Interview mit Guido Eidmann, CIO und Vorstandsmitglied bei Telefónica Deutschland Für die Digitalisierung brauchen wir Flexibilität, Kreativität - Co-Creation
In der vergangenen Woche hat Tech Mahindra in München eine neue Dependance mitsamt „Makers Lab“ in Sichtweite des Kunden Telefónica Deutschland eröffnet. Zum Konzept gehört die räumliche Kundennähe; denn die Partner streben Co-Creation an. Was er darunter versteht, hat Guido Eidmann, Vorstandsmitglied des Telco-Konzerns, im Interview erläutert.
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Die Makers Labs von Tech Mahindra dienen zum einen als Treffpunkt und Ideenschmiede für Jugendliche, um sie in diversen disruptiven Technologien auszubilden, etwa Künstliche Intelligenz, Machine Learning, Robotics, IoT, Augmented Reality und Quanten Computing, und als Inkubations- und Entwicklungszentren, um mit Innovationen die Herausforderungen der Kunden in dem jeweiligen geografischen Gebiet zu lösen. Insofern wird eine echte Partnerschaft von Kunde und Auftragnehmer angestrebt, wenn es um die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen beim Kunden geht. Tech Mahindra spricht gerne von Co-Innovation.
Der Begriff scheint das Gefälle von „Kunde bestimmt, wo es langgeht“, Auftragnehmer kümmert sich um die Erfüllung der gestellten Aufgaben ein Stück weit aufzuheben zugunsten einen gleichberechtigten gegenseitigen Befruchtung. Doch Eidmann redet lieber von Co-Creation und Produktionssteigerung.
Vorstandsmitglied Guido Eidmann ist sein August des vergangenen Jahres Chief Information Officer der Telefónica Deutschland Holding AG. In dieser Position verantwortet er die IT-Strategie und die Digitalisierung des Unternehmens. Zuvor war er als Managing Director Service Technology des Unternehmens tätig.
Worum geht es bei der Zusammenarbeit von Tech Mahindra und Telefónica Deutschland unter dem Stichpunkt Co-Creation?
Guido Eidmann: Industrialisierung und Wertschöpfung. Telefónica Deutschland soll bis 2022 der Champion sein - bei den Mobilfunk-Kunden und bei der Digitalisierung. Der entscheidende Hebel hierfür ist die digitale Transformation des Geschäfts, indem die Services einfacher und schneller bereitgestellt werden, über jeden Kanal hinweg und ausgehend von einem möglichst einmaligen Benutzererlebnis. Die Optimierung entsteht einerseits über eine verbesserte Selbstbedienung auf der Kundenseite und andererseits über eine Automatisierung der IT-Prozesse auf der Anbieterseite. Dadurch entsteht dann letztlich Wachstum und Profitabilität.
Ein Beispiel dafür ist der „Chatbot Lisa“. Die virtuelle Online-Hilfe beantwortet einfache und häufige Kundenanliegen. Sie navigiert Kunden durch das O2-Portal und liefert ihnen Informationen zu den Themen, die sie interessieren. Tippen die Kunden beispielsweise „Datenvolumen“ ein, zeigt Lisa, wo die Kunden ihren Datenverbrauch einsehen können und lädt dazu ein, ein „O2-Guru“-Video zum Thema anzusehen.
Mehr als die Hälfte der Fragen, die Kunden an Lisa richten, kann sie bereits selbstständig beantworten. Ist sich Lisa einmal nicht zu 100 Prozent sicher, wird ihre Antwort an einen Agenten ausgespielt. Das war wesentlich; denn ohne diese menschliche Intelligenz hat das KI-System nur sehr bescheidene Fortschritte gemacht. Jetzt überprüft ein Agent den Inhalt und bringt Lisa die richtige Antwort bei. Der Effekt: Der Anteil hilfreicher Antworten ist stark gestiegen und das führt zu einem nachhaltig positiven Erlebnis für die Kunden.
Und wie soll die Produktivität steigen?
Guido Eidmann: Für die Optimierung der Services muss die IT-Bereitstellung, ja die IT-Lieferkette selbst optimiert werden. Es kann doch nicht sein, dass der jährliche Produktivitätsgewinn der Software-Industrie ein Negativwachstum aufweist. Dazu braucht es vorbildliche Technologien und Verfahren mit Potenzial zur Industrialisierung in der Software-Industrie: Plattform as a Service, DevOps, Künstliche Intelligenz, Automatismen sind hierfür Beispiele.
Welche Rolle fällt dem Partner Tech Mahindra zu?
Guido Eidmann: Wir wollen nicht herausfinden müssen, welche Technik für welchen Use Case taugt. Früher haben wir Pflichtenhefte erstellt und Aufgaben gestellt. Was wir zurück bekamen, war Code. Und da die Aufgaben sehr dezidiert gestellt waren, konnten die Softwareprogramme auch beim Auftragnehmer in nur eingeschränktem Maße getestet werden. Der gelieferte Code wurde für uns zum Testfall. Das aber hält auf und das können wir uns nicht leisten.
Zugleich verlief der Prozess sehr eingleisig und zielorientiert. Für Fehlschläge oder Neubeginne fehlte die Zeit.
Darüber hinaus haben wir steigende Wartungskosten beobachten können. Nun haben wir die Anzahl der Software-Lieferanten drastisch reduziert: von 60 auf sieben. Zudem werden die Partner früher in den Wertschöpfungsprozess eingebunden. In Bezug auf das Testen heißt das: Fehler und Irrwege werden früher erkannt. Ich spreche von einem echten Netzwerk der Zusammenarbeit.
Produktivitätsgewinn ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit Innovation.
Guido Eidmann: Die Entlastung, die Tech Mahindra mit seinen Verfahren und Tools für uns schafft, bedeutet Freiheit – Freiheit einfach einmal etwas auszuprobieren und Zeit für die Entwicklung neuer Ideen und Services.
Wie aber stellen Sie dann sicher, dass am Ende etwas herauskommt, sich Ihr Dienstleister nicht im Testen und Ausprobieren verstrickt?
Guido Eidmann: Wir legen alle drei bis vier Jahre neue Ziele für unsere Partner fest und überprüfen, ob unsere Ziele noch stimmen und inwiefern sie von unseren Partnern umgesetzt werden. Dazu nutzen wir Key Performance Indikatoren (KPIs), messen und Vergleichen den Output. Dafür wiederum müssen alle Partner an diesem Vergleich teilnehmen.
Co-Creation, Co-Innovation – verbirgt sich dahinter eine Verlegenheitslösung, weil einerseits ein War of Talents um die besten ITler entbrannt ist und Telefónica Deutschland andereseits massiv Manpower und Know-how aufbauen müsste?
Guido Eidmann: Das Unternehmen ist seit rund 15 Jahren bereits stark an Partnerschaften ausgerichtet. Doch keiner kann sagen, ob wir irgendwann etwas aus den Bereichen wieder einmal selber machen. Dafür braucht es immer wieder Rezensionen, Innehalten und Überdenken. Doch es stimmt auch: Wenn wir die digitale Transformation alleine angehen würden, müssten wir massiv Ressourcen ausbauen. Doch aus jetziger Sicht ist es kein Nachteil, die Zukunft mit Partnern anzugehen.
Letztlich folgt das Anschaffen von Tools, Plattformen und anderer Ressourcen einer industriellen Logik: Lohnt es sich? Was lässt sich erreichen? Ist es das wert? Gibt es Alternativen?“
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