Windcloud und Axians skalieren den klimaneutralen Ansatz Künftig mehr Co-Location und Cloud-Services aus grünen Rechenzentren

Von Regina Groß* |

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Windcloud nutzt seit 2018 regenerative Energie für den Rechenzentrumsbetrieb in Enge-Sande, aus dem das nordfriesische Startup seine Kunden mit Co-Location und Cloud-Diensten versorgt. Auf dem erweiterten Datacenter soll nun eine Algenfarm den Klimakiller Kohlenstoffdioxid (CO2) sogar abbauen. Ein DDoS (Distributed Denial of Service)-Schutzsystem und eine Architektur von Axians Networks & Solutions sichern das nachhaltige Geschäftsmodell langfristig ab.

Das Rechenzentrum der Windcloud 4.0 GmbH hat eine Algenfarm auf dem Dach, die mit Abwärme aus dem Serverraum versorgt wird.
Das Rechenzentrum der Windcloud 4.0 GmbH hat eine Algenfarm auf dem Dach, die mit Abwärme aus dem Serverraum versorgt wird.
(Bild: Ostler/ Vogel IT-Medien GmbH)

Das Digitale erleichtert unseren Alltag, es schadet jedoch dem Klima. Ralph Hintemann, Gesellschafter und Senior Researcher am Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit, rechnete Ende 2019 dem Nachrichtenmagazin „ZDF heute“ vor: „Wir schreiben in Deutschland rund eine Milliarde E-Mails pro Tag. Dabei fallen 1.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid an, ein Gramm pro E-Mail. Eine Stunde Video-Streaming produziert so viel CO2 wie ein Kilometer Autofahren.“

Auch bei Suchanfragen entsteht CO2. Die Künstlerin Joana Moll errechnete 2018 für Google 10 Gramm CO2 pro Suchanfrage. Dieser Wert basiert auf weltweit 47.000 Anfragen pro Sekunde, welche die Suchmaschine bereits 2015 bewältigte. Den Suchdienst realisieren unzählige Serverfarmen, die viel Energie verbrauchen.

Den Strombedarf der Rechenzentren hierzulande kennt Energieforscher Hintemann bestens. Aus seiner Studie am Borderstep Institut geht ganz klar ein Trend hervor: Server und Rechenzentren in Deutschland verbrauchten 2018 sechs Prozent mehr Strom als im Vorjahr – und zwar 14 Milliarden Kilowattstunden (kWh).

Der Wissenschaftler prognostiziert bis 2025 rund 18 Milliarden kWh pro Jahr. Die Ursache für den Anstieg sieht Hintemann vor allem im Hochfahren der Cloud-Kapazitäten in Deutschland.

Die Vision von CO2-freier digitaler Infrastruktur

Demnach entwickelt sich die digitale Infrastruktur ungebremst zu einem immer größeren CO2-Emittenten. Diesem Trend will Windcloud entgegenwirken. Wilfried Ritter, Gründer und Geschäftsführer des nordfriesischen Startups, formuliert sein Ziel folgendermaßen: „Unsere Vision ist eine CO2-freie Zukunft digitaler Infrastrukturen. Wir streben an, das grüne Cloud-Rückgrat der deutschen und europäischen Industrie 4.0 & Industrial IoT zu werden.“

Die Basis für die Umsetzung bildet das erste Rechenzentrum von Windcloud 4.0 auf dem „Greentec Campus“ in Enge-Sande, das ausschließlich regenerative Energiequellen, hauptsächlich Windkraft, nutzt. Die Versorgung findet über Umspannwerke statt, in denen zu 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien umgespannt und verteilt wird. Dadurch wird Windcloud mit normaler Wechselspannung versorgt.

