Wissenschaft, Wirtschaft und IT gebündelt in einem Projekt Geo-Informatik kann drängende Probleme der Zeit bewältigen

Ein Gastbeitrag von Bastian Soto* Lesedauer: 5 min

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Geo-Informatik ist bisher eine Spezialdomäne. Geht es nach Branchenexperten, gehört das jedoch schon bald der Vergangenheit an und das Fach wird verstärkt Einzug in zukunfts- und nachhaltigkeitsorientierte Anwendungsfelder halten.

Die Technische Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt hat im vergangenen Jahr ein Projekt zur Geo-Informatik aufgesetzt. Jetzt erläutern zwei Projektpartner im Interview, welche Hoffnungen und Chancen sich mit dieser IT-Disziplin verbinden.
Die Technische Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt hat im vergangenen Jahr ein Projekt zur Geo-Informatik aufgesetzt. Jetzt erläutern zwei Projektpartner im Interview, welche Hoffnungen und Chancen sich mit dieser IT-Disziplin verbinden.
(Bild: frei lizenziert: stokpic / Pixabay)

Ein Pilotprojekt wurde im September 2022 an der Technischen Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt lanciert: Professorin Melanie Brandmeier arbeitet hier mit zwei spezialisierten Software- und IT-Unternehmen zusammen, um die nächste Generation von Geo-Informatikern auszubilden. Im Auftrag von DataCenter-Insider hat sich Bastian Soto mit den verantwortlichen Projektpartnern Michael Mundt, Senior Business Development Manager von Esri Deutschland, und Ronny Reinhardt, Head of Finance and Business Development bei Cloud&Heat Technologies, zur Zukunft des Fachgebietes und den Hintergründen des ambitionierten Hochschulprojektes ausgetauscht.

Geo-Informatik ist dem Volksmund kein geläufiger Begriff, dabei sind die Anwendungsfelder vielfältig, weitreichend – und aktueller denn je. Was macht den hohen Bedarf aus?

Michael Mundt: Geo-Informatik gewinnt in den letzten Jahren zusehends an Bedeutung, gerade auch vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels. Umweltschutz lässt sich ohne entsprechende Datenbasis nicht bewerkstelligen, so beispielsweise auch, wenn es um die Verbesserung der Energie-Effizienz geht.

Auch beim Ausbau städtischer und ländlicher Infrastruktur müssen Geo-Informationen mitgedacht werden – Stichwort Smart Cities. Städte werden technologisch fortschrittlicher, ökologischer und sozial inklusiver. Hier können Daten einen wertvollen Beitrag leisten.

Ronny Reinhardt: Letztlich findet Geo-Informatik überall da Anwendung, wo Daten von Satelliten, Luftbilder von Drohnen, Sensordaten und Radarinformationen genutzt werden. Diese Daten müssen je nach Kontext für die unterschiedlichsten Aufgabenstellungen ausgelesen und aufbereitet werden. Und das geht nur, wenn die verschiedenen Fachrichtungen Hand in Hand gehen.

Fächerübergreifende Zusammenarbeit ist ein gutes Stichwort – Wie vereint das Projekt die verschiedenen Disziplinen?

Michael Mundt: Das Zentrum bildet die Geo-Informatik, doch dahinter stehen noch viele weitere Teilbereiche, denen an der Hochschule und im Projektseminar der Hochschule Rechnung getragen wird. Dabei geht es insbesondere um zentrale Zukunftstechnologien wie Geodaten, Cloud und KI, deren Entwicklung sich schon fast tagesaktuell nachverfolgen lässt. Da ist es nur folgerichtig, dass die Modernisierung der Geo-Informatik-Ausbildung ein ähnliches Tempo aufnimmt. Deshalb bringen wir in einem gemeinsamen Projekt Infrastruktur, Anwendung und Ausbildung unter einen Hut – unter Einbezug des Nachhaltigkeitsgedankens von Beginn an.

Ronny Reinhardt: Genau, Voraussetzung war und ist, unsere Expertisen in den verschiedenen Bereichen zu bündeln und and die Studierenden weiterzugeben. Das bezieht aus der IT-Perspektive nicht zuletzt auch Machine- und Deep Learning-Kompetenzen mit ein, die nicht nur verstanden, sondern über den gesamten Verlauf der Ausbildung vermittelt und auch praktisch angewendet werden müssen. Hier die Erfahrungen unserer jahrelangen Arbeit im Bereich der Cloud-Infrastruktur zu vermitteln, schafft Praxisnähe.

Dabei treffen und wirken also Wissenschaft, Wirtschaft und IT zusammen – Wie sieht die Rollenverteilung der einzelnen Projektbeteiligten aus?

Michael Mundt: Die Leitung des rahmengebenden Projektseminars und damit die Ausbildung der Studierenden hat Frau Professor Dr. Melanie Brandmeier, Studienbereich Geo, von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, inne. Ihre Lehrgebiete Geowissenschaften, Maschinelles Lernen und Fernerkundung bilden den idealen Lehrrahmen für die Studierenden.

Wir von Esri Deutschland wiederum stellen mit unserer Software „Arcgis“ die Plattform zur Analyse der Geodaten, um die komplexen räumlichen Fragestellungen zu beantworten. Die Auszubildenden erarbeiten und erlernen dabei neueste Methoden, um künstliche Intelligenz zu trainieren, zu nutzen und schließlich auf neue Daten anzuwenden.

