Grundwasser-gekühlte IT in Unterschleißheim E-Shelter eröffnet Hochsicherheits-Datacenter mit Umweltpfiff

Autor / Redakteur: Ariane Rüdiger* / Ulrike Ostler |

In der Kleinstadt Unterschleißheim im Münchner Speckgürtel weihte E-Shelter in der vergangenen Woche sein Rechenzentrum „München II“ ein. Es erfüllt die strengsten Sicherheits- und Verfügbarkeitsanforderungen und soll nach dem anspruchsvollen LEED-Platinum-Standard zertifiziert werden.

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E-Shelter verfügt mit „München II“ über ein Rechenzentrum in Unterschleißheim, das mithilfe von Grundwasser gekühlt wird.
E-Shelter verfügt mit „München II“ über ein Rechenzentrum in Unterschleißheim, das mithilfe von Grundwasser gekühlt wird.
(Bild: E-Shelter)

100 Millionen Euro investiert E-Shelter in das neue Rechenzentrum. Doch laut deutschen Geschäftsführer Rupprecht Rittweger, sind das nicht die einzigen Investitionen, die derzeit in den Ausbau deutscher Standorte von NTT.com fließen. Denn E-Shelter, gehört inzwischen zu 86,25 Prozent der NTT.com, dem Telekommunikations- und Cloud-Zweig des japanischen NTT-Konzerns. Rittweger gehörte im Jahr 2000 zu den Gründern von E-Shelter, hält die übrigen Anteile und wirkt mit im globalen Management-Team.

Die E-Shelter-Standorte in Europa.
Die E-Shelter-Standorte in Europa.
(Bild: Ulrike Ostler/ Vogel IT-Medien GmbH)

NTT Communications betreibt derzeit unter verschiedenen Markenbezeichnungen über 140 globale hochverfügbare Rechenzentren mit insgesamt 90.000 Quadratmetern. Neun Datacenter gehören zu E-Shelter. Allerdings soll Ende Juli ein weiteres in Düsseldorf dazukommen und „wir schauen uns den Standort Nürnberg an“, sagt Rittweger und setzt hinzu: „Zu unserer Strategie gehört es, in jeder Region (mindestens) zweimal vertreten zu sein. In Frankfurt betreibt E-Shelter drei Rechenzentren, wobei zwei davon von ihm als „Campus“ bezeichnet werden, also Datacenter mit mehreren Gebäuden.

Mitte April eröffnete das Unternehmen das E-Shelter Innovation Lab in Frankfurt am Main. Zur Expansion setzt er hinzu: „Der Markt wächst um 30 Prozent. Wir wachsen schneller.“

Nun erfolgte die offizielle Inbetriebnahme, gute 12 Monate nach Baubeginn, die Inbetriebnahme von „München II“. Die Stromversorgung erfolgt mit 20 Kilovolt über zwei getrennte Umspannwerke. Auf dem Dach sorgen drei Schiffsmotoren mit je knapp 2 Megawatt Leistung für Notstrom. Betrieben werden sie mit reinem „Militär-Diesel“, also ohne Zusätze aus Biotreibstoff. Unter dem Gebäude liegen zwei Tanks mit je 60.000 Liter Brennstoff.

Ein paar Eckpunkte zum neuen E-Shelter-Rechenzemtrum
Ein paar Eckpunkte zum neuen E-Shelter-Rechenzemtrum
(Bild: Ulrike Ostler/Vogel IT-Medien GmbH)

Verfügbarkeit

Einmal monatlich werden diese Systeme getestet. Dazu erläutert Markus Ecke, Director of Technical Presales, der alle Rechenzentren von E-Shelter Deutschland wie seine Westentasche kennt: „Wir testen nie leer. Entweder wir betreiben mit Notstrom einen Teil der Kühlung oder Lastwiderstände.“

Die Gel-Batterien der USV-Anlage, die sich in den Infrastrukturräumen im Erdgeschoss der Anlage befinden, können rund zehn Minuten überbrücken, so dass die Generatoren genügend Zeit haben anzuspringen und sich einzuschwingen – sie brauchen dafür zwischen 25 Sekunden und 90 Sekunden.

Die Brandschutzanlage flutet im Notfall die Rechnerräume innerhalb von 35 Sekunden nach dem Alarm mit dem Inertgas „Argon“, das, sollten Mitarbeiter die mit dem Gas gefluteten Räume nicht verlassen haben oder können, deren Gesundheit nicht gefährdet. „Es ist, als wäre man etwa auf 6.000 Metern Höhe, aber man stirbt nicht“, erläutert Ecke.