Sobald das Unternehmen jedoch im kommenden Jahr auf die Eigenversorgung im geschlossenen Verteilernetz umstellt, wird ein neu gebautes Rechenzentrum direkt mit Gleichspannung versorgt, um die Wechselverluste zu minimieren. Das Unternehmen hat mehrere Kunden und Betriebsführer von Windkraftanlagen, die im grünen Rechenzentrum von Windcloud Systeme betreiben, welche für die Regelung oder Steuerung von Windkrafträdern eingesetzt werden.

Die Nutzung der Abwärme

Im Datacenter entsteht Abwärme, die das Startup an Industriepartner für eine nachhaltige Nutzung weiterleitet. Windcloud selbst verwendet die Abwärme für die Pilotanlage einer Algenfarm und betreibt diese vollumfänglich selbst.

Gebaut wurde sie zusammen mit dem Partner Novagreen Projekt-Management. Wincloud möchte möglichst viele empirische Daten sammeln, die weitere Erkenntnisse über das Zusammenspiel von Rechenzentrum und Algenfarm bringen sollen.

In Zukunft werden die Algenfarmen von einem Partner betrieben, der als eigenständiger Kunde des Rechenzentrums getrennte Netzwerke für IT und IoT-Gateways bekommt. Auch die Auswertung und die notwendige IT-Plattform der Algenfarm wird auf Ressourcen des Windcloud-Rechenzentrums laufen.

Das zentrale Produkt von Windcloud ist Co-Location. Darüber hinaus bietet der Rechenzentrumsbetreiber Infrastructure as a Service, Cloud Backup, Virtuelle Server und Cloud Storage an. Bisher beziehen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), regionale grüne Unternehmen, kleinere und mittlere Firmen, Energieversorger und Institutionen der öffentlichen Hand aus ganz Deutschland die klimaneutralen Leistungen.

Wachstumswille

Die steigende Nachfrage für die grünen Cloud-Services lässt sich perspektivisch jedoch nicht mit den vorhandenen Kapazitäten abdecken. Daher plant Windcloud weitere Rechenzentrumsstandorte mit verschiedenen Abwärmenutzungskonzepten im industriellen Maßstab zu erschließen.

Aktuell finanziert Windcloud alles aus Eigenmitteln. Wilfried Ritter erläutert: „Für die erste Anlage werden in Kürze Forschungsgelder beantragt. Des Weiteren möchten wir für die nächste größere Anlage einen Förderkredit mit der EurA beantragen. Bei der Förderung ist es selbstverständlich immer abhängig von der Förderquote und vom Förderantrag, wofür die Mittel verwendet werden können. Gleichzeitig ist man im Projekt dann daran gebunden, dass diese Gelder zu dem Zeitpunkt fließen, an dem sie benötigt werden. Dies kann zu Verzögerungen führen und war auch der ausschlaggebende Grund, warum wir uns anfangs gegen die Beantragung von Fördermitteln entschieden und die erste Anlage aus eigenen Mitteln finanziert haben. Darüber hinaus sind die Erfolgschancen bei Förderanträgen deutlich erhöht, wenn man bereits einen Prototyp oder eine erste Anlage vorweisen kann.“

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Netzwerkspezialisten sichern den ambitionierten Ausbau ab

Windcloud 4.0 geht seine ehrgeizigen Ausbaupläne strukturiert an, weshalb das Startup frühzeitig Axians beauftragte. Der ICT-Systemintegrator ist unter anderem hochspezialisiert auf die Bedürfnisse von Carriern und Service-Providern und damit prädestiniert, für Windcloud ein Schutzsystem gegen DDoS-Angriffe aufzubauen und für eine skalierbare, hochverfügbare und performante Netzwerkarchitektur zu sorgen.

Für den sicheren, hochverfügbaren Rechenzentrumsbetrieb ist ein DDoS-Schutzsystem unverzichtbar. Es identifiziert gefährlichen Traffic und leitet ihn um, so dass er das Rechenzentrum gar nicht erst erreicht.

Axians und Windcloud entschieden sich für eine Lösung von Corero Network Security, einem führenden Anbieter in diesem Bereich. Die Netzwerkspezialisten passten das System an die Bedürfnisse von Windcloud an.

