Gut geplant ist halb gewonnen Stolperfallen der Hybridisierung
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Die Hybrid-Cloud ist kein Patentrezept für den reibungslosen IT-Betrieb. Stolperfallen gibt es zuhauf, aber zum Glück sind sie ja gut kartografiert – ja, zum Glück; denn das Stolpern kann ganz schön teuer werden.

Gut geplant ist halb gewonnen – das gilt auch für die Hybrid-Cloud. Die Transformation der Bestands-IT zu einer Hybrid-Cloud muss aktuelle IT-Altlasten mit abdecken, das ist natürlich klar, aber sie muss auch bevorstehende Geschäftsanforderungen vorab berücksichtigen. Die Verantwortlichen haben die Qual der Wahl zwischen physischen und virtuellen Systemen, quelloffenen und proprietären Implementierungen, zwischen Private- und Public-Clouds mit ihren verschiedenen APIs, SDKs,Gebührenstrukturen und dergleichen anderen Kleinkram...
Zu guter Letzt gilt es aber auch noch die Frage nach der optimalen Platzierung zahlloser Arbeitslasten in den verschiedenen IT-Landschaften der Hybrid-Cloud zu beantworten. Für den reibungslosen Betrieb einer hybriden Cloud muss das betroffene Unternehmen nicht nur die Verwaltung von Workloads in allen Teilen der IT-Umgebung meistern, sondern auch die Portabilität von Arbeitslasten zwischen den verschiedenen IT-Landschaften in den Griff bekommen. Vorzugsweise auf Knopfdruck.
Platzierung von Workloads in der Hybrid-Cloud
Die Platzierung von Arbeitslasten in der Hybrid-Cloud hat weitreichende Konsequenzen für die resultierende Performance, die Kostenstruktur, die Daten- und Cyber-Sicherheit und die Betriebskontinuität. Intel hat vor einigen Jahren sagenhafte 125 Fokusgruppen einberufen, um die relevantesten Einflussgrößen für die optimale Platzierung von Arbeitslasten gemeinsam mit seinen Nutzern und Systemintegratoren zu erforschen.
Das Resultat war ein Entscheidungsframework, welches als Kriterien die Anforderungen an die Leistung, Sicherheit, Fähigkeiten zur Integration und das zu bewältigende Datenvolumen heranzieht. Das Modell klassifiziert typische Arbeitslasten hinsichtlich ihrer Eignung für die Ausführung in der Cloud, zum Beispiel Webserver, CRM-Systeme, E-Mail-Server und Web-Suche, versus in der Private-Cloud (Finanzen, Forschung und Hochsicherheits-Workflows).
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Hybride IT-Ökosysteme für einzelne Industrievertikale
Cloud-Stacks und Hybrid-Ökosysteme
Die Public-Cloud könne demnach ihre Stärken bei jenen Arbeitslasten ausspielen, die sich nicht zuverlässig vorhersehen ließen und in Echtzeit skalieren müssen. Die Private-Cloud trumpfe im Gegensatz dazu bei latenzensiblen Anwendungen, E/A-intensiven Berechnungen sowie Workloads mit hohen Bandbreiten-Ansprüchen und detaillierten Monitoring-Anforderungen.
Für die Telekommunikationsindustrie hat Intel ein branchenspezifisches Modell der Workload-Platzierung entwickelt, das sogenannte „Telecom Workloads Placement and Affinity Model“. Es reflektiere die Anforderungen der IKT-Branche an die hohe Portabilität der Arbeitslasten, argumentieren die Intel-Analysten Ahmed Ibrahim, Eslam Kandiel und Petar Torret in einem Kurzbericht zu dem Modell vom September 2020.
Edge versus Cloud versus Core
Ein wesentlicher Schritt bei der Planung und Implementierung einer Hybrid-Cloud stellt die Überlegung dar, welche Anwendungen und Dienste im Core konsolidiert und welche an der Edge oder in einer Cloud ausgeführt werden sollen. Unternehmen stehen vor dem existenziellen Problem, zentrale und verteilte Infrastrukturelemente gleichzeitig zu verwalten, und müssen eben diese gegensätzlichen Anforderungen bei der Implementierung ihrer hybriden Multi-Cloud im Detail untersuchen. Gespräche über hybride Workload-Architekturen konzentrieren sich stattdessen meist auf die Migration hin in die Cloud.
