Die Lichtcomputer - kein Wham-Bang! aber ein stetiger Innovationsfluss Silicon Photonics wird neue Rechner- und Datacenter-Architekturen hervorbringen
Die Silicon Photonics Technologie (SiPh), ein Segment der Photonik und Optoelektronik, überträgt Daten mit Licht statt mit Elektronen. Indem sie Glasfaserkabel und Transceiver nutzt, lassen sich derzeit Datenübertragungsraten von bis zu 1,6 Terabit/s (Tbit/s) erzielen, über 300 Meter Distanz ohne jeden Qualitätsverlust. Das energiesparende SiPh ist dazu angetan, zahlreiche Interconnect-Engpässe in der Netzwerk- und Storage-Infrastruktur zu beseitigen und Transaktionen in Echtzeit zu erlauben. Dies hat weitreichende Konsequenzen.
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Silicon Photonics (SiPh) sind Schaltkreise (ICs), die den am schnellsten wachsenden Teilbereich des Photonik-Marktes ausmachen. Sie verbinden die herkömmliche elektronische Infrastruktur mit der optischen Technologie der Photonik.
Wie der Name schon sagt, werden die ICs auf Siliziumbasis (Si) hergestellt. Eine ergänzende verbreitete Basis ist Indiumphoshid (InP), weitere Ergänzungen sind Silikat (SiO2), Lithiumniobat (LiNbO3), Siliziumnitrid (SiN), Siliziumpolymer und Glas. Wie eine Markttabelle von Yole Développement zeigt, hat jedes Material seine optimale Einsatznische: InP lässt sich für Laser und lange Distanzen (siehe: Tabelle) heranziehen, Germanium für Erkennungstechnik, LiNBO3 für Modulation und Glas für Interconnect-Leitungen.
Diese photonischen Schaltkreise (PICs) bringen die Vorteile der Photonik in die Welt integrierter Schaltkreise (ICs), beispielsweise lässt sich die effiziente Herstellung von Wafern in den Maschinen von Chipfabriken damit fortsetzen. PICs sind kleiner als etwa CPUs, verbrauchen kein Kupfer, bieten hohe Datenübertragungsraten, sehr niedrigen Stromverbrauch, sind temperaturstabil bis 85 Grad, brauchen kaum Kühlung, sind zuverlässiger als die üblichen optischen ICs und, last but not least, kostet die Übertragung pro Daten-Bit weniger. Nach Angaben von Yole ersetzen die PICs zunehmend die VCSEL-Laser (vertical cavity surface emitting lasers), um Bandbreite und Reichweite in Datenkommunikations-Netzwerken zu erhöhen.
In ihrer Ausformung als Transceiver, wie sie etwa Intel (siehe: Abbildung 3) inzwischen ausliefert, ermöglichen PICs auf SiPh-basis Datenübertragungsraten von 100 Gbit/s und mehr. Ayar Labs, einer der führenden Hersteller, mit dem Intel zusammenarbeitet, konnte dieses Jahr sein Chiplet „TeraPHY“ demonstrieren, das mehr als 1 Tbit/s über die Distanz von zwei Kilometer überträgt.
Nötig ist dafür lediglich ein herkömmliches Paket aus ASIC oder CPU oder FPGA. Der Bus dafür ist der von Intel etablierte AIB (Advanced Information Bus), der auch Schnittstellen definiert. Ayar arbeitet mit Intel zusammen. Die Lichtquelle, die TeraPHY benötigt, hat Ayar ebenfalls optimiert.
„Supernova“ ist ein PIC, der als Multiplexer acht oder 16 Wellenlängen erzeugen kann. Das damit gelieferte Licht reicht für 256 Datenkanäle, die insgesamt 8,192 Tbit/s übertragen können. Wie schon angedeutet, ermöglicht es der AIB, mehrere Komponenten zu einem Chiplet zu kombinieren, das beispielsweise als Transceiver (siehe: Abbildung) fungiert.
