Frischer Wind im IT Service Management ITSM ist so sexy wie nie
Vermeintlich gibt es seit längerem keine Innovationen im IT Service Management (ITSM). Was für andere Endbenutzerservices unter dem Akronym SMAC (Social, Mobile, Analytics, Cloud) zusammengefasst ist, war für die Interaktion zwischen Mensch und IT lange ein Fremdwort. Dies ändert sich gerade massiv.
Anbieter zum Thema

Hersteller entdecken die Bedeutung neuer Technologien und attraktiver Schnittstellen für Service Management Prozesse neu. Dies hilft Endnutzern, aber auch der IT selbst, mit innovativen Konzepten die Prozessqualität zu verbessern.
Aus der Cloud
Weil derzeit kaum eine Diskussion ohne das Thema Cloud geführt wird, stellt sich die Frage, welche Rolle das Sourcing-Modell für die Innovation spielt? Es fällt schwer Gründe dafür zu finden, warum ein Prozess-Management aus der Cloud deutlich größere Potenziale für Innovation besitzen sollte, als eines, das im eigenen Keller läuft.
Klar ist, wenn das Cloud-Modell tatsächlich finanzielle Ressourcen freisetzt und diese nicht einfach absorbiert, entstehen Spielräume für die passgenaue Erfüllung von Anforderungen. Diese lassen sich prinzipiell für die digitale Transformation von Unternehmen einsetzen. Langfristig gelingt dies allerdings nur, wenn gleichzeitig ein klares Konzept hinsichtlich der Einhaltung von Standards auferlegt wird, das die Freiheit bei der Prozessgestaltung in enge Bahnen lenkt.
Ansonsten führen die zahlreichen Möglichkeiten moderner Plattformen ins gleiche Customization-Verderben, wie es bei den Vorgängern aus dem eigenen Rechenzentrum der Fall war. Hier wurden Standardprozesse in bester Absicht „angepasst“, mit geringer Rücksicht auf den Betrieb und spätere Upgrades wurden weitgehend verändert. In vielen Fällen überlegt man heute, ob es nicht sinnvoller wäre, komplett auf eine neue Lösung umzusteigen, nur um die Anpassungen wieder los zu werden.
Dieses Schicksal droht aber unabhängig vom Sourcing Modell, insbesondere, wenn der Anbieter mit eigener Instanz und hoher Individualisierbarkeit aufwartet. Fremd-, also vom Hersteller verantwortete Release-Zyklen, bleiben so lange ein Traum, wie der individuellen Gestaltung der Prozesssteuerung und der mitzuführenden und -pflegenden Daten kein Einhalt geboten wird. Die Cloud wird so bestenfalls zum Unterstützer, nicht jedoch zum entscheidenden Motor auf dem Weg zu einem besseren IT Service Management.
Das Potenzial der Nutzer: Entlastung des Service Desk
Facebook, Twitter und Linkedin spielen eine wichtige Rolle in unserem Privatleben. Aktuelle Informationen können kaum schneller als über diese Netzwerke transportiert werden. Gleichzeitig sind viele bereit, andere mit ihrem Wissen zu unterstützen. Was liegt da näher, als sich genau diese Umstände auch beim IT Service Management zu Nutze zu machen?
So können Service-Zustände wie Ausfall, Wartung und Wiederherstellung durch Serviceverantwortliche oder gar automatisch ablaufende Prozesse in die entsprechend relevante Community gepostet werden. Richtig eingesetzt, erspart dies eine Menge unnötiger Calls beim Service Desk. Dieser kann sich derweil anderen, noch unbekannten Störungen widmen.
Support Foren, Blogs und Chats, in denen sich Nutzer austauschen, zeigen, dass moderierte Selbsthilfe ebenfalls eine Methode sein kann, um mit moderatem Personalaufwand Anfragen zu lösen. Wohlgemerkt, wir reden hier nicht über wirkliche Service-Ausfälle, für die nach wie vor ein qualifiziertes Ticket sinnvoll ist. Auch sollte sinnvollerweise eine Analyse der diskutierten Themen erfolgen, um Trends und tatsächliche, schwerwiegende Störungen erkennen zu können.
Neue Kommunikations- und Reaktionsansätze
Für diese Ideen lassen sich prinzipiell unterschiedliche technologische Ansätze differenzieren. So kann in einem privaten Forum einer öffentlichen Plattform (Facebook, Twitter, Salesforce) ein eigener Rahmen für den Austausch von unternehmensspezifischen Informationen geschaffen werden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Unternehmen muss sich nicht um den Betrieb kümmern; Nutzer können mittels bereits vertrauter Client-Interfaces (Apps) an Chats und Blogs teilnehmen oder nach Informationen suchen. Diese Variante wird allerdings nur dann funktionieren, wenn eine Affinität aller Beteiligten existiert, eine der Plattformen für den Austausch von Geschäftsinformationen zu verwenden.
