Das Problem mit der Katze und ihrem Schwanz Warum Automatisierung im Rechenzentrum so schwer umzusetzen ist
Von wegen Server, Virtual Machines, Storage- und Netzwerk-Systeme mühsam im Handbetrieb für neue Anforderungen umkonfigurieren. Im softwarebasierten Datacenter erledigt das der Administrator auf Knopfdruck. Doch um ein Software-Defined Datacenter einzurichten, ist eine Menge Arbeit nötig, und die muss eine eh überlastete IT-Abteilung zusätzlich erledigen.
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An einem besteht kein Zweifel: IT-Fachkräfte, die Rechenzentren am Laufen halten, können sich über Mangel an Arbeit nicht beklagen. Im Gegenteil. Geschäftsführung und Fachabteilungen machen Druck auf die IT-Abteilung, damit diese das Unternehmen besser bei der „Digitalen Transformation“ von Geschäftsprozessen und Angeboten unterstützt. Die Folge: Rund 78 Prozent der IT-Führungskräfte verspüren eine spürbare Zunahme der Anforderungen. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie, die das Marktforschungshaus Freeform Dynamics im Auftrag von Fujitsu erstellt hat.
Die Untersuchung macht deutlich, woran es hapert: Routine-Jobs fressen das Zeitbudget auf, das IT-Fachleute eigentlich für kreativere Aufgaben benötigen.
Zu diesen Zeitfressern zählt beispielsweise für 73 Prozent der Fachleute die Verwaltung der IT-Infrastruktur und für 80 Prozent das Management von Geschäftsanwendungen und Datenbanken, die über das Rechenzentrum bereitgestellt werden. Auch Aufgaben wie das Beseitigen von Fehlern, das Change-Management und das Monitoring der Rechenzentrums-Infrastruktur zählen zu den zeitintensiven Aufgaben. Für zukunftsorientierte Aktivitäten bleibt wenig Spielraum, beispielsweise für das Evaluieren neuer Ansätze wie SDDC.
Der Nutzen von Automatisierung ist klar ...
Doch warum ist das Management und Monitoring einer Rechenzentrums-Infrastruktur und der darauf basieren Applikationen so aufwändig? Denn eigentlich, so viele Anbieter von IT-Ausrüstung und Management-Tools, sei es doch auch ohne SDDC quasi ein "Klacks", eine solche Umgebung zu verwalten. Doch die Praxis sieht anders aus. IT-Profis haben "extrem hohe Probleme" mit
- vielen unterschiedliche Tools, die zudem nicht zusammenarbeiten (31 Prozent),
- zu komplexen Plattformen (26 Prozent) und
- einem zu großen Anteil von manuellen Prozessen und kundenspezifischen Scripts (21 Prozent).
Rechenzentrumsspezialisten ist sehr wohl bewusst, dass sich ein Großteil dieser Probleme lösen ließe, wenn der Automatisierungsgrad höher wäre. So stuften beispielswiese 38 Prozent eine auf Regeln (Policies) basierende, automatische Bereitstellung von Rechenzentrums-Ressourcen als höchst wertvoll ein. Auch automatische Diagnose- und Reparaturservices sowie Selbstbedienungsfunktionen für End-User gelten unter den Fachleuten als hilfreich. Und 41 Prozent sehen einen Hauptvorteil eines SDDC und von Automatisierungsfunktionen darin, dass sie die Migration von Workloads vereinfachen.
... aber es fehlt an Zeit und Geld
Doch offenkundig ist die Umsetzung von Automatisierungsprojekten im Rechenzentrum kein „Selbstläufer“, so die Studie von Fujitsu. So gaben 73 Prozent der der IT-Führungskräfte an, dass entweder kein Budget für SDDC-Projekte bereitsteht oder andere Aufgaben im Bereich IT und Rechenzentrum Vorrang haben. Mehr als zwei Drittel der Befragten sehen im Mangel an Zeit ein Kernproblem, dies vor dem Hintergrund, dass viele IT-Abteilung überlastet oder personell unterbesetzt sind.
Letztlich bedeutet dies, dass sich die Automatisierungskatze im Kreis dreht und in den eigenen Schwanz beißt: Automatisierung im Rechenzentrum kann der IT-Abteilung nachhaltig dabei helfen, Zeit zu sparen und die Überlastung zu reduzieren. Doch um ein Automatisierungsprojekt umzusetzen, fehlt es den Rechenzentrumsspezialisten an Zeit und Geld. Also bleibt alles beim Alten. Es liegt auf der Hand, dass diese Situation unbefriedigend ist.
