Von Microsoft daheim zu Microsoft in der Cloud umziehen Migration zu Exchange Online: Spaziergang oder Kraftakt?
Die Cloud ist verlockend, und der Umstieg auf Exchange Online scheint einfach zu sein. Doch in der Praxis lauern zahlreiche Stolpersteine. Wie sich die vermeiden lassen, beschreibt Julian Wendt*.
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Ab in die Cloud heißt heute die Devise in vielen Unternehmen. Ein erster Schritt ist oft die Auslagerung von Exchange in die Cloud – und die Vorteile davon werden schnell sichtbar. Mitarbeiter können damit auch von unterwegs aus auf ihr Postfach zugreifen, ohne das Firmennetz zu belasten. Administratoren sparen Zeit, denn das Management der eigenen Infrastruktur wird deutlich einfacher. Schließlich kümmert sich Microsoft um den reibungslosen Betrieb, Patches und Updates. Unternehmen haben damit stets die aktuelle Version und können neue Funktionen bereits nutzen, bevor sie On-Premise verfügbar sind. Zudem erleichtert Exchange Online die Zusammenarbeit, weil das System mit anderen Office 365 Features wie Groups oder Teams eng verzahnt ist.
Auf den ersten Blick scheint die Migration der Postfächer in die Cloud keine große Herausforderung zu sein: Einfach eine Verbindung zwischen der lokalen Infrastruktur und Exchange Online herstellen, und schon kann es losgehen. Doch in der Praxis funktioniert dies selten so reibungslos. Oft gerät der Umzug ins Stocken, oder Anwender ärgern sich über lästige Fehlermeldungen – etwa, weil sie plötzlich nicht mehr auf freigegebene Ordner zugreifen oder den Kalender ihres Vorgesetzten nicht mehr bearbeiten können.
Vorsicht vor Stolpersteinen
Ein häufiges Problem sind in Vergessenheit geratene Domains. Wenn diese in Exchange On-Premise Mailboxen zugeordnet sind, die Domains aber nicht auch in Exchange Online eingerichtet sind, schlägt die Migration fehl. Administratoren sollten deshalb vorab prüfen, welche Domains sie benötigen. Auch wenn eine E-Mail nicht mehr lesbar ist, weil etwa das Format zerstört wurde, wertet Exchange Online dies als Fehler. Standardmäßig bricht die Migration bei zehn sogenannten korrupten Items ab. Man kann diesen Wert jedoch nach oben korrigieren. Noch besser ist es allerdings, Postfächer vorab zu bereinigen.
Auch verwaiste Berechtigungen machen oft Schwierigkeiten bei der Migration. Nutzer können in Exchange zum Beispiel einzelne Ordner oder ihr ganzes Postfach für einen Kollegen freigeben. Verlässt dieser Kollege das Unternehmen, wird sein Benutzer-Account vielleicht gelöscht. Die eingerichteten Berechtigungen im Postfach bleiben jedoch erhalten. Zieht man dieses Postfach nun nach Exchange Online um, erkennt das System, dass die Berechtigung ins Leere läuft, und wertet dies als Fehler.
Vorbereitung und Pilotphase
Um solche Probleme zu vermeiden, sollten Administratoren mögliche Schwachstellen bereits im Vorfeld identifizieren und bereinigen. Außerdem ist es wichtig, die Fachabteilungen frühzeitig mit einzubeziehen. Nutzen sie vielleicht Anwendungen, die automatisiert E-Mails verschicken? Solche Abhängigkeiten gilt es vor der Migration zu klären, damit man sie schon bei der Konzeption berücksichtigen kann.
Vor der eigentlichen Migration sollte zudem eine Pilotphase stattfinden. Dafür wählt man zunächst eine Gruppe von experimentierfreudigen Anwendern aus und zieht diese schon einmal zu Exchange Online um. Sie testen das neue System in ihrem Arbeitsalltag und geben Feedback. Erhalten sie irgendwelche Fehlermeldungen? Gibt es Probleme beim Zugriff auf bestimmte Funktionen? Das Projektteam kann dann entsprechend reagieren. Es empfiehlt sich, die Pilotgruppe möglichst breit gestreut aus Anwendern verschiedener Abteilungen mit unterschiedlichem Erfahrungs-Level zusammenzustellen. Die Größe sollte dem Unternehmen angemessen sein, aber 50 Personen nicht überschreiten, damit der Aufwand überschaubar bleibt.
