Höchstleistungsrechnen, Quantencomputer und mehr Quanten-Networking beim Münchner Kreis

Von M.A. Jürgen Höfling

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Dass Quantentechnologie mehr ist als der Quantencomputer, machte einmal mehr ein Informationsabend beim Wirtschafts- und Technologie-Club „Münchener Kreis“ deutlich. Trotzdem war der Abend auch für „Datacenter-Insiders“ anregend und nützlich.

Panel-Diskussion beim Quanten-Networking-Abend des Münchener Kreises: (v.l.n.r.) Prof. Dr. Michael Dowling (Vorsitzender des „Münchner Kreis“), Manfred Rieck, DB Systel, Dr. Michael Förtsch, CEO QANT, Jan Berger, CEO Themis Foresight, Prof. Dr. Dieter Kranzlmüller, Leiter des Leibniz-Rechenzentrums Garching)
Panel-Diskussion beim Quanten-Networking-Abend des Münchener Kreises: (v.l.n.r.) Prof. Dr. Michael Dowling (Vorsitzender des „Münchner Kreis“), Manfred Rieck, DB Systel, Dr. Michael Förtsch, CEO QANT, Jan Berger, CEO Themis Foresight, Prof. Dr. Dieter Kranzlmüller, Leiter des Leibniz-Rechenzentrums Garching)
(Bild: Leibniz-Rechenzentrum Garching)

„Vom Quanten verstehen zum Quanten nutzen“ lautete das Motto des Networking-Abends des Münchener Kreises (MK) im Februar, dem auch Judith Gerlach, die bayerische Staatsministerin für Digitales, die Ehre gab. Nach drei Impulsreferaten, auf die wir in einem späteren Artikel auf dieser Plattform eingehen werden, wurde im Schluss-Panel zwischen Referenten und MK-Vorständen (und dem sachkundigen Publikum) erfreulich engagiert fast eine Stunde lange diskutiert.

Die intuitiv eher mysteriösen Quanteneffekte wie Tunneling, Teleportation, Überlagerung und Verschränkung sind wie geschaffen für angeregtes abendliches Networking. Das ist hier keineswegs ironisch gemeint (oder allenfalls ein bisschen!), weil bei dem „Gedanken- und Statement-Ping-Pong“ tatsächlich viel Bedenkens- und Wissenswertes zum Thema „Quanten nutzen“ zum Vorschein kam.

„Europa beim Zusammenspiel von HPC und QC vorn“

„Es kann durchaus passieren, dass in den nächsten Jahren ein deutsches Start-up eine geniale Kombination aus Quantenhardware und Quantenalgorithmus findet, welche das gegenwärtige Ranking der Quantenrechnerei auf dem Globus völlig auf den Kopf stellt, malte sich ein Panel-Teilnehmer hypothetisch aus. Wie gesagt, nicht als Prognose, sondern als Hypothese, einfach um kenntlich zu machen, wie „fluid“ die Welt in Sachen Quantentechnologie und vor allem Quantencomputerei (immer noch) ist.

Mehr auf dem Boden heutiger Fakten und Daten waren die praktisch einhelligen Einschätzungen der guten (wenn nicht sogar teilweise führenden) Position der deutschen und europäischen Quantentechnologie-Ergebnisse im weltweiten Vergleich. Professor Dieter Kranzlmüller, Leiter des gastgebenden Leibniz-Rechenzentrums in Garching, berichtete von seinen Erfahrungen auf einer kürzlichen Tagung in den USA, wo man „deutsche und europäische Entwicklungen beim Zusammenspiel von traditionellem Hochleistungsrechnen und Quantencomputing für führend auf der Welt“ gehalten habe. Speziell habe man dabei immer wieder die finnisch-deutsche Firma IQM erwähnt - ein Partner für die Quanten-Computing-Forschung des LRZ.

„Derzeit bringen vor allem Plattformen wie Amazon Braket Quantencomputing in die Praxis“

Dass man in Europa trotz dieser erfreulichen Erfolge „auf dem Teppich“ bleiben sollte, darin waren sich alle Gesprächsteilnehmer einig. Derzeit seien nämlich auch in Sachen Quantencomputing die großen Cloud-Anbieter (allen voran Amazon AWS und Microsoft Azure) mit ihren Plattformen die dominierenden Faktoren bei den praktischen Anwendungen.