Einen weiteren Ansatz verfolgen Business-Plattformen, die soziale Kollaboration direkt oder als Option anbieten. Die Kommunikationsströme werden dabei selbst verwaltet, eine Suche nach vergangenen Inhalten ist direkt möglich, ebenso wie eine Offline-Nutzung.
Zusammenfassend sollte eine moderne Plattform die Möglichkeit besitzen, mit anderen Service-Nutzern zu kommunizieren, um Information über Service-Zustände, Lösungen, Tricks und Vorschläge auszutauschen. Die Service Organisation sollte allerdings derartige Kommunikation nicht unbeobachtet lassen, um einerseits Trends abzuleiten und gleichzeitig das ausgetauschte Wissen in Form einer Knowledge-Base zusammenzufassen und nutzbar zu machen.
Damit dies funktioniert, ist ein Redaktionsprozess nötig, der Lösungen prüft beziehungsweise prüfen lässt und sie bei Bedarf sachlich wie sprachlich anpasst. Daraufhin werden sie der Allgemeinheit oder einzelnen Communities zur Verfügung gestellt. Unabhängige Geräte-Clients unterstützen die vollständige Nutzung sämtlicher vom Gerät ausgehender Möglichkeiten.
Überall und jederzeit: Service über die IT hinaus
Mobilität ist kein Thema, für das im Vorbeigehen eine Lösung entsteht. Es reicht nicht aus, einfach eine HTML-Maske auf einem mobilen Endgerät anzubieten, die sonst auf einem PC ausgefüllt würde. Lösungen, die die spezifischen Möglichkeiten mobiler Geräte wie Scans und GPS nutzen, ermöglichen es einer Service Organisation Aufwände zu minimieren, die sonst nötig werden, um der Situation der Nutzer gerecht zu werden.
Zudem können derartige Lösungen mit einem eigenen Client aufwarten, der die spezifischen Möglichkeiten der jeweiligen mobilen Plattformen direkt nutzbar macht. Über mobile Location-Based-Services wird es dann beispielsweise möglich zu erkennen, in welchem Raum sich ein Nutzer befindet. Passend dazu kann er über den Zustand etwa eines Besprechungsraumes Informationen zurückspielen, falls ein Beamer nicht funktioniert, kein Mineralwasser vorhanden ist oder die Temperatur nicht passt.
Ortspezifische Services wie WLAN, das Wiederauffüllen der Catering-Bestände und vieles mehr, lassen sich auf diesem Weg ebenfalls umsetzen. An dieser Stelle verwischen die Grenzen zwischen Service Desk mit IT Fokus und einer generellen Service-Plattform für in- und externe Mitarbeiter. Services werden so auf den Nutzer, die konkrete Situation und Lokation zugeschnitten.
Service Desk mit IT Fokus
Eingaben können weiterhin auf ein Minimum reduziert werden, wenn zusätzlich Gebrauch von den Scan-Möglichkeiten moderner mobiler Geräte gemacht wird. Der Drucker, der genutzt werden soll, benötigt lediglich ein QR-Tag, damit ihn der Info-Service eindeutig identifizieren kann.
Aus Nutzersicht wird die so Servicequalität gesteigert, denn die IT „versteht“ die Bedürfnisse nun deutlich besser. Störungen oder Requests können automatisiert entgegengenommen werden. Hinreichende Qualifikation vorausgesetzt, ist die Bearbeitung selbst mit minimalem Personalaufwand realisierbar. Am Ende muss nur jemand die Mineralwasserflaschen in den Kühlschrank räumen. Noch.
Und die IT selbst?
War bis hierher die Rede von einer grundlegenden Veränderung der Interaktionsebene mit den Servicenutzern, stellt sich die Frage, ob nicht auch hinsichtlich der Prozesse wie Incident, Problem und Change Management sowie Request Fulfillment neue Möglichkeiten entstehen? Diese scheinen reduziert auf das Erfassen immer größer werdender Datenmengen und dem redundanten Ausfüllen von Masken, um für alle denkbaren Prozessverzweigungen Steuerdaten verfügbar zu machen. Die fehlende Kenntnis der hinterlegten Plausibilitätsregel führt bei den Bearbeitern häufig zum Frust, oftmals aber auch zu falsch erfassten Daten – teilweise sogar bewusst –, um einfach im Prozess weiter voranschreiten zu können.
Die manuelle Erfassung aller Details wird so ad absurdum geführt, mit all den negativen Konsequenzen. Alleine die Kategorisierung einer Störung aus einem mit viel Aufwand erstellten (aber dann oft nicht weitergepflegten) Katalog stellt oft eine Herausforderung dar, insbesondere, wenn die Kombinationen zur vorgefundenen Situation nicht wirklich passen wollen.
Stellen wir uns diese Situation vor: Ein System würde im Vorfeld wissen, was den Nutzer bewegt – basierend auf seiner organisatorischen Zugehörigkeit, seiner Lokation, den ihm zugeordneten Betriebsmitteln, der konsumierten Services und nicht zuletzt aufgrund dessen, wie er in der Vergangenheit mit der IT kommuniziert hat. Zudem könnte es aktuelle Informationen über die Verfügbarkeit von Services und Technologiekomponenten bereitstellen.