So funktioniert der Migrationsprozess
Nach erfolgreicher Pilotphase kann die flächendeckende Migration beginnen. Dabei empfiehlt es sich, einen standardisierten Ablauf einzuhalten. Dieser könnte zum Beispiel so aussehen:
1. Auswahl der zu migrierenden Postfächer
Welche Postfächer müssen unbedingt zusammen umgezogen werden? Gibt es Mailboxen, die vielleicht aus Datenschutzgründen nicht in die Cloud dürfen? Solche Fragen stehen am Anfang. Daraus bildet man Gruppen und legt die Reihenfolge fest, in der sie migriert werden sollen. Eine wichtige Rolle spielen die Berechtigungen in den Postfächern. Hat ein Anwender zum Beispiel einen Ordner für einen Kollegen freigegeben, muss auch die Mailbox dieses Kollegen zeitgleich migriert werden. Solche Verflechtungen gilt es zu berücksichtigen, sonst funktionieren die Berechtigungen nach dem Umzug nicht.
2. Prüfung der Migrationsvoraussetzungen
Reicht die Bandbreite aus, damit alle Mitarbeiter gleichzeitig auf Exchange Online zugreifen können? Administratoren sollten vor der Migration prüfen, ob das Netzwerk ausreichend dimensioniert ist, um auch alle ausgehenden Client-Verbindungen bearbeiten zu können. Sonst kommt es später zu Verbindungsabbrüchen.
3. Versand von wichtigen Informationen und Migrationsdatum
Mitarbeiter möchten einbezogen werden und das Gefühl haben, dass ihre Sorgen gehört werden. Deshalb sollte man sie rechtzeitig über die anstehende Migration informieren. Wichtige Fragen sind zum Beispiel: Wann werde ich migriert? Was ändert sich? Wo bekomme ich Hilfe, wenn etwas nicht klappt? Was habe ich für Vorteile im neuen System und was geht vielleicht nicht mehr? Empfehlenswert ist eine Benachrichtigung etwa vier Wochen vor der Migration.
4. Vorbereitende Schritte, eventuell durch Ausführung von Scripts
Jetzt geht es darum, mögliche Probleme zu identifizieren und zu bereinigen. Dazu zählen zum Beispiel die oben genannten verwaisten Berechtigungen, korrupte Items oder nicht verfügbare Domains. Für größere Unternehmen, die mehrere tausend Postfächer verwalten, empfiehlt es sich, diesen Schritt über Scripts zu automatisieren. Ein spezialisierter Dienstleister kann dabei unterstützen.
5. Versand einer Migrationserinnerung
Gute Kommunikation ist wichtig und schafft Vertrauen. Eine E-Mail an die Mitarbeiter erinnert sie noch einmal an die bevorstehende Migration.
6. Durchführung der Migration
Jetzt kann die eigentliche Migration beginnen. Für große Unternehmen mit mehreren tausend Postfächern ist es empfehlenswert, den Migrationsprozess so weit wie möglich zu automatisieren. Das spart nicht nur Zeit, sondern bringt auch mehr Sicherheit. Denn je mehr automatisiert abläuft, desto geringer ist die Fehleranfälligkeit.
7. Zuweisen eines neuen Mail-Profils
Nach der Migration kann es erforderlich sein, ein neues Mail-Profil auf mobile Endgeräte zu übertragen. Viele Unternehmen administrieren Smartphones und Tablets über ein Mobile Device Management. Dieses richtet auch das Mail-Profil auf den Mobilgeräten ein. Automatisiert man das Zuweisen des neuen Mail-Profils, können Nutzer nach der Migration schneller wieder vom Smartphone aus auf ihre E-Mails zugreifen.
8. Benachrichtigung über den Abschluss der Migration
Ist die Migration abgeschlossen, erhalten die Mitarbeiter erneut eine E-Mail-Benachrichtigung.
Automatisierung reduziert Fehler
Ob ein Projekt erfolgreich ist, hängt erfahrungsgemäß von der Zufriedenheit der Mitarbeiter ab. Dies lässt sich in der Regel nur durch gute Planung, Organisation und Kommunikation erreichen. Gerade für größere Unternehmen mit vielen Mailboxen empfiehlt es sich, die komplette Exchange-Online-Migration von der Auswahl der Gruppen bis zum Ausrollen des neuen Mail-Profils zu automatisieren. Dadurch sparen sie Zeit und reduzieren Fehlerquellen. Spezialisierte Dienstleister können dabei wesentlich unterstützen und individuelle, auf die Unternehmensprozesse abgestimmte Automatisierungslösungen entwickeln. So wird die Exchange-Online-Migration eher zum Spaziergang.
* Julian Wendt ist Microsoft Consultant bei Axians IT Solutions.
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