Sachsens Politik und IT im Austausch Open Source und regionale IT-Infrastruktur bedeutet Souveränität und Triebfeder
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Wer auf schlagkräftige und einfallsreiche IT-Firmen setzt, muss nicht über den Großen Teich blicken. Im eigenen regionalen Umfeld gibt es zahlreiche Akteure, die Unternehmergeist leben und demonstrieren – unabhängig und sicher, mit hiesiger Technik und Infrastruktur. Und wie geht es GaiaX? Ein Einblick in die Diskussion:

Alasca – Verband für offene, betriebsfähige Cloud-Infrastrukturen e.V. hatte zu einem Round Table in den Sächsischen Landtag in Dresden geladen, um unter dem Motto „Open Source und regionale IT-Infrastruktur als Triebfeder für digitale Souveränität“ zu diiskutieren. Es ist in dem Meinungsaustausch um aktuelle Herausforderungen sowie konkrete Schritte seitens Politik und Wirtschaft zur Umsetzung von Maßnahmen gegangen.
Auch europäische Projekte wie Gaia-X gelten dabei als ein wichtiger Baustein, um die digitale Souveränität voranzutreiben. Viel wurde hier bereits angestoßen, dennoch gibt es berechtigte Kritik am langsamen Fortschreiten.
Paul Hertwig: Das Geschäftsmodell von Deutschland und seinen Hidden Champions beruht auf der Produktion und dem Export von physischen Dingen mit hoher Qualität beziehungsweise hohem Innovationsgrad. Die Zukunft der Wertschöpfung liegt aber zunehmend in digitalen Geschäftsmodellen. Dafür braucht es souveräne Plattformen auf der Infrastruktur- und Software-Ebene, die verhindern, dass einzelne Monopole die gesamte Wertschöpfung auf ihre Seite ziehen.
Schließlich gehört die digitale Infrastruktur ebenso zur kritischen Infrastruktur wie die physische Infrastruktur. Im aktuellen Wettbewerb der Systeme Europa, China und USA müssen wir uns als Europäer zu einem gewissen Grad unabhängig machen, um im Notfall auch auf eigenen 'digitalen Beinen' stehen zu können.
In den vergangenen Jahren hat ein Ausverkauf der deutschen Software-Industrie stattgefunden.
In den vergangenen Jahren hat ein Ausverkauf der deutschen Software-Industrie stattgefunden. Käufer sind oftmals US-Private Equity Fonds. Wir müssen in Europa auch Software-Champions in einzelnen Domänen aufbauen, um unsere digitale Zukunft selbst zu gestalten. Im B2C-Geschäft haben wir in Europa den Zug verpasst und sehen jetzt eine Dominanz von Plattformen aus USA und China. Im B2B-Geschäft ist der Wettbewerb noch nicht entschieden.
Stephan Ilaender: Unser Hauptaugenmerk bei Stackit lag auf der Entwicklung einer sicheren, deutschen Cloud-Alternative für die Unternehmen der Schwarz Gruppe und für Unternehmen und Verwaltung, die sich nicht von Hyperscalern abhängig machen wollen. Wir bieten Unternehmen die Möglichkeit, beispielsweise ihre Infrastrukturdaten in der Cloud tatsächlich sicher zu speichern und zu verarbeiten. Wir liefern dafür das Grundrezept auf Open Source-Basis, also gewissermaßen eine Einladung an weitere Unternehmen, zu partizipieren, Bestehendes anzupassen und weiterzuentwickeln.
Marius Feldmann: Ja, wir dürfen nicht immer den Amerikanern und Chinesen hinterherlaufen. Wir brauchen wieder eine klare Differenzierung und große Innovationen hierzulande mit entsprechender technologischer Basis, die gemeinsam geschaffen wird. So entsteht echte Resilienz.
Ganz wichtig: Für digitale Souveränität braucht es nicht nur europaweite Großinitiativen wie GaiaX, sondern insbesondere auch regionale Netzwerke von Akteuren, die die konkreten Probleme und Herausforderungen der Anwenderinnen und Anwender vor Ort lösen. Und ich glaube, dieser Ansatz ist etwas, was neben so einem Innovations-Boost auch einen signifikanten volkswirtschaftlichen Boost geben wird.
Genau die, die sich beklagen, sind auch diejenigen, die an dieser Situation einen wesentlichen Anteil haben.
