Das Rennen um die Exascale-Performance HPE schluckt Cray – taugt das?
Im Rennen um die Exascale-Performance geht es Schlag auf Schlag. Jetzt geht mal eben Cray unter den Hammer.
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Nach dem Kauf von SGI im November 2016 für 275 Millionen Dollar schlägt HPE bei einem noblen HPC-Rivalen einmal wieder zu. Diesmal geht für 1,3 Milliarden Dollar der High-Performance-Computing-Pionier Cray über die Ladentheke. Das in Seattle im U.S.-Bundesstaat Washington beheimatete Cray ist der Platzhirsch unter den Top 100 Supercomputer-Installationen weltweit.
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KI, Machine Learning und Big Data
HPE übernimmt Supercomputing-Spezialisten Cray
Cray war in den vergangenen Monaten auch aus ganz anderen Gründen bereits in den Schlagzeilen. Auf der ISC 2019 gab das Unternehmen bekannt, das weltweit erste HPC-Speichersystem der Exabyte-Klasse an Oak Ridge National Laboratory (ORNL) ausliefern zu wollen.
Im Rahmen des Frontier CORAL-2-Vertrags wollen die föderale Energiebehörde der Vereinigten Staaten (Department of Energy, kurz DoE) und das ORNL das „Cray Cluster Stor“-Speicherdateisystem der nächsten Generation in den Frontier-Supercomputer von ORNL integrieren, der auf der „Shasta“-Architektur von Cray basiert.
Shastra und Slingshot
Mit der Supercomputing-Architektur Shasta möchte Cray die Unterscheidung zwischen Supercomputern und Clustern aufgehoben haben. Die Architektur unterstützt eine Vielzahl von Prozessortechnologien in konvergierten heterogenen Workloads. Shasta sei für die Ära von Exascale „von Grund auf neu konzipiert worden“, heiß es.
Shasta und „Slingshot“, das innovative Interconnect des Herstellers, haben Cray den Weg beim US-Energieministerium geebnet. Die ersten beiden Exascale-Systeme in den USA setzen auf eben dieser Technologie auf.
Das Slingshot-Interconnect glänzt durch intelligente Funktionen, mit denen verschiedene Workloads gleichzeitig im gesamten System ausgeführt werden können. Es umfasst neuartige Funktionen für adaptives Routing, Quality-of-Service und Engpass-Management mit vollständiger Ethernet-Kompatibilität.
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Attraktive Super-Cluster-Hard- und Software-Kombi
Supercomputing-Spezialist Cray greift zu AMD-Prozessoren
Mit Shasta soll Cray noch vor der Auslieferung nahezu 1 Milliarde Dollar an Umsatz einfahren können. Dennoch soll das Unternehmen im laufenden Geschäftsjahr erhebliche Verluste hinnehmen müssen.
Das Rückgrat der Wissenschaft
Auch in der deutschen Wirtschaft und Wissenschaft spielen Cray-Systeme eine wichtige Rolle. Mit Hilfe eines Pilotsystems von Cray namens „Julia“ forscht beispielsweise am Jülich Supercomputing Center ein Team unter der Leitung von Professor Dirk Pleiter im Rahmen des Human Brain Project (HBP).
Die Rechenknoten verfügen über 35.712 CPU-Kerne mit „Intel Xeon Phi“-Prozessoren und den „Cray Datawarp“ I/O-Anwendungsbeschleuniger. Das HPC-System kann auf ein 3 Petabyte großes „Lustre“-Dateisystem der „Sonexion“, einer modularen Storage-Lösung von Cray, zurückgreifen (siehe: „High Performance Computing von Suse, Red Hat und Microsoft, Vergleich von HPC-Features in Windows-und Linux-Betriebssystemen“).
Bei HBP handelt es sich um ein europäisches Forschungsprojekt zum Erkunden des menschlichen Gehirns. „Wenn die Forscher in der Lage sein sollen, ihre Modelle [auf die Komplexität] des menschlichen Gehirns hinaus zu skalieren, werden wir mehrere Dutzend Petabytes brauchen“, beobachtet Professor Pleiter.
Cray in Industrie-Einsatz
Die HPC-Technologie von Cray trumpft auch in der Industrie mit praxisnahen Vorteilen, so zum Beispiel bei Siemens. Im Bestreben, die Skalierbarkeit der eigenen Software „Simcenter Star-CCM+“ zu verbessern, hat sich kürzlich die Siemens PLM mit dem High Performance Computing Center Stuttgart (HLRS) zusammengeschlossen, um die Leistungsfähigkeit der Lösung auf dem Cray XC-Supercomputersystem des Centers zu demonstrieren ((siehe: „High Performance Computing von Suse, Red Hat und Microsoft, Vergleich von HPC-Features in Windows-und Linux-Betriebssystemen“).
In einer High-Fidelity-Simulation auf über 50.000 Rechenkernen ließ sich zur hohen Zufriedenheit aller Beteiligten eine nahezu verlustfreie Parallelisierbarkeit der Siemens-Software unter Beweis stellen. Die Skalierbarkeit der Gasturbinenverbrennungssimulation kommt im Endeffekt der Umwelt zu Gute.