Sicherheit

Auch sonst ist alles auf Sicherheit hin konzipiert: Das Gebäude hat sieben Sicherheitszonen, angefangen beim Außenzaun mit Wärme- und Videokameras, um nicht autorisierte Annäherungen zu erfassen, und den schweren Blumenkübeln in der Einfahrt, die Attacken mit Fahrzeugen verhindern sollen, bis hin zum Herz der Anlage auf Sicherheitsstufe 7, den redundant ausgelegten Leit- und Steuerzentralen.

„Über eine Lösung zum Schutz vor Drohnen denken wir nach“, Markus Ecke, Director of Technical Presales E-Shelter.
„Über eine Lösung zum Schutz vor Drohnen denken wir nach“, Markus Ecke, Director of Technical Presales E-Shelter.
(Bild: Ariane Rüdiger)

Nur gegen Drohnen-Angriffe aus der Luft ist man noch nicht doppelt und dreifach geschützt, denke aber, so Ecke, darüber nach. „Viele Systeme detektieren nur, man muss die Drohne gegebenenfalls aber auch unschädlich machen – dafür suchen wir noch eine gute Lösung“, gibt er zu bedenken.

Das Rechenzentrum ist in zwei spiegelbildlich aufgebaute Hälften aufgeteilt, so dass jeweils dieselbe Versorgungs-Infrastruktur vorhanden ist. Jede Infrastruktur-Hälfte ist nur zu 50 Prozent ausgelastet, so dass sie im Ernstfall die gesamte Rechenzentrumslast übernehmen könnte. Zur Firmenpolitik gehört es, dass Infrastrukturkomponenten mit wenigen Ausnahmen grundsätzlich von drei Herstellern bezogen werden, um jede einseitige Abhängigkeit zu vermeiden.

Der Eingang des E-Shelter-Rechenzentrums „München II“ am offiziellen Eröffnungstag
Der Eingang des E-Shelter-Rechenzentrums „München II“ am offiziellen Eröffnungstag
(Bild: Ulrike Ostler/ Vogel IT-Medien GmbH)

Die zwei Stockwerke

Ebenfalls zum Sicherheitskonzept gehört es, dass sämtliche Mitarbeiter, selbst das Putzpersonal, bei E-Shelter direkt beschäftigt ist. „In unsere Rechenzentren kommen nur Mitarbeiter und externes Wartungspersonal für die Geräte“, beteuert Ecke – Das ist eine Strategie, die wegen der dauerhaft entstehenden Arbeitsplätze sicher auch die Ansiedlungsgemeinden erfreuen dürfte.

Die Geschosshöhe des Datacenter liegt insgesamt bei 6,50 Metern, Stromkabel und Kaltluftzufuhr sind in einem ein Meter hohen Doppelboden untergebracht. Die Raumhöhe wundert, doch betont Ecke: „Heute werden oft Racks mit 50 Höheneinheiten verwendet, das sind schon allein 2,50 Meter. Dazu kommen noch drei Infrastrukturschichten an der Decke.“

Dort verlaufen die Datenkabel – Trunks und Patches. Weil sich E-Shelter als Co-Locator versteht, also den Kunden leere Räume zur Aufstellung ihrer Rechner samt der erforderlichen Infrastruktur anbietet – wahlweise mit oder ohne Rechnerschrank – kann er über die IT-Ausstattung nichts sagen. Das Mindestvolumen sind aber Cages mit vier Racks.

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Ihren Strom rechnen Kunden entweder mit einer geeichten Messung am Netzkopf ihrer Stromzuführung komplett ab, oder aber, wenn sie selbst Dienstleistung verkaufen und Stromverbräuche weiterberechnen wollen, mit einer weiteren geeichten Messung an jedem dafür vorgesehenen Rack. Allerdings kostet das extra.

E-Shelter bezieht Industriestrom, ist aber, wie alle Rechenzentrumsbetreiber nicht befreit von der EEG-Umlage. Zur Umlage der Stromkosten auf die Kunden, sagt Ecke: „Wir verdienen in Deutschland am Strom keinen Pfennig.“

PUE von 1,2

Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Differenzdruck im Doppelboden werden von E-Shelter permanent überwacht – mithilfe eines selbstgestrikten Datacenter infrastruktur Managments (DCIM). Die Räume sind für eine Maximalleistung von 24 Kilowatt pro Rack ausgelegt, im Durchschnitt kann die Belegung 1,5 Kilowatt pro Quadratmeter erreichen.