Häufig höre ich aus politischen Kreisen Klagen, dass es kaum nennenswerte international wettbewerbsfähige deutsche IT-Unternehmen gibt. Eigentlich ist das ja absurd: Genau die, die sich beklagen, sind auch diejenigen, die an dieser Situation einen wesentlichen Anteil haben. Sie könnten die bestehende, hohe Nachfrage der öffentlichen Hand nach IT-Lösungen stärker zu echt wertschöpfenden Unternehmen aus Deutschland steuern. Dies gilt insbesondere für betriebsfähige Open Source-Projekte für Cloud-Infrastrukturen. Dann wird es auch sehr bald mehr international wettbewerbsfähige IT-Unternehmen geben!
Stephan Ilaender: Ich glaube, für die Unternehmen ist es wichtig zu lernen, sich auf ihren eigentlichen Workload zu konzentrieren. Ein Schuhhändler beispielsweise will Schuhe verkaufen und nicht zu viel Aufwand in die IT-Infrastruktur stecken müssen.
Miriam Seyffarth: „Ich bin überzeugt, der beste Zeitpunkt, um in Open Source zu investieren, war gestern, der zweitbeste ist heute. Die Dringlichkeit ist da; denn mit der Abhängigkeit von außereuropäischen Digitalunternehmen begibt man sich mehr und mehr in eine Einbahnstraße, aus der es sehr schwer ist, wieder 'rauszukommen.
Bei Open Source hingegen steht man immer an einer Kreuzung, an der man in alle Richtungen abbiegen kann. Das gibt eine gewisse Flexibilität. Ein Beispiel aus der Geschichte: Die Industrialisierung hat die Gesellschaften maßgeblich nach vorne gebracht, das hat auch mit dem Schaffen von einheitlichen Standards zu tun, die für alle offen zugänglich und nutzbar waren – als Basis für die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen. Schienennetze mit einheitlichen Schienenbreiten, ohne dass jedes Eisenbahnunternehmen sein eigenes Süppchen kocht.
Wir sind jetzt in der vierten industriellen Revolution, ein Zeitalter der Datenökonomie. Und offene Standards und Open Source Software können hier Offenheit und freien Marktzutritt garantieren. Wer auf mehrere lokale Open Source-Anbieter setzt, ist gerade in Zeiten von wirtschaftlichen und geopolitischen Umbrüchen gut aufgestellt: Fällt in einem Open-Source-Ökosystem ein Anbieter aus, kann seine Lösung leicht ersetzt werden. Wer von einem einzelnen proprietären Hersteller abhängig ist, bei dem fallen im Notfall alle Systeme auf einen Schlag aus ohne die Möglichkeit, kurzfristig auf eine Alternative umzuschwenken.
Paul Hertwig: Elektronische (IoT-)Geräte, die über das Internet kommunizieren, greifen oftmals auf Cloud-Services bereitgestellt von großen Anbietern zurück, in deren Hände ich mich als Unternehmen begebe, gewissermaßen ausliefere. Wenn diese jedoch kurzfristig ihren Service oder das Produkt einstellen, wird man im Regen stehen gelassen. Das ist nicht wie beim Kauf einer Glühbirne aus dem Baumarkt für einen Euro, die man ohne Weiteres wegwerfen und ersetzen kann.
Miriam Seyffarth: Offene Standards und Open Source Software bieten eine Flexibilität, die gerade in Krisenzeiten Resilienz garantiert. Der Staat muss die Wirtschaft dabei unterstützen, diese Resilienz aufzubauen. Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen stellt sich bei Open Source natürlich die Kostenfrage. Doch ein Blick nur auf das anfängliche Preisschild zu werfen, ist zu kurz gedacht, ein Fehlschluss. Stattdessen sollte man sich fragen: ‚Was ist wirtschaftlicher?‘ Man muss bei diesen Entscheidungen den fortwährenden Zeitstrahl sehen, statt nur auf den Moment zu schauen, in dem man das Geld erstmalig ausgibt.
Man muss bei diesen Entscheidungen den fortwährenden Zeitstrahl sehen, statt nur auf den Moment zu schauen, in dem man das Geld erstmalig ausgibt.
Im Vordergrund sollte stehen, wie viel die Investition langfristig, auf mehrere Jahre gerechnet, wert ist. Eine 2021 von der EU-Kommission veröffentlichte Studie belegt, dass der Einsatz von Open Source Software sich positiv auf die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit europäischer Unternehmen, das Wirtschaftswachstum, auf die Start-up- und KMU-Szene sowie die technologische Unabhängigkeit auswirkt.
