Der Blaue Engel für Rechenzentren Umweltbundesamt: „Wir wollen die Besten der Besten auszeichnen“
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Beim Umweltzeichen der Bundesregierung, dem Blauen Engel, werden die Kriterien für klassische Rechenzentren und für Co-Location zusammengeführt und weitere Neuerungen ergänzt. So können erstmalig auch die Colo-Kunden ein Zertifikat für ihre dorthin ausgelagerte IT beantragen. Über die Neuausrichtung und die aktuellen Branchenbelange sprach Harald Lutz im Auftrag von DataCenter -Insider mit Marina Köhn vom Umweltbundesamt

Im Blickpunkt zu Jahresbeginn steht die Aktualisierung des Umweltzeichens der Bundesregierung, für die Rechenzentrumsbranche. Was waren die Gründe dafür, einige der zentralen Kriterien neu aufzulegen?
Marina Köhn: Zunächst einmal ist wichtig zu verstehen, und das betone ich immer wieder: Der Blaue Engel will keinen Standard für Rechenzentren abbilden, sondern die Besten der Besten auszeichnen. Unsere Kriterien sollen gar nicht alle Rechenzentren erreichen.
Wir gehen davon aus, etwa 20 Prozent des Marktes damit zu adressieren. Das ist der Hauptunterschied zu einem Gesetz wie beispielsweise dem neuen Energie-Effizienzgesetz, wo die Betreiber sich bemühen müssen, alle in Paragrafen gegossenen Kriterien möglichst auch einzuhalten und einer Norm wie beispielsweise die EN 50600.
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Alle Karten auf den Tisch!
Was ist neu am Blauen Engel für Rechenzentren?
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Inoffizieller EnEfG-Entwurf
Geleakter Gesetzentwurf zur Energie-Effizienz erhitzt die Gemüter
Zurück zu Ihrer Ausgangsfrage: Der Blaue Engel hat in der Tat eine Art vereinbartes Verfallsdatum. Wenn wir die Kriterien verabreden, verabreden wir gleichzeitig auch den Zeitrahmen, wie lange sie gelten sollen. Ein Jahr vor Ablauf – und das war jetzt genau der Zeitpunkt – überprüfen wir, ob die Kriterien noch zeitgemäß und ambitioniert genug sind. Der Prozess der Überprüfung und gegebenenfalls Überarbeitung der Anforderungen wird von einem Forschungsprojekt begleitet.
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Blauer Engel für Rechenzentren
Kriterien-Überarbeitung für Umweltzertifikat: Sondierungen laufen
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Blauer Engel für Rechenzentren, Teil 2
Knifflig: Kriterien für Verträge und IT-Monitoring
Die aktuellen Vergabekriterien galten bis zum 31.12 2023. Was genau wird sich mit der Zusammenlegung beider Zeichen für die Zertifizierung der Datacenter-Branche ändern?
Marina Köhn: Zunächst einmal haben wir beide bisherigen Umweltzeichen für Datacenter – das UZ 161 für klassische Firmenrechenzentren und das UZ 214 für Co-Location – jetzt zusammengelegt. Das hat gleich mehrere Gründe: Wenn wir die Prognosen der Marktforscher richtig deuten, sind die klassischen Firmenrechenzentren rückläufig, und umgekehrt nehmen die Co-Location- und Cloud-Rechenzentren einen immer stärkeren Marktanteil ein. Auf diese Entwicklung müssen auch wir mit dem Blauen Engel reagieren.
Unsere Marktanalyse hat auch ergeben, dass die den Umweltzeichen UZ-161 und UZ-214 zugrunde liegenden Geschäftsmodelle heute nicht mehr in jedem Fall eindeutig dem einen oder anderen Zeichen zuzuordnen sind. Es gibt zunehmend Datacenter am Markt, die einen Teil ihrer Fläche für Co-Location anbieten und den anderen Teil klassisch für ihre eigene IT betreiben. Auch das ist ein Grund, die beiden Zeichen zusammenzulegen. Damit können wir auch diese hybriden Rechenzentren mit in den Fokus nehmen.
Auch die Kunden einer Co-Location können ab sofort das Umweltzeichen beantragen.
Last, but not least können ab sofort auch die Kunden einer Co-Location den Blauen Engel für ihre dorthin ausgelagerte IT beantragen. Damit wollen wir auch den IT-Betreibern selbst die Möglichkeit geben, mit dem Umweltzeichen für ihr Unternehmen am Markt zu werben. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Co-Location selbst mit dem Blauen Engel ausgezeichnet ist und die IT-Betreiber auch unsere Kriterien, die wir für die IT setzen, ebenfalls erfüllen.
Bereits im Vorfeld hat das UBA diverse Workshops in enger Zusammenarbeit mit der Datacenter-Branche durchgeführt. Wie waren die Stimmung und die Resonanz auf Ihre Pläne dazu?
Marina Köhn: Es ist fest im Prozess des Blauen Engels verankert, dass wir alle, die sich mit dem Thema Rechenzentrum in irgendeiner Form beschäftigen, das heißt: Betreiber, Verbände, Berater ..., mit einbeziehen. Würden wir das nicht tun oder dagegen verstoßen, dürften wir die Kriterien des Blauen Engels gar nicht veröffentlichen. Der Kriterienkatalog würde von der Jury aus Vertreterinnen und Vertretern aller gesellschaftlicher Gruppen sonst gar nicht beschlossen.