„Der DDoS-Schutz ist für unsere Kunden sehr wichtig und ein zentrales Security-Thema. Deshalb wollten wir ihn zuerst umsetzen“, so Stephan Sladek, CTO bei Windcloud. „Jetzt können wir damit werben, dass wir auch als kleiner, neuer Anbieter dieselbe Technologie einsetzen wie große Rechenzentren.“

Verteilte Routing-Lasten durch die neue Architektur

Im nächsten Schritt ist ein Konzept für eine Routing-Infrastruktur vorgesehen, welche die Lasten auf mehrere Anbieter verteilt und nicht mehr allein auf den bisherigen Carrier Globalconnect setzt. Das Redesignen der alten Architektur ist jedoch komplex. Denn der Rechenzentrumsstandort im nordfriesischen Enge-Sande in Nordfriesland befindet sich weit weg von den großen Internet-Knotenpunkten.

„Die Anbindung geht ja über viele verschiedene Wege und Internet-Anbieter. Sie alle müssen die Möglichkeit haben, sich mit dem Rechenzentrum zu verbinden. Dabei sollte das Netzkonzept so aufgebaut sein, dass Latenzen möglichst gering gehalten werden“, erläutert Jan Peter Schneider, Account Manager bei Axians.

Axians setzt die entworfene neue Architektur mit zwei Routern von Juniper Networks um. Diese konfigurieren die Netzwerkexperten so, dass sie Hunderttausende von IP-Adressen managen und Traffic auf dem schnellsten Weg durch die verschiedenen Netze leiten.

Eine Herzensangelegenheit und Algen auf dem Dach

Die erneuerte Netzwerkarchitektur versetzt Windcloud zusätzlich in die Lage, die Kostenvorteile verschiedener Carrier zu nutzen. „Das grüne Cloud-Geschäft muss sowohl stabil als auch wirtschaftlich laufen. Es ist für uns als Axians eine Herzensangelegenheit, an so einem Projekt mitzuarbeiten, das ganz klar zeigt: Die Digitalisierung geht auch klimaneutral. Es freut mich besonders, dass ich mit diesem Projekt dank meiner speziellen Fachkenntnisse etwas zum Klimaschutz und dem Erhalt unserer Umwelt beitragen kann“, erklärt Schneider.

Das Algenrechenzentrum von Windcloud 4.0
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Den Ball nimmt Jacques Diaz, CEO Axians Deutschland, auf und erklärt: „CO2-Einsparungen stehen im Kern der Umwelt- und Nachhaltigkeitsstrategie von Axians als Teil von Vinci Energies. Daher unterstützen wir innovative Kunden wie Windcloud mit viel Leidenschaft und großem Engagement. Diese Maßnahmen gehen auch Hand in Hand mit dem Vinci-weiten Einsparziel, unsere eigenen CO2-Emissionen bis 2030 gegenüber 2018 um 40 Prozent zu senken. Als Axians arbeiten wir hier sehr eng mit unserem Konzernnetzwerk zusammen – zum Beispiel im Bereich der digitalen Erfassung und Optimierung von CO2-Daten.“

Das Redundanzkonzept und die unabhängige Routing-Infrastruktur sowie der DDoS-Schutz bilden eine solide Basis für Windcloud, mit seinem nachhaltigen Geschäftsmodell zu expandieren. Als Zwischenetappe lässt sich das erweitere Rechenzentrum in Enge-Sande betrachten, das im August 2020 in Betrieb gegangen ist. Dieses verfügt über eine direkte freie Kühlung. Auf dem Dach des Gebäudes betreibt der Partner Novagreen eine 230 Quadratmeter große Algenfarm, die CO2 abbaut. So entwickelt sich das Rechenzentrum vom CO2-Verursacher zum CO2-Absorbierer.

* Regina Groß ist eine freie Redakteurin aus München.

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