So läuft´s
Der Prozess würde quasi auf dem leeren Papier beginnen, mit einem leeren Freitextfeld. Ein Automatismus könnte vorhandenes, anwendbares Wissen über die Eingabe des Namens des Nutzers und weiterer qualifizierender Begriffe vermitteln. Mit Hinzunahme jedes weiteren Begriffes würde die Treffer und damit die angezeigten Listen fokussierter, bis nur mehr solche Störungen, Anfragen und Wissenselemente übrigblieben. Daraus könnte der Service Desk Mitarbeiter schließlich die passenden Elemente auswählen.
Bei Start des Ablaufs wäre noch nicht deutlich, wie dem Anfragenden geholfen werden kann. Es müsste also nicht, wie es heute häufig noch der Fall ist, im Vorfeld entschieden werden, ob eine Störung identifiziert oder ein Service Request erfasst werden muss, oder ob dem Nutzer bereits mit einer vorgefassten Rückmeldung geantwortet werden kann.
Dieser Ansatz wäre grundlegend anders, da der Service Desk nun über alle Informationen über Störung und Kontext verfügen würde und zielgerichtet auf die Situation des Nutzers eingehen könnte. Vorbei wären die Zeiten des simplen Ausfüllens von Masken und des Abhakens von Fragelisten. All dies ist heute jedoch kein Wunschtraum mehr, sondern bereits nutzbare und Nutzen stiftende Realität.
Aufleben des Knowledge-Management
Der beschriebene Zusammenhang funktioniert umso besser, je klarer das Hintergrundwissen aufbereitet worden ist und je einfacher überprüft werden kann, ob es auf den konkreten Sachverhalt anwendbar ist. Knowledge-Management, lange Zeit von Unternehmen aus dem Bereich IT Service Management kaum beachtet, wird nun zur Schlüsseldisziplin.
Auch die durchdachte Bereitstellung von Service Requests, bei denen die qualifizierenden Begriffe zu Eingangsdaten für einen Ablauf werden, prägt entscheidend die Nutzererfahrung. Über die reine Erfassung hinaus bilden dabei rollenspezifische Benutzeroberflächen (UIs) den Rahmen, in dem sich Prozessmitarbeiter bewegen und mit genau den Informationen konfrontiert werden, die zum Voranbringen eines konkreten Workflows, etwa in Hinblick auf Störungen, Änderungen, benötigt werden. Das Ziel der Ausgestaltung sollte sein, dass weniger mehr ist, oder besser noch, dass das Notwendige zum richtigen Zeitpunkt umgesetzt wird.
Schließlich ist es nicht zuletzt die retrospektive Analyse von auflaufenden Störungen und Requests, die aus guten Prozesses optimale macht. Dies gilt prinzipiell für auch wie andere Aspekte wie das ITIL CSI, jedoch wird die Schwelle für die Nutzbarmachung deutlich herabgesetzt. War es früher unumgänglich, möglichst saubere Qualifikationskriterien in Form von Kategorisierungen anzubieten, liegt heute der Fokus auf der geschickten Ermittlung eines geeigneten Treffers, z.B. anhand von Schlüsselbegriffen. Viel stärker als in der Vergangenheit wird so das bereits vorhandene Wissen beispielsweise durch intelligente Indizierung nutzbar gemacht.
Fazit und Ausblick
In der Zukunft lässt sich das beschriebene Konzept auch mit gesprochener Sprache koppeln – Siri, Cortana und Co. machen es vor. Teile des Incident Management Prozesses könnten damit noch weiter in die Erfassung durch den Endbenutzer vorverlagert werden. Damit erhalten IT Organisationen weiteren Spielraum und Endnutzer direkte Kontrolle über das, was sie initiieren, egal über welches Medium. Dabei ist man keineswegs auf IT-Prozesse und IT-bezogene Services beschränkt. Wie sich bereits jetzt abzeichnet, fällt der IT die Vermittlerrolle zu, wie Services aus unterschiedlichen Bereichen konsolidiert zu ihrem Konsumenten finden. Eine Rolle, für welche die IT seit jeher prädestiniert ist.
Daher lohnt es sich wieder, die Angebote der Hersteller zu vergleichen. Das Potenzial für nahezu jedes Unternehmen ist immens. Was bis vor kurzem wie ein notwendiges Übel aussah, wird durch moderne Technologie plötzlich persönlich, schlank und attraktiv wie nie zuvor.
Nicht zuletzt liegt hier zugleich die Chance für die IT Verantwortlichen in Unternehmen, ihrer Geschäftsleitung zu verdeutlichen, welchen Beitrag die IT zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens liefert. Um es in Anlehnung an ein Zitat von Bill Clinton zu sagen: „It’s the IT, stupid!“.
* Ingo Marienfeld ist Geschäftsführer von BMC Deutschland.
(ID:44086213)