Ronny Reinhardt: Bei der zugrundeliegenden Infrastruktur, die es dafür braucht, kommen wir von Cloud&Heat Technologies ins Spiel. Wir stellen die Cloud-Plattform und Server bereit und weisen die Studierenden ein. Ziel ist auch, das Verständnis zu schärfen, dass die Infrastruktur äußerst rechenintensive Prozesse leisten muss, wir dabei aber auch sorgfältig mit den Ressourcen unserer Natur umgehen müssen. Mit unseren digitalen Infrastrukturen ist das kein Widerspruch – die Technologien können ökonomisch und ökologisch im Einklang miteinander eingesetzt werden, da wir beispielsweise die Abwärme der Server nutzen, um Gebäude zu heizen.

Das Zusammenspiel besagter Hard- und Software ist demnach wesentlich, um die Studieninhalte praxisnah zu vermitteln?

Michael Mundt: Letztendlich sind es tatsächlich zwei gleichberechtigte Bestandteile des digitalen Gesamtprozesses, die ineinander verzahnt werden müssen – in gewisser Weise also zwei Seiten derselben Medaille. Da ist es nicht damit getan, einfach eine Software zu installieren.

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Auf der einen Seite haben wir Arcgis, womit die Studierenden tagtäglich arbeiten. Zum Einstieg geschieht das noch mit vereinfachter Oberfläche und Bedienung, um sie an den Funktionsumfang der Software heranzuführen. Mit zunehmender Einarbeitung werden sowohl die Modelle als auch die Aufgabenstellungen komplexer – und damit auch die Rechenleistungen.

Die entsprechende IT-Infrastruktur auf der anderen Seite stellt dafür die Voraussetzungen. Hierfür wurde im Vorfeld des Projekts genau geschaut, welche Serverkapazitäten nötig und möglich sind, und wie sie effizient genutzt werden können. Das Beispiel zeigt, wie Infrastruktur flexibel, agil und nachhaltig für den Gesamtprozess geplant und zusammen mit der Software bereitgestellt und umgesetzt werden kann.

Lassen Sie uns noch einmal genauer auf die IT-Infrastruktur blicken, die für den CO₂-Fußabdruck maßgeblich mitverantwortlich ist. Wie lassen sich hier möglichst hohe Einsparungen erzielen?

Dr. Ronny Reinhardt ist Head of Finance and Business Development bei Cloud&Heat Technologies.
Dr. Ronny Reinhardt ist Head of Finance and Business Development bei Cloud&Heat Technologies.
(Bild: Cloud&Heat Technologies)

Ronny Reinhardt: Die Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks zur Verbesserung der Klimabilanzen ist natürlich auch in unserer Branche elementar wichtig, schließlich verbrauchen Rechenleistungen doch eine Menge Ressourcen. Alle Projektpartner wollten von Anfang an die bereitgestellten digitalen Infrastrukturen ganzheitlich nachhaltig gestalten.

Das gelingt uns durch Wasserkühlungstechnologie, energieeffiziente Hardware-Komponenten und den konsequenten Einsatz eines erprobten Open-Source-Stacks. Alles in allem ergibt sich daraus ein digital-souveränes Komplettpaket bestehend aus Infrastruktur, Hardware, Software und Operations.

Der Vorteil insbesondere der Wasserkühlung: Sie ermöglicht die Nachnutzung der Abwärme von Servern zum Heizen von Gebäuden über die Anbindung an Nah- und Fernwärmenetze oder durch Direkteinspeisung. Ein System, das so auch beim Eurotheum, dem ehemaligen Sitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main, Anwendung findet.

Das erste Projektseminar ist vorbei. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus? Und in welchen Bereichen liegt noch ungenutztes Potenzial?

Ronny Reinhardt: Rund um den Umwelt- und Klimaschutz gibt es genug Baustellen, wo Geo-Informatik zur Entfaltung kommen kann. Das fängt schon bei hiesigen Projekten zur Umstrukturierung und nachhaltigeren Ausgestaltung der Landwirtschaft oder der Optimierung von Logistikprozessen an. Auch Verkehrsplanung und die Umsetzungsunterstützung für autonomes Fahren spielen eine hier große Rolle.

Michael Mund ist Senior Business Development Manager von Esri Deutschland.
Michael Mund ist Senior Business Development Manager von Esri Deutschland.
(Bild: Esri Deutschland)

Michael Mundt: Die Hochschule und Professorin Brandmeier haben uns den idealen universitären Rahmen gegeben, um so ein Projekt ins Leben zu rufen. Der schnelle Schulterschluss und die gemeinsame Vorbereitung des Projekts haben die Anlaufphase auf jeden Fall vereinfacht. Bestärkt fühlen wir uns zudem durch das positive Feedback der Studierenden, die einen tiefen Blick in den gesamten Technologiestack erhalten konnten und die enge Verzahnung von Wissenschaft und Praxis aktiv gelebt haben. Wir wollen die zukünftigen Geo-Informatiker weiter dazu befähigen, leitende Aufgaben zur Umsetzung digitaler Prozesse zu übernehmen

Geo-Informatik kann beispielsweise auch global wirken, so unter anderem bei der Planung und Kontrolle von Wassernutzungsrechten oder für den Schutz von Minderheiten wie indigenen Völkern in Südamerika. Das alles sind Felder, die natürlich nicht von heute auf morgen komplett neu beackert und auf links gedreht werden können. Mit dem Pilotprojekt konnten wir aber einen wichtigen Grundstein für Fachkräfte von morgen legen, der keine einmalige Sache bleibt: Das Projektseminar wird auch im kommenden Semester angeboten.

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