Bitkom #quantensummit 2022 Quantencomputing in der Automobilindustrie
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Das Potenzial von Quantencomputing ist in vielen Industriebereichen heute schon aktivierbar. Lösungen sollten deshalb zum einen möglichst generalisierbar sein für mehrere Anwendungsszenarien und immer auch den Bezug auf das klassische Hochleistungsrechnen (HPC) wahren. Die folgenden Beispiele aus dem Automotive-Bereich machen das deutlich.

Ganz gleich, ob es sich um Optimierungsaufgaben in Finanzwesen, Materialwissenschaften oder Industrie handelt, um Maschinelles Lernen oder um komplexe Simulationsrechnungen: Quantencomputing ist fast immer ein Teil der besten Lösungsstrategie, aber nie die alleinige Lösung. Hybride Ansätze dürften deshalb nicht nur heute, sondern auch in Zukunft das Mittel der Wahl im Hochleistungsrechnen sein.
Lösungen für Probleme in voller industrieller Komplexität
„Für uns ist die Hybridisierung keine Übergangslösung, sondern ein neues Paradigma“, sagt Professor Florian Neukart, Chief Product Officer des Quantencomputing-Innovators Terra Quantum und bis letztes Jahr Chef des Volkswagen Group Data Labs. Terra Quantum, das seinen Hauptsitz in der Schweiz hat, sieht sich als einer der ganz wenigen nicht-amerikanischen Full-Service-Anbieter in Sachen Quantencomputing und mit ausdrücklicher Ausrichtung auf europäische Standards, vor allem auch dann, wenn es um den Schutz der Kundendaten in der Cloud geht.
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Beschleunigung der internationalen Expansion von Terra Quantum
60 Millionen Dollar mehr für den Ausbau von Quantum-as-a-Service
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„Full-Stack-Quantum-Cloud“ mit offenen Standards
Hybrides Quantencomputing-Rechenzentrum in Wien eröffnet
„Unsere Erlösquellen sind zum einen unsere Software, sprich eine umfangreiche Bibliothek von hybriden Quanten-Algorithmen beziehungsweise quanteninspirierten Algorithmen, zum anderen unser Cloud-Computing-Angebot, das wir mit dem Gemeinschaftsunternehmen QMware zusammen mit dem HPC-Spezialisten Novarion am Markt anbieten. Über unsere hybride Quantencloud sind wir weltweit in der Lage, Lösungen für Probleme in voller industrieller Komplexität zu entwickeln. Diese Lösungen sind voll integrierbar in existierende Umgebungen und Geschäftsprozesse.“, erläutert Markus Pflitsch, CEO von Terra Quantum.
Quantenbasierte Optimierung und Simulation im Industriebereich
Jetzt hat man zusammen mit dem Data:Lab von Volkswagen Group zwei generische, breit nutzbare Anwendungen entwickelt und gleichzeitig an zwei Use Cases verprobt, die diese ehrgeizigen Vorgaben erfüllen sollen. Zwar werden sie als Forschungsbeiträge deklariert und mit einiger technisch-mathematischer Tiefe in dem „Business White Paper Hybrid Quantum Computing - How hybrid quantum computing creates business benefits today" (siehe: Download) beschrieben, doch der Praxisbezug, sprich die Wettbewerbsvorteile seien deutlich greifbar, sagt Produktchef Florian Neukart.
Der erste Use Case betrifft die Qualitätskontrolle in der Fließbandfertigung. Ziel ist die Bestimmung eines Arbeitsablaufs, der die Aufgaben optimal verteilt und den geringsten Zeitaufwand erfordert. Aufgrund der Abhängigkeiten zwischen den Tests und der Ressourcenkapazität, beispielsweise der Verfügbarkeit von Arbeitskräften, wird diese Optimierungsaufgabe schnell sehr komplex.
„Mit zunehmender Komplexität stellen die Variablen für klassische Computersysteme eine unlösbare Aufgabe dar. Durch die Hybridisierung anhand einer neuartigen mathematischen Formel und leistungsfähiger Zerlegungstechniken werden die Testpläne bei unserem Ansatz deutlich vereinfacht“, berichtet Neukart.