Verschärft wird die Lage durch Hemmnisse, die auf der betriebspolitischen Ebene angesiedelt sind. So betrachten es 58 Prozent der befragten IT-Experten als Herausforderung, dass mit einer Automatisierung von IT-Prozessen eine Neugewichtung der Rollen und Aufgabenverteilung von IT-Fachleuten verbunden ist. Vereinfacht gesagt: Mitarbeiter fürchten um ihren Job, oder sie haben Angst davor, künftig andere Aufgaben übernehmen zu müssen, etwas solche mit einem höheren Anspruchsniveau und mehr Stress.
In der Tat gehen mehr als 80 Prozent der Studienteilnehmer davon aus, dass Automatisierung dazu führen wird, dass die Arbeit von IT-Teams stärker auf Anwendungen und Geschäftsprozesse ausgerichtet sein wird, wenn sich IT-Prozesse automatisieren lassen. Know-how auf der Systemebene ist dann nicht mehr so stark gefragt.
"Was ist eigentlich ein SDDC??"
Doch auch aus fachlicher Sicht stehen etliche IT-Experten Automatisierungsvorhaben im Datacenter skeptisch gegenüber: Mehr als 70 Prozent betrachten es als massive Hürde oder zumindest als erhebliche Herausforderung, eine automatisierte RZ-Umgebung zu planen und aufzubauen. Außerdem herrscht noch eine gewisse Skepsis, was die Praxistauglichkeit der Automatisierungslösungen betrifft.
Das heißt jedoch, dass auch die Anbieter von SDDC-Konzepten und entsprechenden Lösungen noch etliche "Hausaufgaben" zu erledigen haben. Eine besteht darin, IT-Fachleuten und CIOs klar zu machen, was ein Software-Defined Datacenter eigentlich ist. Denn laut der Studie von Fujitsu haben mehr als 20 Prozent der Fachleute diesen Begriff noch nie gehört. Weitere 10 Prozent halten SDDC für bloßes "Marketing-Blabla" und 32 Prozent wissen zwar mit dem Begriff etwas anzufangen, verstehen aber nur teilweise, was sich dahinter verbirgt.
Das bedeutet, Anbieter von SDDC-Lösungen müssen in erheblichem Maße Aufklärungsarbeit betreiben. Dies umso mehr, als - wie bereits angesprochen - Rechenzentrumsspezialisten wenig Zeit haben, um sich detailliert mit solchen neuen Konzepten auseinanderzusetzen. Nicht nur Hersteller können die Rolle eines "Aufklärers" übernehmen, sondern auch deren Partner, etwa Systemhäuser.
Am Anfang war die Hardware
Ist die Entscheidung pro Automatisierung beziehungsweise SDDC gefallen, stellt sich die Frage, wo der Hebel angesetzt werden soll. Klar ist, dass so gut wie kein Unternehmen eine Komplettrenovierung seines Datacenters vornehmen kann. Eine Option besteht darin, eine Politik der kleinen Schritte zu verfolgen. Diese kann darin bestehen, vorkonfigurierte, integrierte Systeme zu implementieren – also eine Kombination aus Server-, Storage- und Netzwerk-Hardware, Virtualisierungssoftware und entsprechenden Management-Tools. Immerhin an die 80 Prozent der IT-Fachleute, die Fujitsu befragen ließ, sehen in solchen Appliances ein Mittel, um schneller und bei relativ geringen Kosten ein SDDC zu implementieren.
Eine solche Umgebung auf Basis von Standard-Hardware kann die IT-Abteilung selbst zusammenstellen und zum Laufen bringen. Zudem gibt es Appliances von der Stange, etwa von HPE, Dell EMC, Cisco und Fujitsu. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, bei einem Anbieter eine maßgeschneiderte Lösung zu ordern, die auf einer Referenzarchitektur beruht. Den Support übernimmt in diesem Fall der Lieferant des Systems.
Am Ende hilft nur: Business-Entscheider mit ins Boot holen
Die Studie von Fujitsu macht vor allem eines deutlich: Die Vorteile von IT-Automatisierung und SDDC gibt es nicht umsonst. Wer kein Budget für entsprechende Projekte vorsieht, kann nicht darauf hoffen, dass IT- und Rechenzentrumsspezialisten "irgendwie" Zeit für die Weiterentwicklung der Infrastruktur und Anwendungslandschaft finden.
Für IT-Führungskräfte bedeutet dies, dass sie nicht nur auf der technischen Ebene aktiv sein dürfen. Vielmehr müssen sie Geschäftsführer und Finanzverantwortliche davon überzeugen, dass Automatisierung in Rechenzentren und deren Umbau zu einem Software-Defined Datacenter kein Luxus sind. Wer Geschäftsprozesse und seine Produktpalette digitalisieren möchte, muss in Vorleistung gehen, also ein entsprechendes Budget dafür vorsehen. Sonst wird sich die Katze noch lange im Kreis drehen und hinter dem eigenen Schwanz herjagen.
* Bernd Reder ist freier Autor und lebt in München.
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