Open Source Software leistet einen erheblichen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt der EU und weist dabei ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von mindestens 1:4 aus. Aus diesem Grund muss auch in Sachsen entschieden in das vorhandene Open-Source-Ökosystem investiert werden.
Marius Feldmann: „Natürlich haben wir noch viel Aufklärungsarbeit für Open-Source-basierte Lösungen vor uns. Vor allem müssen wir flächendeckend das Wissen um existierende Lösungen herstellen, die bereits jetzt einsatzfähig sind und die Anforderungen der Anwenderinnen und Anwender erfüllen.
Stephan Ilaender: Ziel ist bei Open Source-Projekten, dass alle Anwender im Endeffekt sagen: Das ist die Zukunft.
Dazu gehört auch Aufklärungsarbeit. Wieso vertrauen Unternehmen On-Premises-Rechenzentren, aber nicht Open Source? Wenn man diese Widersprüchlichkeit auflösen und Unternehmen die Augen öffnen kann, schafft man einen großen Enabler für die Wirtschaft und Verwaltungen.
Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Als Teil der Unternehmen der Schwarz Gruppe haben wir in der Vergangenheit selbst Herausforderungen bei der Digitalisierung gemeistert und können daher optimal aus der Perspektive des zu digitalisierenden Unternehmens denken.
Frauke Greven: Unternehmen kommen in der Regel über ein Problem zur Lösung und suchen nicht in einer Datenbank nach einem Code, auf dessen Basis sie ein Geschäftsmodell entwickeln könnten. Das Pferd wird also nicht von hinten aufgezäumt. Wichtig dabei ist, dass Unternehmen auf ein breites offenes Netzwerk zurückgreifen können und darauf basierend bestmögliche Entscheidungen für ihre Problemlösung treffen.
Vor allem kleinere Unternehmen fragen sich ja, was sie von Open Source haben. Hier ist es unsere Aufgabe, ihnen Erfolgsgeschichten und Praxisbeispiele zu zeigen. Um diese Beispiele nicht nur am Leben zu halten, sondern konsequent auszubauen, braucht es eine starke, regionale IT-Infrastruktur, die auf Open Source setzt. Unsere Aufgabe als politische Entscheidungsträger:innen ist es, hier zu sensibilisieren, Vorteile aufzuzeigen und Rahmenbedingungen für einen gewinnbringenden Austausch zwischen den Beteiligten zu schaffen.
Open Source ist eine große Chance, beim nächsten Technologiesprung KI eine Demokratisierung von Innovationspotenzialen in der Wirtschaft zu ermöglichen.
Indem die Datengrundlagen und die KI-Algorithmen transparent sowie zugänglich sind, werden sie für eigene Weiterentwicklungen für die Unternehmen nutzbar und gestaltbar. Die Region Sachsen kann bereits zahlreiche Unternehmen und Initiativen vorweisen, die in diesem Bereich tätig sind, und es ist unsere Aufgabe, sie sichtbar zu machen und zu vernetzen.
Open Source ermöglicht es uns, die Qualität von KI-Systemen ständig zu verbessern und anzupassen, was für uns einen großen Qualitätsgewinn bedeutet. Um dies zu erreichen, müssen wir nicht nur das Verständnis und die Bereitschaft zur Nutzung von Open Source fördern, sondern auch das Vertrauen in diese Technologie stärken.
Daniel Gerber: „Die Mehrwerte von Open Source müssen natürlich auch bei den Kommunen, Unternehmen und Menschen ankommen – und sichtbar werden. Beim Thema Open Source-Software muss die Verwaltung mit gutem Beispiel vorangehen. Dabei gilt für mich das Motto: ‘Public Money, Public Code’. Da wo öffentliches Geld ausgegeben wird, soll auch frei verfügbare Software eingesetzt und entwickelt werden.
Das reduziert Abhängigkeiten und verhindert, dass Software für die gleiche Aufgabe mehrfach implementiert wird. Das spart wertvolle Ressourcen, die ohnehin knapp sind in Bezug auf die Digitalisierung.
Wir haben in Sachsen beispielsweise ein Transparenzgesetz verabschiedet, dessen Kern die so genannte Transparenzplattform ist, in der alle Anfragen der Bürgerinnen und Bürger gesammelt werden. Diese Plattform wird als freie und öffentlich verfügbare Software entwickelt, von der auch andere Bundesländer als Blaupause profitieren können.
