erste grüne Rechenzentrum Deutschlands, welches zu 100 Prozent mit regenerativer Energie des anliegenden Windparks, einer Biogasanlage und/oder mit Solarstrom betrieben werden kann. Eine Batterie mit einer Kapazität von 3,4 MWh fängt sämtliche Schwankungen des 1 MW-starken Rechenzentrums auf.

Die Rittal GmbH & Co. KG, die Windcloud GmbH, die Sortech AG und die Technische Universität Chemnitz zählten dieses Jahr zu den zahlreichen interessanten Anwärtern auf den begehrten Deutschen Rechenzentrumspreis mit Lösungen rund um die Energie-Effizienz.

Fazit: Neue Technologien für die Energieversorgung der Zukunft

Es gibt nicht den Einzelfaktor, der die Trendwende der Energieversorgung im Alleingang treibt und es gibt auch nicht eine einzige Lösung für das drückende Problem der Energiekosten. Ganz im Gegenteil: Eine Fülle innovativer Ansätze sorgt für frischen Wind in den Server-Hallen und für neue Ideen.

Die SDDC-Revolution schafft eine Rechenzentrumsumgebung, in der punktgenaues Hoch- und Herunterskalieren der benötigen Datencenter-Leistung Realität werden kann. Die Warm- und Kalt-Luft-Schottung in Verbindung mit leistungsstarken DCIM-Lösungen erleichtert die Optimierung der Energienutzung.

Das Peak-Shaving, also das Speichern erneuerbarer Energie für die Zeitpunkte mit Spitzenbelastung, reduziert die Abhängigkeit vom Stromnetz und sichert eine ununterbrochene Betriebsbereitschaft zu niedrigeren Kosten. Zusätzliche Energiequellen verleihen einem Datencenter eine höhere Anpassungsfähigkeit, die sich in einem noch niedrigeren PUE-Wert und damit letztendlich in niedrigeren Gesamtkosten niederschlägt.

*Das Autoren-Duo

Filipe Pereira Martins und Anna Kobylinska arbeiten bei der Soft1T S.a r.l. Beratungsgesellschaft mbH, McKinley Denali Inc. (USA).

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