Wenn die Vergangenheit die Zukunft ist Was sind Analogrechner?
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Analogrechner sind alles andere als altes Eisen. Zumindest wenn man sie „neu denkt“, könnten Analogcomputer das nächste große Ding werden und ein wichtiger Baustein innerhalb eines hybriden Hochleistungsrechnens.

„Es kann nur analog geben. Digital ist unterkomplex und auch nicht menschlich genug“, wird Professor Bernd Ulmann auf der Website der Bundesagentur für Sprung-Innovation (SPRIN-D) zitiert. SPRIN-D wurde vor ein paar Jahren gegründet, ist finanziell ganz ordentlich ausgestattet und soll im Auftrag der Bundesregierung die Technologien von Übermorgen vorantreiben. Eines der Sprung-Innovations-Felder sind dabei moderne Analogcomputer.
Tatsächlich haben derartige Rechner, die auf den ersten Blick eher wie ein Physiklabor oder bei flüchtigem Hinsehen auch wie eine alte Telefonzentrale aussehen, enormes disruptives Potenzial. Sie sind ebenso wie Quantencomputer von Natur aus massiv parallel und im Vergleich zu digitalen Rechnern von Haus aus enorm energieeffizient.
Das Programm als Hardware-Modell
Letztlich wird mit einem Analogrechner eine bestimmte zu lösende Aufgabe - bildlich gesprochen - mit einer Art Techno-Lego modelliert. Die einzelnen Lösungsmodule werden mit Kabeln verbunden, der Aufbau ist so zusagen das Programm.
Statt einer Eingabemaske gibt es ein hochpräzises Potenziometer. Haupt- und Massenspeicher werden nicht benötigt und das Ergebnis wird per Oszilloskop, XY-Schreiber oder Multimeter ausgelesen.
Wenn ein weiteres Problem gelöst werden soll, werden die Module im günstigsten Fall neu verkabelt oder es werden weitere Module hinzugefügt beziehungsweise bisher genutzte entfernt. Und fertig ist das neue Programm. Mit dem in Hardware modellierten Programm steht einem im Grunde auch schon die Lösung bereit, man muss nur noch ordentlich die Messinstrumente ablesen. Die Lösungswerte stehen innerhalb von Millisekunden bereit, weil ja alles parallel abläuft, Energie wird im Vergleich zu den „digitalen Ungetümen“ kaum verbraucht.
Freilich sind solche Analogrechner absolute Spezialisten für jeweils eine ganz bestimmte Aufgabe. Inwieweit man sie universaler gestalten kann, ist sicher eine hochinteressante Forschungsaufgabe (siehe: weiter unten).
Ähnlichkeit von Quantencomputer und Analogrechner
Im Grunde gleicht der gerade beschriebene technische Aufbau tendenziell - also zumindest in abstrahierter Form - der Herangehensweise bei der Quantencomputer-Entwicklung. Auch bei heutigen Quantencomputer-Ansätzen steht der physikalische Aufbau mit entsprechender Messtechnik im Mittelpunkt.
Auch wenn in der Quantencomputerei immer wieder von Qubits geredet wird, ist letztlich nicht nur der adiabatische Quantenrechner(auch Quanten-Annealer genannt) ein Analogrechner, sondern im Grunde jeder Quantenrechner.
Beim Quantenrechner sind im Vergleich zu einem modernen Analogrechner nur die modellierten physikalischen Effekte noch einmal eine Sache für sich. Aufgrund ihrer „wahrscheinlichkeits-behafteten Zustände“ sind sie bekanntlich zeitlich maximal instabil und notorisch dafür bekannt, sich Messversuchen geradezu tückisch zu entziehen.
Trotzdem: Die typologische Ähnlichkeit von Quantencomputer und modernen Analogrechner-Konzepten ist frappant. Insofern ist es nur folgerichtig, dass die Arbeitsgruppe des Analogrechner-Gurus Bernd Ulmann, mittlerweile einen festen Forschungsplatz innerhalb der Quantencomputing-Initiative des Instituts für Quantentechnologien am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Ulm hat.
Ulmanns Berliner Start-up-Unternehmen Anabrid GmbH wird mit Unterstützung der Bundesagentur für Sprung-Innovation das hauseigene Analog-Technologie-Wissen für die Erforschung von Quantentechnologien sowie zur Erforschung hybrider Rechnerarchitekturen zur Verfügung stellen.
Hybrides Hochleistungsrechnen
Bei der Quantencomputing-Initiative setzt man große Hoffnungen auf hybride Systeme aus Quantencomputer-Konstrukten und modernen Analogrechnern, weil „Analogrechner perspektivisch voraussichtlich direkter mit Quantencomputern gekoppelt werden können als beispielsweise klassische speicherprogrammierte Digitalrechner“.
Grundsätzlich soll in dem DLR-Projekt aber auch die Symbiose zwischen dem Anabrid-Analogrechner und klassischen Hochleistungsrechnern erprobt werden. Sowohl für das Zusammenspiel mit Quantenrechnern als auch mit klassischen Hochleistungsrechnern sei Forschungsarbeit notwendig, die sich aber ergänze, meinen die Ulmer DLR-Forscher.
Grundsätzlich würden bei den angestrebten hybriden Rechnersystemen immer nur ausgewählte Probleme an einen Quantencomputer beziehungsweise einen Analogrechner ausgelagert. Die Weiterverarbeitung erledige ein konventioneller Computer. So würden Vorteile beider Technologien verknüpft.
Analogrechner auf einem Chip
Mit intensiver Unterstützung von SPRIN-D entwickelte die Anabrid GmbH ein erstes Produkt zum Kennenlernen der Analogtechnologie für Forschung und Lehre sowie interessierte Geeks: „The Analog Thing“, kurz THAT. Dabei handelt es sich um einen kostengünstigen Open-Source- und Open-Hardware-Analogcomputer.
Aber Ulmann und sein Team haben nicht nur „The Analog Thing“ im Blick, sondern sozusagen das ganz große analoge Ding: Sie wollen den Analogrechner auf einen Chip zu bringen, so wie wir heute Digitalrechner auf einem Chip haben, und neben der Minimalisierung die Möglichkeit schaffen, den Analogrechner über einen Digitalrechner zu programmieren. Damit würde dann das an sich hochspezialisierte Analogrechner-Konzept „universalisiert“.
Mit dem Analogrechner auf einem Chip von wenigen Quadratmillimetern ist laut Ulmann und seinem Team ein Innovationssprung möglich, der die Signalverarbeitung in Handys und medizinischen Implantaten, beispielsweise Hirnschrittmachern, revolutioniert.
Die Einbeziehung des Digitalen in die Analogwelt der Zukunft beruhigt denn doch. Fast hätte man ja befürchtet, dass das mit der vielbeschworenen Digitalisierung doch nicht so weit her.
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