Trotzdem werden immer wieder Vorbehalte geäußert. Vor allem deshalb haben wir im Vorfeld mehrere Workshops abgehalten [Anm. d. Red.: siehe oben]. Jede einzelne vorgesehene Änderung wurde dort mit Branchenvertretern ausführlich diskutiert, auf Websites wurde die Möglichkeit gegeben, die Pläne zu kommentieren usw.
Wir haben beispielsweise Referenzdesigns berechnet, die belegen, dass die neuen und bestehenden Anforderungen an die Mindesteffizienz, die wir an den PUE und den CER (Indikator für die Klimaleistung) stellen, auch tatsächlich erreicht werden können. Die verschiedenen Rechenzentrumsgrößen, ihre Auslastung, Kühlkonzepte und auch die Standortbedingungen wurden dabei berücksichtigt und die Ergebnisse der Szenarien in den Workshops diskutiert.
Schlussendlich kam heraus, dass die Mindeststandards sehr wohl erreichbar sind. Umgekehrt ist allerdings auch klar: Wer sein Datacenter nicht gut auslastet, erreicht sie halt auch nicht. Das ist aber durchaus in unserem Sinne: Wir wollen ja keine Data-Center-Unternehmen auszeichnen, die Energie und Rohstoffe willkürlich verschwenden.
Die Stimmung selbst war letztendlich sehr diskussionsfreudig und gut. Es hat durch-gehend Spaß gemacht, sich mit der Branche intensiv auseinanderzusetzen. Wir haben alle Anregungen und Hinweise aus der Branche sehr ernst genommen und uns bemüht, sie auch in die neuen Kriterien einfließen zu lassen.
Kein Unternehmen oder Verband kann also sagen, nicht die Möglichkeit gehabt zu haben, sich mit seinen Positionen in den Prozess der Neuausrichtung einzubringen ...
Marina Köhn: Dass wir die Branche sehr ernst nehmen, können Sie auch daran sehen, wie wir das Kriterium zur Abwärmenutzung formuliert haben: In der auf die Workshops folgenden offiziellen Anhörung gab es sehr widersprüchliche Positionen dazu. Den einen gingen unsere Forderungen nicht weit genug, andere wiederum sahen sich überhaupt nicht dazu in der Lage. Da uns in dieser Frage die Datenlage für die Bestandsrechenzentren noch zu dünn ist, haben wir in der aktuellen, im Dezember von der Jury bestätigten Fassung noch darauf verzichtet, eine Mindestabnahme der Abwärme auch für die Bestandsrechenzentren einzufordern.
Unter Ihren Referenzen, wer sich bislang überhaupt hat zertifizieren lassen, findet sich mit der Akquinet AG in Hamburg nur ein Co-Lokateur. Die anderen gelisteten Rechenzentren sind überwiegend Forschungsrechenzentren wie der Green IT Cube am Helmholzzentrum für Schwerionenforschung bei Darmstadt, das Hochleistungsrechenzentrum (HLRS) der Universität Stuttgart und das BSH-Rechenzentrum für Seeschifffahrt und Hydrografie in Hamburg.
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Interview mit dem Rechenzentrumsbetreiber zum UBA-Umweltzertifikat
Erstes Co-Location-Datacenter mit Blauem Engel: Warum will Akquinet das Prädikat?
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Auf sechs Etagen High Performance und Innovation
Das Testrechenzentrum im Green IT Cube beim GSI Helmholtzzentrum
Was hat die Zertifizierung diesen Institutionen konkret gebracht?
Marina Köhn: Der negative Eindruck täuscht. Auf unserer Website werden nämlich die Rechenzentren, die den Blauen Engel früher schon einmal hatten, sich aber nicht neu zertifiziert haben lassen, nicht mehr aufgeführt. Von daher werden immer nur die derzeit aktuellen Zeichennutzer gelistet.
Die Gründe dafür, warum sich insbesondere Nutzer des UZ 161 nicht neu zertifizieren lassen, sind relativ eindeutig: Oftmals sind das klassische Unternehmensrechenzentren wie z. B. das der Festo GmbH & Co. KG. Diese Firmen wollen einmal wissen, ob sie unsere Nachhaltigkeitsstandards einhalten, lassen sich zertifizieren und gut ist. Sie sind keine Marktteilnehmer auf dem Datacenter-Markt im klassischen Sinne und haben mit dem Zertifikat selbst keinen Mehrwert.
Das war dann auch ein Grund dafür, gezielt Dienstleister wie die Co-Location-Anbieter anzusprechen, die echte Marktakteure sind und mit dem Zertifikat Blauer Engel für ihr Angebot auch werben können.
Wie fällt Ihr Resümee aus?
Marina Köhn: Zunächst können wir festhalten, dass der Blaue Engel für Rechenzentren im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern nur sehr moderat nachgeschärft worden ist. Wir haben beispielsweise bei den Mindesteffizienzkriterien, die wir nach dem Alter der Rechenzentren staffeln, eine neue „Jahresscheibe“ für Datacenter der neuesten Generation hinzugefügt. Primär aber haben wir eher neue, zusätzliche Kriterien aufgenommen.
Wenn wir hoffentlich bald das Energie-Effizienzregister für Datacenter bekommen(siehe: PeerDC), werden wir unter anderem auch die Zertifikate öffentlich machen. Gerade für die Nachfrageseite ist es von höchstem Interesse zu wissen, welche möglichen Anbieter nach dem Umweltzeichen Blauer Engel ausgezeichnet worden sind – egal ob jemand lediglich einen Host für Webservices sucht oder ganze Flächen in einem Co-Location-Rechenzentrum anmieten möchte.
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