Polymer-Wellenleiter von IBM
In Rüschlikon bei Zürich forschen und entwickeln die IBM-Wissenschaftler seit rund zehn Jahren an optischen Polymer-Schaltkreisen (PCBs), Schaltern und optischen Verbindungen. ((https://www.zurich.ibm.com/st/photonics/devices.html)) Dabei spielen die erwähnten Wellenleiter (PWGs) eine bedeutende Rolle. Man arbeitet mit 850-Nanometer-Wellenlänge (VCSEL), um auf flexiblem, von Dow Corning geliefertem Siliziumpolymer-Wellenleitern möglichst verlustfrei zu übertragen.
Die Produktpalette reicht von der Transmitterkarte mit einer Übertragungskapazität von 121010 Gbps über den so genannten Terabus mit seinen zwei Opto-Chips bis zur optischen Platine mit 192 Kanälen. Jede Komponente verfügt über acht bis zwölf eingebettete PWGs. Mit einer neuen SiPh-Technik zur optischen Kopplung erzielt IBM Übertragungsraten von bis zu 10 Tbp/s (siehe: Abbildung 9).
„Solche optischen Single-Mode-PWGs werden verwendet, um einen SiPh-Transceiver-Chip mit der äußeren Welt zu verbinden“, sagt IBM Wissenschaftler Bert Jan Offrein. Entsprechende SM-PWG-Substrate lassen sich als große, flexible Platten produzieren (siehe: Bildergalerie).
Einsatzbereiche
Da die PIC-Technik weniger Energieverbrauch benötigt, meist aus kleineren Bauteilen besteht und über Distanzen bis 2 Kilometer (zumindest bei Ayar) keinen Qualitätsverlust aufweist, lässt sie sich nicht nur in ITK-Rechenzentren, sowie WANs und Unterseekabeln beispielsweise, und Superrechnern für den Interconnect nutzen, sondern auch in ´kleinen` IoT-Geräten, vom Sensor, 5G-Handy und LiDAR. Insbesondere der 5G-Markt steht noch ganz am Anfang, benötigt aber genau diese SiPh-Technologie. Zu guter Letzt sehen die Auguren von Yole auch in der Computertechnik eines Fahrzeugs hohen Nutzwert, beispielsweise in Assistenzsystemen für Echtzeitreaktion, etwa beim Bremsen oder beim Autonomen Fahren, denn dann können Sekundenbruchteile über Leben und Tod entscheiden.
Rechnerarchitektur & Co.
Die optische Technologie der Photonik ermöglicht raffinierte neue Architekturen für Hochleistungsrechner (HPC, besonders Exascale) und Datenzentren. Wie schon erwähnt, wird mit Übertragung per Licht gearbeitet. Ein Laser erzeugt moduliertes Licht einer festgelegten Wellenlänge. Dieser Strahl lässt sich durch Prismen, Gatter, Filter und Ausgänge auf vielfältige Weise lenken und vervielfachen. Der Grundbegriff dafür lautet Waveguide (WG), also: Wellenführung.
Da die Datenübertragungsraten so hoch sind, lassen sich, so die Erwartung von Herstellern wie Fujitsu und Intel, die Ebenen des Netzwerks, der Rechnerknoten (Nodes) und des Storage-Bereichs voneinander entkoppeln. Und zwar auf eine Weise, dass die Datenverarbeitungseinheiten (CPUs, GPUs und FPGAs beispielsweise), die ja die meiste Hitze erzeugen, sich separat direkt kühlen lassen, sei es mit Luft, sei es mit einer Flüssigkeit. Diese Notwendigkeit fällt dann für die oben genannten passiven Komponenten weg.