Angestrebt wird im Mittel eine PUE- Wert (Power Usage Effectiveness) von 1,2 – die Kühl- und Klimatisierungs-Infrastruktur wird also 20 Prozent mehr Strom verbrauchen als das Rechnen an und für sich, mit jahreszeitlichen Ausschlägen nach oben und unten. Dazu verhelfen sollen zahlreiche bautechnische Besonderheiten. Diese sollen soagr zu der sehr anspruchsvollen LEED-Platinum-Zertifizierung verhelfen.

LEED steht für Leadership in Energy and Environmental Design. Diese Zertifizierung wurde in den USA entwickelt weltweit für unterschiedliche Gebäudeklassen mit unterschiedlichen Anforderungen vergeben. Ob der deutsche „Blaue Engel“ angestrebt wird, ist dagegen noch unklar.

Details zur ökologischen Gestaltung

Das Dach des Rechenzentrums ist mit einer knapp halbmeterhohen, mit Pflanzen bewachsenen Erdschicht bedeckt. Derzeit wächst dort Getreide sowie die für Dachbegrünungen typischen Sedum-Pflanzen. Darunter erst liegt die Schutzschicht, die das Gebäude vor Feuchtigkeit von oben schützt. „Die Erde auf dem Dach saugt sich voll Wasser, das nach heftigen Regenfällen langsam statt auf einmal abfließt und so ein Volllaufen der Vorfluter und damit Überschwemmungen verhindern hilft“, erklärt Ecke. Brauchwasser wird teils wiederverwendet, zum Beispiel für Toilettenspülungen.

Innen wird mit rund 50 Umluftgeräten gekühlt. Deren größere haben ein Volumen von 30.000 Kubikmeter Luft pro Stunde. Sie pusten die Wärme aus den in der Regel kalt eingehausten Rechnergängen über vergitterte Öffnungen in den Wänden der Rechnerräume großflächig Platten-Wärmetauschern zu.

Diese durchfließt aus einer rund zwei Kilometer entfernten Zapfstelle entnommenes Grundwasser, das im RZ mit 11 bis 12 Grad Temperatur ankommt, am Wärmetauscher mit Wärme beladen wird und dann in einem geschlossenen Kreislauf seine Wärme an einen weiteren Kühlkreislauf gibt.

Kühlung mit Grundwasser

Das Grundwasser verlässt das Rechenzentrum, ohne mit anderem Wasser in Berührung zu kommen und wird dann mit maximal 20 Grad wieder in den Aquifer geleitet. Die überschüssige Wärme landet im auf Wasser-Glykol-Basis betriebenen und mit Kompressoren ausgerüsteten Rückkühlkreislauf. Im Winter ist dieses komplizierte Vorgehen nicht nötig, sondern es wird auf Freikühlung zurückgegriffen. Das erklärt die guten Effizienzwerte genau wie die teilweise Nutzung der Abwärme zur Heizung von Büros.

Zur Eröffnung anwesend war unter anderem der Bürgermeister von Unterschleißheim Christoph Böck, der die Bühne unter anderem zur Werbung für die 30.000-Einwohner-Gemeinde im nordwestlichen Umfeld der Bayern-Metropole nutzte. Die Stelle, an der das entnommene Grundwasser zurückgeleitet wird, befindet sich auf städtischem Grund. Zu den Fragen, die also vorab geklärt werden musste, gehört somit ein Wegerecht für E-Shelter, nicht jedoch eine Diskussion über die Umweltverträglichkeit der Grundwasser-Erwärmung.

Böck verweist darauf, dass für die Prüfung die Untere Naturschutzbehörde zuständig gewesen sei. Diese habe aber offenbar keine Beeinträchtigungen der Umwelt gesehen, da ohnehin die Entnahme nur für die oberen Schichten des Grundwassers erlaubt sei und im Falle E-Shelter eingehalten würde.