‘Public Money, Public Code’. Da wo öffentliches Geld ausgegeben wird, soll auch frei verfügbare Software eingesetzt und entwickelt werden.
Open Source ist für mich auch die Möglichkeit das Softwareland Sachsen weiter voranzubringen – Stichwort Regionalität. Wir haben in Sachsen bereits viele Firmen und Stakeholder, die im Open Source-Umfeld aktiv sind, wie die sächsischen Unternehmen in der Open Source Business Alliance und das Netzwerk „GAIAsaX“ zeigen. Mit diesen Initiativen können und sollten wir langfristig strategisch planen und diese mit konkreten Umsetzungspfaden weiter ausbauen. Ein perspektivisches Ziel: eine souveräne Cloud-Infrastruktur im eigenen Landesrechenzentrum und der souveräne Arbeitsplatz in der Landesverwaltung.
Mit der Open Source-Strategie der Sächsischen Staatsverwaltung gestalten wir im Freistaat bereits den Pfad zu mehr digitaler Souveränität. Teil einer umfassenden Digitalstrategie sollte auch sein, Open Source mit Vorrang in Gesetzestexten zu verankern, um so feste politische Rahmenbedingungen zu schaffen und den Weg für mehr Kooperationen freizumachen. Innovation findet so unternehmens- und länderübergreifend statt – und nicht hinter verschlossenen Türen.
Auf Bundes- und Länderebene braucht es hier weitere Anpassungen, zum Beispiel entsprechende Klauseln in den Vergabe- und E-Government-Gesetzen, um den Open Source-Einsatz voranzubringen. Die Verwaltung als größter Beschaffer von Software kann hier ein deutliches Signal hin zu mehr Open Source-Software setzen.
Frauke Greven: Die Digitalstrategie Sachsens ist mehr als nur eine staatliche Initiative, sie ist ein Versprechen an alle Bürgerinnen und Bürger des Freistaats. Ihre Umsetzung ist ein Prozess, der darauf abzielt, Sachsen in eine digital souveräne Region zu verwandeln, indem er Resilienz und digitale Teilhabe fördert. Doch das allein reicht nicht aus.
Wir müssen die Unternehmen für Open-Source-Software öffnen und ihnen deutlich machen, dass diese nicht ihr Geschäft bedroht, sondern vielmehr eine Chance für Innovation und Weiterentwicklung bietet. Die Digitalstrategie kommt nicht vom Freistaat Sachsen, sondern ist für den Freistaat Sachsen - eine Strategie, die auf den Bedürfnissen und dem Feedback der Bevölkerung und der lokalen Unternehmen basiert.
Dabei umfasst sie diverse Handlungsfelder, Aufgaben, Maßnahmen – und drei Prinzipien, die viel mit digitaler Souveränität zu tun haben: Nachhaltigkeit, Teilhabe und Resilienz. Wenn wir es schaffen, alles, was wir bis 2030 umsetzen, mit diesen Prinzipien auszustatten, uns daran auszurichten und digitale Souveränität als ein wichtiges Hauptkriterium anzulegen – dann bin ich überzeugt davon, dass wir mit dem, was wir ohnehin bereits machen, sehr weit kommen.
Miriam Seyffarth: Open Source muss natürlich noch sichtbarer werden. Aber ich habe das Gefühl, das Bewusstsein für die Mehrwerte, für die Bedeutung von digitaler Souveränität und die Möglichkeiten, die Open Source-Software bietet, ist historisch hoch. Aber es ist immer noch ein sehr langer Weg vor uns und das Glas ist immer noch nur halb voll.
Marius Feldmann: Beim Thema Open Source muss man Konstanz beweisen und am Ball bleiben. Durchhaltevermögen ist das Stichwort. Mit Akteuren, die in ihrer jeweiligen digitalen Sphäre voranschreiten und ihre Einzelkompetenzen zusammen in die Waagschale werfen. Nur so können wir in fünf bis zehn Jahren eine Open Source-basierte digitale Landschaft um uns herum sehen – auf allen Ebenen und mit offenen Standards, sei es in öffentlicher Hand oder in der Wirtschaft. Der Weg dahin ist kein Sprint, sondern ein Marathon – mit Hindernissen, die man überwinden muss.
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