Ein großer Wurf oder Wasserkopf und Klein-Klein? Das Munich Quantum Valley ist gegründet

Redakteur: Ulrike Ostler |

Am vergangenen Donnerstag hat sich das Munich Quantum Valley (MQV) gegründet. Im Prinzip ist es eine Allianz der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BadW), der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG), der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der Technischen Universität München (TUM). Beteiligt sind aber auch Firmen wie BMW und Infineon.

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Die Gründer des Munich Quantum Valley: (von links): Reimund Neugebauer (Präsident Fraunhofer-Gesellschaft), Bernd Huber (Präsident LMU), Thomas O. Höllmann (Präsident Bayerische Akademie der Wissenschaften), Markus Söder (Ministerpräsident), Martin Stratmann (Präsident Max-Planck-Gesellschaft), Thomas F. Hofmann (Präsident TUM), Bernd Sibler (Forschungsminister) und Hubert Aiwanger (Wirtschaftsminister)
Die Gründer des Munich Quantum Valley: (von links): Reimund Neugebauer (Präsident Fraunhofer-Gesellschaft), Bernd Huber (Präsident LMU), Thomas O. Höllmann (Präsident Bayerische Akademie der Wissenschaften), Markus Söder (Ministerpräsident), Martin Stratmann (Präsident Max-Planck-Gesellschaft), Thomas F. Hofmann (Präsident TUM), Bernd Sibler (Forschungsminister) und Hubert Aiwanger (Wirtschaftsminister)
(Bild: Bayerische Staatskanzlei)

Einerseits geht es darum, „als bayerische Initiative eine wesentliche Säule in einer nationalen und europäischen Quantenstrategie“zu sein,

  • „die auf einer langfristig ausgelegten institutionellen Förderung aufbaut“ und andererseits
  • „Bayern in einem wichtigen Zukunftsfeld in der Weltspitze zu etablieren“.
  • Außerdem geht es darum, den Sprung in die Kommerzialisierung zu schaffen. Auch deswegen sind neben den Münchner Universitäten und Forschungsstandorte und Forschungsstandorten in Erlangen- Nürnberg, Würzburg und Augsburg angeschlossen auch Infineon Technologies und BMW i Ventures. Dazu kommen Firmen wie IQM und Alpine Quantum Technologies.

Der Bayerische Staat steht mit Fördermitteln parat: Er stellt über einen Zeitraum von zehn Jahren vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags insgesamt 300 Millionen Euro bereit, davon 120 Millionen Euro bereits in den Jahren 2021 und 2022. Darüber hinaus wird sich das Munich Quantum Valley auch um eine Förderung des Bundes bewerben, der die Entwicklung von Quantentechnologien im Rahmen des Zukunftspakets Deutschland mit zwei Milliarden Euro unterstützt.

Das Projekt hat sich einen Drei-Punkte-Plan verordnet:

Punkt 1 – Die Einrichtung eines Zentrums für Quantencomputing & Quantentechnologien (ZQQ), das Industrie und Wissenschaft zusammenführt, Prioritäten in Forschung und Entwicklung in den QWT setzt und zugewiesene Finanzen mit drei Zielsetzungen koordiniert:

  • Förderung der Grundlagenforschung und Entwicklung der Basistechnologien im Bereich der QWT mit Hilfe von Leuchtturmprojekten;
  • Entwicklung, Bau und Betrieb von Quantencomputern, für die eine langfristig angelegte und flexible institutionelle Förderung internationale Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen soll,
  • dem Transfer der Ergebnisse in die Wirtschaft.

Punkt 2 – Die Errichtung eines Quantentechnologieparks, der die technische Infrastruktur für die Entwicklung und Fertigung modernster Komponenten zur Verfügung stellt, die für die wissenschaftlichen Arbeiten, die Gründung von Start-Up-Unternehmen und die industrielle Nutzung von Quantentechnologien benötigt werden.

Punkt 3 - Die wissenschaftliche Qualifizierung und Weiterbildung einer neuen Generation von Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und Informatikern in Quantencomputingtechnologien und die Rekrutierung von Spitzenforschern und Entwicklern. Dies beinhaltet die Weiterbildung und Umschulung von Fachkräften in der Industrie und die gezielte Information der Gesellschaft über die Chancen der wissenschaftlichen und technologischen Revolution.

Die Inhalte

Der Start des Munich Quantum Valley war begleitet durch eine Reihe an Podiumsdiskussionen. Den gemeinsame Nenner: Momentan entfalte sich eine wissenschaftlich-technologische Revolution, bei der sich diese Disziplinen Informationstechnologie und Quantenmechanik zu einem neuen Technologie- und Forschungsgebiet vereinen. Das berge heute noch nicht vollständig abschätzbare, aber weitreichende und potentiell revolutionäre Chancen und Möglichkeiten für verschiedenste Bereiche der Gesellschaft.

Fünf Kernfelder haben sich bereits etabliert:

  • 1. Quantencomputing und Quantensimulation
  • 2. Quanteninformationstheorie und Quantensoftware
  • 3. Quantenkommunikation und Quantenkryptografie
  • 4. Quantensensorik und Quantenmetrologie
  • 5. Quantenmaterialien

Keiner dieser Bereiche soll ausgeschlossen werden, zumal nicht einmal feststehe, welche Quantencomputertechnologie sich letztlich durchsetzen werde. Die Beteiligten hoffen, dass das Valley-Projekt er vereinfache, sich auszutauschen und Erkenntnisse aus verschiedenen Forschungsbereichen zusammenzuführen. „Potentiell eröffnet dies unvorhergesehene Möglichkeiten bei der Lösung komplexer Optimierungsprobleme, bei der Entwicklung neuer Materialien, chemischen Verbindungen und Pharmazeutika mit maßgeschneiderten Eigenschaften, in der Bewertung von Investmentstrategien und Wirtschaftsentwicklungen im Finanzwesen, als auch bei Anwendungen im Bereich des Maschinellen Lernens (ML) und der Künstlichen Intelligenz (KI)“, heißt es in der Informationsbroschüre des Projekts.