))(vl.ln.r.) E-Shelter-Deutschland Geschäftsführer Rupprecht Rittweger, Ilse Aigner, Bayerische Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie und Stellvertretende Ministerpräsidentin Christoph Böck, Bürgermeister Unterschleißheim, und Tetsuya Shoji, CEO von NTT Communications erwarten das Signal zum Durchschneiden des roten Bandes anlässlich der Eröffnung des Rechenzentrums „München II“ .
))(vl.ln.r.) E-Shelter-Deutschland Geschäftsführer Rupprecht Rittweger, Ilse Aigner, Bayerische Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie und Stellvertretende Ministerpräsidentin Christoph Böck, Bürgermeister Unterschleißheim, und Tetsuya Shoji, CEO von NTT Communications erwarten das Signal zum Durchschneiden des roten Bandes anlässlich der Eröffnung des Rechenzentrums „München II“ .
(Bild: Ulrike Ostler/Vogel IT-Medien GmbH)

Prominente Stimmen

Am liebsten hätte er noch weitere Datacenter-Ansiedlungen vor Ort und störte sich halb im Scherzen, halb ernst an der Bezeichnung „München II“; er hätte gerne „Unterschleißheim I, II III …. wir haben hier insgesamt eine Fläche von rund 100.000 Quadratmeter zu vergeben.“ Böck, der früher für BMW tätig war, verwies auch auf die Ansiedlung des BMW-Campus für digitales Fahren. „Wir sind vom Bauerndorf zur digitalen Stadt geworden, und als nächstes wollen wir eine Smart City werden.“

Eine 100-Millionen-Euro-Investition auf dem Industriegelände, das zur Münchner Stadtrandgemeinde gehört, darf mit Aufmerksamkeit rechnen. So sprach die Bayerische Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie und Stellvertretende Ministerpräsidentin Ilse Aigner und der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber ließ es sich nicht nehmen, das Rechenzentrum innen wie außen in Augenschein zu nehmen. Auch von der japanischen Mutterfirma war hoher Besuch vor Ort: Tetsuya Shoji, CEO von NTT Communications, der selbst einmal zwei Jahre in Deutschland gearbeitet hatte.

Tetsuya Shoji, CEO von NTT Communications, überraschte mit einer Ansprache in Deutsch.
Tetsuya Shoji, CEO von NTT Communications, überraschte mit einer Ansprache in Deutsch.
(Bild: Ulrike Ostler/ Vogel IT-Medien GmbH)

Er überraschte mit einer Ansprache, die er zum Teil in Deutsch hielt. Das habe er vor 25 Jahren gelernt, als er ein kleines Büro in Düsseldorf hatte und NTT gerade einmal zehn Mitarbeiter in Deutschland. Zurzeit beschäftigt der Konzern hierzulande 6.000 Mitarbeiter. Für ihn zeichnet sich das neue Rechenzentrum insbesondere durch zwei Eigenschaften aus: die hohe Energie-Effizienz, die unter anderem durch die Nutzung des Grund- und Regenwassers erzielt wird und die Nähe zum Münchner Flughafen. „Wir versuchen überall, wo wir Rechenzentren errichten, Innovationen zu verwenden und die Energie-Effizienz zu erhöhen“, so Shoji, anderenorts etwa durch die Nutzung der Abwärme zum Heizen von Wohngebäuden.

Wo die Cloud wohnt

Datacenter, von ihm als „Home of the cloud“ bezeichnet, alleine bilden noch keine Infrastruktur für die Cloud oder auch Internet of Things. Es brauche zudem Innovationen und Netzwerke. Für die E-Shelter-Rechenzentren stehen eigene Glasfaser-Ringe zur Verfügung, so auch für das Datacenter in Unterschleißheim, für das laut Rittweger neue Local-Loop-Leitungen verlegt wurden: „Wir können damit unsere Kunden, vor allem auch mittelständische Firmen aus Bayern, direkt mit internationaler Infrastruktur bedienen.“

Auch Staatsministerin Aigner bezeichnete Rechenzentren als „ganz wichtiges Glied in der Kette“, wenn es um die Digitalisierung gehe. Sie hob hervor, dass die bayerische Regierung bereits zwei Milliarden Euro in die Digitalisierung des Landes gesteckt habe. Nun sei man im Rahmen der Vorbereitung einer weiteren Investitionswelle dabei, einen Masterplan zu entwickeln, dessen Schwerpunkte unter anderem Robotik und KI sein sollen.

Die Erfolge der ersten Investitionsrunde seien bereits sichtbar: So könne Bayern auf Ansiedlungen von IBM mit seinem Watson-Zentrum, Siemens, des Google-Entwicklungszentrums und jetzt eben auch E-Shelter verweisen. Im Kanzlerinnen-Duktus sagte sie: „Es ist ein guter Tag für die Digitalisierung in Bayern.“

* Ariane Rüdiger ist freie Journalistin und lebt in München.

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