Das hängt damit zusammen, dass sich viele Anwendungsarchitekturen in Cloud-Umgebungen schneller weiterentwickeln lassen und Cloud-basierte Ressourcen schneller wachsen können als die konventionelle IT. Diese sich verändernde IT-Landschaft setzt die IT-Organisationen unter Anpassungsdruck. Die Entscheidungsträger kommen leicht in die Versuchung, aus unvollständigen Informationen voreilige Schlüsse zu ziehen. Die resultierenden Fehlentscheidungen lassen sich im Nachhinein nur schwer korrigieren.
Einige Anwendungen können die Aggregation und den Verbleib bestimmter Daten im Core-RZ erzwingen, ob aus datenschutzrechtlichen Gründen oder zur Senkung der Cloud-Egress- und Storage-Kosten, aber dennoch einen schnellen Zugriff auf Cloud-basierte Analysen benötigen. Die Aufbewahrung von einem Petabyte an Daten im Amazons EFS-Dateisystem auf AWS kann pro Monat über 400 Prozent mehr kosten als die Speicherung in einem All-Flash-Dateispeicher im unternehmenseigenen Rechenzentrum vor Ort, rechnet Jason Ader vor, Finanzanalyst bei William Blain, unter Berufung auf einen Bericht von Nutanix aus dem Jahre 2020 und einer Analyse von IDC. Selbst die Rückverlagerung der Daten von der Cloud ins Unternehmen kann Zehntausende von Euros kosten.
Der Artikel ist aus dem eBook „Wir wollen hybrid!“ ausgekoppelt
Der Analyst ging sogar noch konservativ vor. Seine AWS-Beispielrechnung beinhaltet weder die Kosten der Datenaufbewahrung in mehreren Regionen noch Snapshots des Dateisystems noch Ingress/Egress-Gebühren. Insbesondere Egress kann haarsträubende Zahlen hervorbringen.
Aus Aders' Sicht sei es wichtig, bei der Planung von Cloud-Migrationen und Multi-Cloud-Strategien die Egress-Kosten zu berücksichtigen. „Insbesondere die Kosten für das Verschieben von Daten zwischen verschiedenen Clouds oder zwischen der Cloud und lokalen Datenspeichern als Teil einer Multi-Cloud-Anwendung lassen sich leider oft nicht aus der Portokasse schultern.“
Unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, empfiehlt sich bei den besprochenen Anforderungen eine zentrale Storage-Lösung im Kernrechenzentrum, die gegebenenfalls auf Cloud-Dienste vereinzelt zugreifen kann. „Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass Produktionsdaten – also jene Daten, die ein Mindestmaß an Leistung erfordern – ab einer Größe von etwa einem Petabyte in einem On-Premises-Rechenzentrum wesentlich kostengünstiger zu hosten sind als in der Cloud.“
Andere Szenarien der Hybridisierung können wiederum viele verteilte IT-Infrastrukturen benötigen, die sich nicht zentralisieren lassen. Beispiele sind Remote-Büros, VDI-Zugriffe von Mitarbeitern, Rechenzentren für den Betrieb von IoT-Flotten autonomer Fahrzeuge oder Ähnliches. Für diese Situationen eignet sich ein Edge-Ansatz, der eine direkte Verbindung zu mehreren Cloud-Services herstellt, möglicherweise am besten.
Zu guter Letzt stellt sich die Frage nach den Praktikabilitäten der Implementierung Hybrid-Cloud-fähiger Arbeitslasten. Nur die wenigsten Unternehmen können die benötigten Lösungen im Alleingang entwickeln. Gegen eine Eigenentwicklung sprechen die hohen Kosten sowie Vorgaben regulatorischer Natur, darunter datenschutzrechtliche Einschränkungen. Hinzu kommen weitere Herausforderungen im Zusammenhang mit der Notwendigkeit, hochspezialisierte Expertise auf breit gefächerten Feldern langfristig und auf Weltspitzenniveau aufrechtzuerhalten – parallel zum eigentlichen Tagesgeschäft.
Das ist für viele Unternehmen schlicht und ergreifend nicht praktikabel. Alternativen umfassen das Anpassen von Open-Source-Lösungen von der Stange (OTS für off-the-shelf), proprietäre Ökosystemlösungen und Standardlösungen der eigenen Industrie wie jene von Lufthansa Technik.