Doch auch die Quantenkommunikation wird in den Projektrahmen eingeschlossen; denn abhörsicherer Schlüsselaustausch und effiziente Kommunikationsmittel seien ein Kernbestandteil zukünftiger sicherer Datennetzwerke und Plattformen gegen Cyber-Angriffe. Schließlich erlauben Quantentechnologien insbesondere die Entwicklung einer neuen Generation von Sensoren und Uhren, mit weitreichender Wirkung auf Navigation, Medizin, Biologie und Verkehr.

Die Konkurrenz

Die Initiatoren des MQV verweisen auf Förderinitiativen in den USA (National Quantum Initiative Act), der EU (Quantum Flagship), Großbritannien (UK Quantum Technology Program) und vor allem in China, seit Jahren zu den größten Investoren in der Forschung und Technologie-Entwicklung. Respekt zeigten die Diskutanten vor allem bei den Beteiligungen großer IT-Unternehmen (aus den USA) wie IBM, Google und Microsoft. Gleichzeitig hätten große Investitionen von Venture Capital Firmen zur Gründung einer Vielzahl von Start-Up-Unternehmen in den verschiedenen Bereichen des Quantencomputing geführt.

Das setzt die hiesigen Protagonisten des Quantencomputing unter Druck . Deutschland befinde sich zwar in einer sehr guten Ausgangslage, um die anstehende Quantenrevolution mitzugestalten und von ihr zu profitieren. Es besteet aber auch Nachholbedarf und die Notwendigkeit von mutigem und entschlossenem Handeln, um im internationalen Wettbewerb in der Spitze der Forschung und insbesondere innovativer Geschäftsfelder zu agieren: „Das Munich Quantum Valley kann und will hier einen wesentlichen Beitrag in der Umsetzung einer nationalen und europäischen Strategie leisten und mit internationalen Zentren wie dem Silicon Valley, Boston, Shanghai und Tokyo auf Aufgenhöhe agieren.“

Durch die Umsetzung des 3-Punkte-Plans sollen folgende Ziele erreicht werden:

1. Schaffung eines europaweit einmaligen Quantentechnologie-Ökosystems durch enge Vernetzung von Wissenschaft, Wirtschaft und Kapitalgebern als Grundvoraussetzung für die Implementierung eines funktionierenden Lieferketten-Managements und die Erlangung von Systemkompetenz in zentralen Anwendungsfeldern.

2. Entwicklung von zwei unterschiedlichen Hardware-Plattformen für Quantencomputer, um Deutschland mittelfristig Technologiesouveränität im Bereich Quantencomputing zu verschaffen.

3. Einrichtung eines Cloud-basierten Zugangs zu Quantencomputern für Wissenschaft und Wirtschaft.

4. Entwicklung und Bündelung von Kompetenzen zur Etablierung einer vollständigen Lieferkette --Materialtechnologie, Design, Hardware, Packaging,

Software (full Stack), Steuer- und Betriebssysteme -- bis hin zur Systemintegration in den zentralen Anwendungsfeldern Quantencomputing, Quantenkommunikation und Quantensensorik.

5. Schaffung eines flexiblen Aus- und Weiterbildungssystems, um für die sich schnell entwickelnde Quantenindustrie genügend Experten zur Verfügung stellen zu können.

6. Anwerbung von international führenden Wissenschaftlern und Entwicklern.

Das Zentrum für Quantencomputing

Das ehrgeizigste Ziel des Zentrums für Quantencomputing (ZQQ) in München ist es dem Bau von Quantencomputern und deren industrielle Nutzung auf die Sprünge zu helfen. Es soll die strategische Ausrichtung festlegen, Wissenschaft und Industrie in spezifische Projekte mit klaren Projekt- und Zeitplan einbinden sowie die verschiedenen Finanzierungsquellen kanalisieren und möglichst effizient steuern, im Wesentlichen durch

I. Entwicklung von Leuchtturmprojekten für Quantentechnologien

II. Bau und Betrieb von Quantencomputern sowie die Entwicklung von Softwareanwendungen für diese Computer

Derzeit sind zwei Technologien beim Bau von Quantencomputern führend: solche, die auf Atomen und solche, die auf supraleitenden Schaltkreisen basieren. Das ZQQ soll einen Quantencomputer auf der Basis von Supraleitern und einen weiteren auf der Basis von Atomen/Ionen bauen, und die Software-Anwendungen für diese Computer entwickeln.

Das Zentrum wird dazu die Koordination und Verknüpfung von grundlagenorientierten Basistechnologien aus Leuchtturmprojekten, spezifisch notwendiger Entwicklung von Enabling- und Interface-Technologien bis hin zu dem Engineering von Komponenten und der Systemintegration von Prototypen übernehmen. In etwa fünf Jahren sollten Quantencomputer, so genannte NISQs mit zika 50 bis 100 Quantenbits zur Verfügung stehen. Das heißt: Sie sollten Berechnungen durchführen können, die selbst mit Supercomputern unmöglich sind und das Potenzial dieser neuen Rechenplattform unter Beweis stellen.

Diese ersten Prototypen werden der Industrie und für die Ausbildung neuer Generationen von Ingenieuren und Informatikern zugänglich gemacht. In zehn Jahren sollten skalierbare und kommerziell einsetzbare Computer entwickelt sein. Dazu gehört auch hier, dass entsprechende Software-Anwendungen entwickelt werden plus die Schnittstellen zu klassischen Supercomputern.

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