Die HPE-Cray-Kombi
Im HPC-Markt hat HPE die Marktführerschaft inne. Das Unternehmen kam im vergangenen Jahr (2018) auf einen Marktanteil in Höhe von 34,8 Prozent und liegt damit vor Dell EMC (siehe: „„Föderierter“ Vendor-Lock-In, Ein strategischer Blick auf die EMC-Akquisition durch Dell“ (mit 20.8 Prozent) und IBM (mit 7.1 Prozent).
Zwar kann Cray gerade einmal 2,3 Prozent des HPC-Marktes für sich verbuchen, dafür dominiert es das High-End-Segment. Cray adressiert mit seinen Supercomputern die anspruchsvollsten und datenintensivsten Workloads und konnte sich in seiner Nische als der bisher unangefochtene Technologieführer fest etablieren.
Auf der Überholspur
Die einst renommiertesten Namen der Enterprise-IT sind im Laufe der vergangenen Dekade fast allesamt unter den Hammer gegangen. Zuerst ging Sun Microsystems am 27. Januar 2010 für 7,4 Milliarden Dollar an den IT-Riesen Oracle. Am 1. Oktober 2014 hat IBM die wertvolle x86-Server-Sparte für gerade einmal 2,3 Milliarden Dollar an Lenovo abgestoßen. Zuletzt ging der auf 67 Milliarden valuierte Riese EMC in der deutlich kleineren Dell Corporation auf.
Dem einen oder anderen Branchenprimus wären diese Turbulenzen erspart geblieben, wären die knausrigen Hyperscaler nicht alle nahezu im Gleichschritt zu „Selbstversorgern“ mutiert. Statt wie bisher in Markenprodukte zu investieren haben sie Standards für Whitebox-Hardware gekürt und lassen ihre Systeme nach eigenen Spezifikationen spottbillig mit massiven Skaleneffekten in Südostasien fertigen.
So zerrinnt den etablierten Akteuren ein relevantes Marktsegment zwischen den Fingern. Anbieter von RZ-Gear von Brocade bis hin zu Cisco sowie Server- und Storage-Hersteller wie Dell EMC, IBM und Hewlett Packard/HPE hat es kalt erwischt.
Lenovo macht es vor
Inzwischen sind asiatische Hardwarehersteller auf den Geschmack von HPC (siehe: “Diese aktuellen Themen bewegen die RZ-Welt, Das BEST OF DataCenter-Insider“ gekommen, allen voran der chinesische Riese Lenovo. Ihr methodischer Einstieg in den moderat wachsenden Markt ging zu Lasten der etablierten Größen.
Insbesondere Lenovo (siehe eBook: “Open Source in der Datacenter-Administration, Teil 2”) hat den Anteil von HPE am HPC-Markt in den vergangenen Jahren stark angeknabbert. Auch der Wettbewerb seitens IBM mit Chips in RISC-Architektur macht HPE zu schaffen.
Noch 2014 konnte Lenovo nicht auf einen einzigen Supercomputer unter den ersten 500 weltweit führenden HPC-Installationen verweisen; im vergangenen Jahr (2018) brachte es der chinesische Riese auf 140 davon in 17 Ländern. Ein Großteil dieses Erfolgs ging zu Lasten von HPE, glauben Analysten wie Geoff Woollacott von Technology Business Research.
Spurwechsel
Mit der Cray-Akquisition möchte HPE offenbar zurück auf die Überholspur wechseln und Lenovos Wachstum ausbremsen — die Frage ist nur, für wie lange. Lenovos Erfolgsbilanz beruht im Großen und Ganzen auf dem Verzicht auf die Exklusivität maßgeschneiderter Hardware zugunsten der Austauschbarkeit einer Einwegware.
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Supercomputing mit Standardkomponenten und Open Source
Exascale für alle
In der Zwischenzeit konnte Lenovo unter anderem im Softwarebereich eigene Kompetenzen aufbauen. Das Unternehmen könne unter anderem durch fortgeschrittenes Chip-Tuning in puncto Performance trumpfen, glaubt Woollacott.
Für Chip-Innovationen in Silzium dürfte bald dennoch das Ende der Fahnensteige erreicht sein. Als offizieller Hoffnungsträger für die Zukunft von HPC gilt das Quantencomputing (siehe dazu etwa: “Probleme, Lösungen, Mathe und Materialien von Quantencomputern, Quanten-Gate-Computer versus Annealer“).
Während HPE seine Forschung in diesem Bereich zurückgeschraubt hat, bringt Cray eine Menge wertvoller Patente in diesem Bereich mit, enthüllt Ray Wang, Gründer und Principal Analyst bei Constellation Research. Von der Cray-Übernahme verspricht sich HPE vor allem aber die Möglichkeit, HPC-as-a-service und KI/ML-Analytics-Dienste aus der Cloud via HPE GreenLake bereitzustellen.
Fazit der Autoren
Die Akquisition von Cray festigt HPE seine Position als ein solide aufgestellter HPC-Marktführer.
* Das Autorenduo Anna Kobylinska und Filipe Pereira Martins arbeiten für McKinley Denali Inc. (USA).
Hinweis: Derzeit können Leser von DataCenter-Insider darüber abstimmen, wer den DataCenter-Insider Award in diesem Jahr gewinnen soll. Zum ersten Mal gibt es die Kategorie „High Performance Computing“ und: Mit dabei sind Cray sowie HPE - noch getrennt. Die Unternehmen treten gegen Lenovo, Supermicro, Dell EMC, Inspur, Fujitsu und IBM an. Ihre Stimme ist 'was wert.
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