Arbeitslasten hybridisieren: die Stolperfallen
Viele Anwendungen schlagen sich partout besser im Kern-Datacenter als in der Public-Cloud. Dazu zählen laut Intel erstens Workloads, die sich nicht automatisch skalieren lassen, und zweitens Lift-and-Shift-Bereitstellungen von Altlasten ohne Cloud-spezifische Optimierungen. Die Notwendigkeit manueller Eingriffe in die Konfiguration verträgt sich nicht mit der Dynamik einer Cloud-Bereitstellung.
Selbstheilende Fähigkeiten Cloud-nativer Anwendungen kommen in diesem Falle gar nicht zum Tragen. Lift-and-Shift-Bereitstellungen neigen wiederum zur Instabilität und verursachen unnötig hohe Cloud-Kosten. Knapp ein Drittel der Unternehmen nennen die hohe Komplexität der Cloud-Problematik als den größten Bremsklotz auf dem Weg der Implementierung, fand IDG in der Studie „Cloud-Migration 2021“ heraus. Ein Viertel bemängelt fehlende Unterstützung seitens des eigenen Managements (25,8 Prozent). Eine von fünf Organisationen (22,6 Prozent) müsse erst noch ihre Geschäftsprozesse anpassen.
Mit einem Flickenteppich aus zahllosen Public-Cloud-Diensten und Arbeitslasten auf IT-Infrastrukturen externer Anbieter wie auch auf unternehmenseigener Hardware, ob im Rechenzentrum vor Ort, in Co-Location oder an der Edge: Die Hybridisierung nimmt unweigerlich ihren Lauf und hinterlässt in den betroffenen Organisationen tiefe Spuren. Cloud-Migration führe zu einem „Kulturwandel in IT und Business“, schlussfolgert IDG.
Sechs von zehn Teilnehmern einer IDG-Umfrage (61 Prozent) bestätigen diese Sicht im Hinblick auf die Agilität ihrer IT-Organisation. Ein wesentlicher Teil dieser Transformation soll sich demnach auf die Implementierung eines „agilen Betriebs und Entwicklungsmodells“ wie beispielsweise DevOps zurückführen lassen. Knapp jeder Zweite (55 Prozent) glaubt, dass die Cloudifizierung einen kulturellen Wandel im ganzen Unternehmen bewirkt habe. Dies reflektiere sich unter anderem in einer über alle Bereiche und Hierarchie-Ebenen hinweg agilen Denkweise und/oder im Aufbrechen eines Silodenkens mit fest gefügten Abläufen und Zuständigkeiten,Stichwort: IT-Business-Alignment.
Auch technische Herausforderungen gibt es anscheinend zuhauf: Mehr als jedem Dritten (36,4 Prozent) steht pauschal die – vermeintlich nicht „cloudifizierte“ – „IT-Infrastruktur“ mit isolierten Altlasten im Wege; von veralteten Betriebssystemen lassen sich jedoch nur 13,2 Prozent aufhalten. Auch scheinen „zu hohe“ Datenmengen nur 15,8% der Befragten schlaflose Nächte zu bereiten.
Dafür liegt die Datenschutzproblematik vielen Entscheidern schwer im Magen. 30,9 Prozent der Befragten sorgen sich um die Datensicherheit im Sinne von Disaster Recovery, 28,9 Prozent um Datenschutz/Compliance und 23,5 Prozent um die Security im Sinne eines „neuen Einfallstors“. Der Datenschutz belegt damit den zweiten, dritten und vierten Platz und dominiert so das erste Viertel der Problemliste.
Kommando „Zurück“
Einige Unternehmen haben ihre On-Premise-Workloads schon auf Biegen und Brechen in die Public-Cloud migriert, nur um sie wieder zurückholen zu müssen. Um in den Genuss der vielen Vorteile containerisierter Microservices und anderer moderner Anwendungsarchitekturen möglichst verzögerungsfrei zu kommen, sollten Unternehmen das so genannte Refactoring bestehender Anwendungen ins Auge fassen (siehe dazu das DataCenter-Insider eBook „Legacy-Modernisierung“).
Die Cloud sei jedoch bei Weitem „nicht für alle Unternehmensanforderungen die richtige Lösung“, argumentieren die Analysten von Intel. Es sei vielmehr die Art des gewählten Cloud-Dienstes und die Verwaltung von entscheidender Bedeutung. Unternehmen seien gut beraten, für jede einzelne Anwendung in jedem betreffenden Nutzungsszenario die optimale Umgebung auszuloten (z. B. On-Premise, Co-Location, Private-Cloud oder Public-Cloud).
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