Bitkom #quantensummit 2022 Zukunft des Quantencomputing in Deutschland und Europa
Quantencomputing zwischen „rechentechnischem Extremsport“ und „Normalweg“ ins Hochleistungsrechnen. Der „Bitkom #quantensummit 2022“hat eher auf die Breite des Potenzials gesetzt als auf den Hochleistungs-Glamour.
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Der zum zweiten Mal (erneut nur „online only“ durchgeführte) Bitkom #quantensummit am 11. und 12. Mai machte es überdeutlich: Quantencomputing wird zunehmend ein Teil der allgemeinen High-Performing-Computing-Szene. Das „Magische“, wenn man es einmal so nennen darf, tritt in den Diskussionen zurück, ebenso das olympisch anmutende Ringen um die besten und meisten Qubits.
Pragmatismus ist angesagt. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie man das große technische und ökonomische Potenzial der Quantentechnologie nutzbringend in industrielle und wirtschaftliche Prozesse einbinden und ganz allgemein für die Lebenspraxis der Menschen nutzbar machen kann.
„In diesen harten Zeiten ist Resilienz auf allen Ebenen gefragt und die Quantentechnologie kann hier helfen“, sagt etwa Franziska Brantner, parlamentarische Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, in ihrem Grußwort. Auch Begriffe wie „Technologische Souveränität“ und „Quantum Green“ zur Unterstützung des 1,5-Grad-Klima-Ziels spielten in den verschiedenen Vorträgen eine wichtige Rolle. In weiteren Artikeln werden wir diese Themen demnächst näher beleuchten.
Startups unterstützen, Wagniskapital aktivieren
Dreh-und Angelpunkt in einer Online-Gesprächsrunde aus Politik und Wirtschaft zum Thema „Die Zukunftsaussichten von Quantencomputing in Deutschland: Wie definieren wir Erfolg“? war die Herausforderung, den deutschen Spitzenrang in der quantenphysikalischen Forschung und in der Quantentechnologie in die industrielle Praxis umzusetzen, und hier ganz speziell im Bereich Quantenrechner.
„Wir sind gut in der Forschung, aber wir haben trotz großer Verbesserungen auf diesem Gebiet immer noch zu wenige Firmen, die wissenschaftliche Ergebnisse in die industrielle Praxis umsetzen“, sagt Professor Ina Schieferdecker, Leiterin der Abteilung für digitale Souveränität und Innovation im Bundesforschungsministerium.
Markus Pflitsch, Gründer und CEO beim Start-up Terra Quantum, stimmt zu und sprach ganz konkret die Schritte an, die hier Besserung bringen können: „Es sind die jungen Start-ups, die für die Disruption sorgen. Deshalb muss engagierter daran gearbeitet werden, wie diese Leistungsträger mit ausreichend Investitionskapital versorgt werden. Der bessere Zugriff auf Wagniskapital ist für die technologische Souveränität essenziell.“
Transfer in die Industrie als große Aufgabe
Sebastian Luber, Senior Director Technology & Innovation beim Halbleiterhersteller Infineon wirft ein, dass es mittlerweile eine große Zahl von einschlägigen und interessanten Start-ups gebe, trotzdem sei ein „Marathon“ angesagt. Ein entscheidendes Element, um diesen langen Lauf gut zu bestehen, sei dabei die Konzentration auf wichtige Anwendungsszenarien.
„Wir brauchen Anwendungen, die für die Industrie relevant sind, dabei müssen Dinge wie Skalierung und die Integration von klassischem Hochleistungsrechnern und Quantencomputing angegangen werden“, fügt Heike Riel, Leiterin Wissenschaft und Forschung im IBM-Forschungslabor im schweizerischen Rüschlikon, hinzu. „Der Transfer in die Industrie ist die größte Herausforderung“, pflichtete ihr Professor Wolfgang Mauerer, Professor an der Ostbayerischen Technischen Hochschule in Regensburg und Senior Research Scientist bei Siemens, bei.