SiPh-Bausteine sollen es auch ermöglichen, Storage-Systeme oder neue Nodes in externen Racks zu platzieren und sie über Glasfaser mit dem Zentralserver zu koppeln. Ein einziges TeraPHY-Chiplet plus Supernova-Chip von Ayar kann bis zu 256 Kanäle mit über 8 Tbps (s.o.) bereitstellen. Diese 256 Kanäle, übertragen mit einem optischen MXC-Kabel, machen entsprechend viele Kupferkabel in einem Rack überflüssig. (IBM-Foto) Denn dedizierte Ethernet-Verbindungen für jeden Server-Node werden nicht mehr benötigt, weil ein SiPh-Multiplexer das erledigt.
Der Verwaltungsaufwand für diese dezentrale Infrastruktur ist dann zwar ein klitzekleines bisschen höher, aber die Energiekosten werden beträchtlich gesenkt. So rückt der Traum vom Exascale-Superrechner ein gutes Stück näher. Ein Energieverbrauch von unter 40 Megawatt erscheint realisierbar.
Die nächsthöhere Ebene über Infrastruktur und Middleware bilden Applikationen. Nach Ansicht von Fujitsu ebnet Silicon Photonics den Weg zu anwendungsspezifischen Servern, die auf jede Workload hin optimiert sind. Das ist bereits bei HPC-Rechnern üblich, so etwa die Zuschaltung von GPU-Kapazitäten aus der Cloud.
Die Entkopplung
Da sich Netzwerk, Storage und Compute entkoppeln lassen, können die Nutzer die jeweiligen Komponenten leichter upgraden und austauschen, aber zugleich die Anschaffung hochpreisiger neuer Server-CPUs umgehen. Die Abhängigkeit von Software-Upgrades und täglichen Bugfixes könnte sinken.
Aufs Rechenzentrum übertragen, erwartet Fujitsu, dass sich neue Systeme leichter hinzufügen lassen, denn man braucht keine neue Verkabelung und Neuaufstellung der Komponenten – die Glasfaseroptik verbindet ja alles quasi in Echtzeit. Der Kapitalaufwand werde sinken, Nutzer können mehr mit weniger Investition erzielen, beispielsweise die Beschleunigung von KI-Prozessen (Training, Inferenz).
Kinderschuhe, fünf Jahre später
Der Gesamtmarkt für Photonic ICs (PICs) wird vom Analysten Eric Mounier bei Yole Développement von 4 Milliarden Dollar in 2018 auf 19 Milliarden Dollar in 2024 wachsen, von rund 30 Millionen Stück auf rund 160 Millionen Stück. Diese Einheiten können viele unterschiedliche Materialien und Formfaktoren aufweisen. Dabei werde im Vergleich zu anderen Bauweisen die SiPh-Technologie (SiPh: Silicon Photonics auf Siliziumbasis) jährlich mit 44,5 Prozent am schnellsten wachsen, denn sie wird in erster Linie für Datenverbindungen in Rechenzentren und WANs herangezogen.
Der SiPh-Marktumfang soll laut des Yole-Reports „Silicon Photonics and Photonic Integrated Circuits 2019“ von 0,45 Milliarden Dollar, die von 1,3 Millionen Einheiten in 2018 generiert wurden, auf etwa 4 Milliarden Dollar in 2024 wachsen, was einer Menge von 23,5 Millionen SiPh-Einheiten entspräche. Davon entfällt auf den Interconnect-Markt für Rechenzentren, Städte und Langstrecken der größte Anteil. In kohärenter Telekommunikation, also on5G-Netzen und mit Sensoren wird ein relativ kleiner Anteil generiert.
„Photonik ist wirklich der nächste Schritt auf der Roadmap geworden“, freut sich Elad Alon, Co-Direktor des Berkeley Wireless Research Center, Professor für Elektronik und Informatik an der Universität Berkeley nahe San Francisco. „Ich denke, wir befinden uns jetzt an einem Punkt, an dem, realistisch gesehen, Photonik als eine der letzten Optionen verblieben ist“, um mit der exponentiell wachsenden Datenflut Schritt halten zu können.
* Michael Matzer ist ein freier Autor und lebt in Stuttgart.
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