„Die machen das wirklich gut und absolut professionell; so kann beispielsweise eine Plattform wie Amazon Braket mit ganz verschiedenen Hardware-Ausprägungen von Quantencomputing zusammenspielen; das ist wirklich sehr hilfreich“, äußerte beispielsweise Manfred Rieck, einer der Referenten und so etwas wie der Quantencomputer-Guru bei DB Systel, der IT-Tochter der Deutschen Bahn.

Das Panel war sich einig, dass eine solche Cloud-Plattform letztlich das entscheidende Bindeglied ist, um technologische Vorsprünge, wie sie in Deutschland und Europa zweifellos vorhanden seien, in weltweit spürbare wirtschaftliche Vorteile umzusetzen. Zwar gebe es bei dem Kooperationsnetzwerk „PlanQK“ in Deutschland eine solche Cloud-Plattform, aber diese sei im Moment nicht wirklich kommerzialisiert und habe wohl auch ihren Schwerpunkt eher auf dem Transfer von der Forschung in die Praxis.

Eine kleine Faktenergänzung jenseits der Panel-Diskussion sei zu diesem Thema gestattet: Es gibt durchaus auch kommerzielle Angebote in Europa auf diesem Feld. Der Autor denkt beispielsweise an die Kooperation der Quantencomputer-Software-Spezialisten von Terra Quantum und dem Cloudcomputing-Anbieter QMWare, einem Gemeinschaftsunternehmen von Terra Quantum mit dem HPC-Spezialisten Novarion. Dieses Angebot wurde schon mehrmals auf diesem Fachportal vorgestellt.

Quantentechnologie ist viel mehr als Quantencomputing

Nun ist der Quantenrechner (wenn er als Anwendungsbeispiel auch meist im Mittelpunkt steht) nur eine von mehreren technologischen Feldern, auf denen die trickreiche Manipulation von molekularen, atomaren oder auch subatomaren Teilchen in Technikpraxis umgesetzt wird. Bereiche, in denen diese praktische Umsetzung schon viel weiter ist als beim Quantenrechnen, sind die Messtechnik, hier speziell die Sensorik, sowie die Quantenkommunikation und hier speziell die Quantenkryptografie (QKD alias Quantum Key Distribution). In diesen Bereichen sind Deutschland und Europa wirklich auch praktisch und kommerziell sehr gut aufgestellt, das war die einhellige Meinung auf dem Podium.

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Nicht umsonst war mit Dr. Michael Förtsch, CEO der Stuttgarter Firma Qant, ein „Quanten-Sensorik-Crack“ mit einem Impulsreferat betraut. Förtsch skizzierte in kurzen Worten, wie durch „Quantisierung“ die etablierte Branche der Magnetfeldsensoren in ganz neue Bereiche vordringe, so etwa in die Mensch-Maschine-Kopplung, was enorme praktische Bedeutung beispielsweise für die kurative Behandlung behinderter Menschen habe, etwa bei der Herstellung intelligenter Prothesen.

Leider war eine reine Herrenriege auf dem Podium

Zwei Bemerkungen zum Schluss: Aufschlussreich für den Berichterstatter war es, dass der Quantentechnologie-Praktiker Förtsch in Deutschland keine größeren Probleme bei der Beschaffung von Investitionskapital für einschlägige Firmengründungen sah - natürlich könne alles noch besser werden - und in sympathischer Weise an den Durchhaltewillen etwaiger Firmengründer appellierte: „Nicht gleich, wenn das Geschäft anspringt, Kasse machen und an einen großen Konzern verkaufen“.

Ein anderes Informationsschnipsel, das der Berichterstatter von dem Abend mitnahm, war die mehrheitlich im Panel und im Auditorium herrschende Überzeugung, dass der Frauenanteil in der Quantentechnologie relativ hoch ist, jedenfalls deutlich höher als in vielen anderen technischen Disziplinen. Blöd nur, dass diese erfreuliche Entwicklung sich auf dem Podium überhaupt nicht widerspiegelte.

Dort war eine reine Herrenriege zu sehen. Auch Judith Gerlach, die Staatsministerin für Digitales, konnte dieses Bild nicht korrigieren, sie ist Juristin.

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