Mauerer mahnt vor allem an, bei den Quantencomputing-Initiativen nicht die Systemintegration zu vergessen. Nur dann kämen die Quantencomputing-Vorzüge in hochcomputerisierten Geräten wie bildgebenden Medizingeräten oder digitalen Industriesteuerungen zur Geltung, einem Sektor, in dem die deutsche Industrie bekanntlich ihre größten Stärken hat.
Handhabbare Programmiertechnik notwendig
Neben der Anwendungsorientierung ist der programmiertechnische Zugang zum Quantencomputing ein zweiter Test für dessen künftige volkswirtschaftliche Relevanz. „Quantencomputing, das nur für Quantenphysiker zu verwenden ist, bringt nichts“, sagt IBM-Expertin Riel. Professor Mauerer von Siemens forderte ein höheres Abstraktionsniveau im Softwarebereich, sprich eine Schicht, die softwaretechnisch die quantenphysikalischen Operationen, die dem Quantencomputer zugrunde liegen, kaschiert. Pflitsch von Terra Quantum setzt auf „Quantum-as-a-Service“, um die Schwelle für Neueinsteiger möglichst niedrig zu halten.
So biete Terra Quantum beispielsweise ein Baukasten-System von Quanten-Schaltkreisen an. Wenn man deren jeweilige Funktionsbeschreibung verstehe, stellte dieses quasi eine höhere Programmiersprache dar, so dass der Nutzer nicht alle inneren physikalischen Vorgänge in den Schaltkreisen verstehen müsse.
Zugang findet der „normale“ Programmierer über ein C++-SDK oder ein Python-SDK. Die Quantencomputing-Basis entspricht damit in etwa dem, was „Cirq“ bei Google bietet.
Hybrider rechentechnischer Ansatz
Technologisch stellt sich der zu Anfang beschriebene Pragmatismus in Sachen Quantencomputing als hybrider rechentechnischer Ansatz dar, in dem eine Aufgabenteilung von klassischem Hochleistungsrechnen und Quantencomputing stattfindet. Geradezu idealtypisch manifestiert sich das in dem Angebot von Terra Quantum, aber auch in Angeboten wie dem der finnisch-deutschen Firma IQM: „Der Link von HPC und Quantencomputing bildet die Grundlage dafür, dass man letzteres in der kommerziellen Szene etablieren kann“, sagt an anderer Stelle der Bitkom-Veranstaltung Jan Goetz, gelernter Quantenphysiker und heute CEO von IQM.
Was das im technischen Detail bedeutet, kann man an Terra Quantum exemplifizieren. Man arbeitet dort mit so genannten virtualisierten Qubits, das heißt Qubits, die über klassische High-Performance-Computer simuliert werden.
In ein solches System können aber auch physische Quanten-Chips integriert werden. Insgesamt hat man hybride Architektur aus klassischen Prozessoren - CPUs, GPUs, KI-Spezialprozessoren - und virtualisierten Quantenprozessoren, mit der klassische Algorithmen und Quanten-Algorithmen gleichzeitig verarbeitet werden können.
Integrationsprozess im Hochleistungsrechnen
Noch einmal zurück zum Thema der Gesprächsrunde am ersten Tag des Bitkom #qantensummit 2022: „Die Zukunftsaussichten von Quantencomputing in Deutschland: Wie definieren wir Erfolg“?
Letztlich wurde die Frage in der Gesprächsrunde nicht explizit beantwortet, man tastete sich aber an eine Antwort heran. Und diese Antwort kann man wohl so zusammenfassen: Zumindest derzeit ist Quantencomputing nicht das „nächste große Ding“, das schlagartig die technologisch-ökonomische Bühne beherrscht, sondern ein Prozess, der Schritt für Schritt Quantencomputing-Elemente in den großen und weiter stark wachsenden Bereich des Hochleistungsrechnens integriert. Quantencomputing ist – wenn man so will - „schleichend disruptiv“.
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