Verbesserte Bilderkennung
Bei dem zweiten Anwendungsfall soll die Genauigkeit in der Bilderkennung verbessert werden. In der Fertigung sind solche Systeme beispielsweise für die Fehlererkennung wichtig. Man arbeitet mit einem neuen hybriden quantenbasierten Machine Learning-Algorithmus und implementierte diesen in der QMware-Cloud. Das Team entwickelte dabei ein hybrides quantenbasiertes Modell für ein so genanntes residuales neuronales Netzwerk, das um Quantenelemente und einen neuartigen Ansatz für eine quanteninspirierte Tensor-Train-Hyperparameter-Optimierung erweitert wurde.
Diese Methode wurde mit klassischen Machine Learning-Ansätzen verglichen. „Der Ansatz von Terra Quantum und dem Volkswagen Data:Lab zeigte dabei Leistungsverbesserungen in Form von schnellerer Bearbeitung und höherer Leistungsfähigkeit bei zunehmender Komplexität. Damit kann der neu entwickelte Ansatz eine höhere Genauigkeit bei Bilderkennungsaufgaben mit weniger Iterationen bieten“, erklärt Florian Neukart.
Bei BMW verbessern Quantencomputer die Roboterverfahrwege
Auch die BMW Group ist in vielfältiger Weise in Sachen Quantencomputing unterwegs. Dr. Carsten Sapia, Vice President Strategy, Governance und IT Security bei BMW, meinte in seinem virtuellen Vortrag beim 'Bitkom #quantensummit 22', dass man bei BMW über 50 Use Cases identifiziert habe, die für Quantencomputing interessant sein müssten. Das Spektrum reiche von den diversen Fertigungsprozessen und den Logistik-Ketten über die Batterie- und Brennstoffzellen-Entwicklung bis zu der Simulation der Fahreigenschaften und zu Aufprall-Tests.
Als konkretes Beispiel dieser Aktivitäten skizzierte Sapia die Wege-Optimierung von Robotern, die den Unterboden der Fahrzeuge versiegeln. Das sei ein „hartes Optimierungsproblem“, weil die verschiedenen Roboter, die dabei im Einsatz sind, einerseits jede Ecke und jede Kante erreichen müssten, andererseits sich die einzelnen Roboter nicht wechselseitig in die Quere kommen dürften. Man habe einen hybriden Optimierungsansatz zum einen auf einem klassischen Hochleistungsrechner „gefahren“ und dann als Alternative auf einem „quanten-inspirierten“ Rechner. Mit letzterem habe man eine Verbesserung der Roboter-Fahrwege um etwa 10 Prozent erzielt.
Sapia plädiert sehr engagiert für hybride Ansätze, weil man auch dann, wenn ein nativer Quantenrechner noch nicht oder in nicht genügend fehlerfreier Form zur Verfügung stünde, die zu erwartenden Verbesserungseffekte besser beurteilen könne.
Native Quantenrechner für Modellierungsprozesse
BMW führt aber auch Versuche mit nativen Quantencomputern durch. So beispielsweise in Zusammenarbeit mit der französischen Firma Pasqal, die ihren Quantenrrechner auf Neutronen-Zuständen aufbaut. Durch den Einsatz von Pasqals Algorithmus zur Lösung von Differentialgleichungen will BMW ausloten, welche Fortschritte die diesbezügliche Quantencomputertechnologie bei der Modellierung von Metallformungsprozessen bringen kann.
Effiziente Simulationen auf einem Quantenrechner könnten nämlich kostenintensive physische Bau-, Test- und Verbesserungszyklen zur Entwicklung leichterer Teile und damit zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs entbehrlich machen. Derzeitige klassische Berechnungsmethoden sind bei der Simulation eines vollständigen Fahrzeugs mit der gewünschten Genauigkeit überfordert.
Den BMW-Auftrag hat Pasqal übrigens durch den Gewinn der BMW Group Quantum Computing Challenge Ende letzten Jahres bekommen.
Die Zusammenarbeit mit Start-ups wie Pasqal ist einer der Pfeiler des „Quantenrechner-Ökosystems“, das BMW nach den Worten von Carsten Sapia anstrebt. Die anderen Pfeiler bestehen in einschlägigen Lehrstuhl-Finanzierungen (derzeit an der TU München und an der RWTH Aachen) und in den Aktivitäten innerhalb des 'Quantum Technology and Application Consortium' (QUTAC), das BMW mitgegründet hat.
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Quantum Technology and Application Consortium (QUTAC) gegründet
Führende deutsche Konzerne verständigen sich auf großflächige Anwendung
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