Vorzeigbar - in China und hierzulande Huawei: Prestige und Schreckgespenst
Für die US-Regierung ist Huawei eine „Bedrohung der nationalen Sicherheit”, im Heimatland China ein Vorzeige-Unternehmen für die eigenständige technologische Entwicklung. Eine China-Reise erlaubte die Annäherung an den chinesischen IT-Giganten. Und wie sieht die Entwicklung in Deutschland aus?
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Mit mehr als 100 Milliarden Dollar Jahresumsatz im Geschäftsjahr 2018 gehört Huawei zu den führenden chinesischen IT-Unternehmen und zu den größten Ausstattern von Telekommunikationsunternehmen weltweit. Das, und wohl auch der Fokus auf eine eigenständige technische Entwicklung, machten Huawei im Mai dieses Jahres zum perfekten Ziel im Handelskrieg zwischen den USA und China.
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Eigentlich ist Android doch Open Source?
Google versus Huawei: Technologie als Faustpfand
Mit dem Argument, Huawei stelle eine „Bedrohung für die nationale Sicherheit” der USA dar, schnitt die Trump-Administration den chinesischen Konzern von der Nutzung US-amerikanischer Technologie und dem Zugang zum US-Markt ab. Dass es hier eher nicht um Sicherheitsbedenken ging, zeigt schon der Umstand, dass ein Teil der Einschränkungen derzeit ausgesetzt ist und Trump bei einem Treffen mit den Chefs von US-Technologie-Unternehmen zugesagt hatte, dass diese wieder mit Huawei Lizenzverträge schließen dürfen. Denn nicht nur Huawei, sondern auch US-Unternehmen wie Intel, Qualcomm oder Western Digital leiden unter den Beschränkungen, da ihnen Großaufträge entgehen.
Genossenschaft mit starkem Fokus auf Forschung und Entwicklung
Dass Huawei wohl nicht so schnell einknicken wird, wie im vergangenen Jahr ZTE, zeigt aber schon die schiere Größe des Unternehmens, von dem sich die Redaktion im Rahmen einer Pressetour nach Shenzhen, Dongguan, Shanghai und Nanjing überzeugen konnte. Allein das Hauptquartier in Shenzhen belegt eine Fläche von rund zwei Quadratkilometern. Das Gelände ist zu einem erheblichen Teil mit relativ niedrigen Gebäuden belegt, die in einer ausgedehnten Parklandschaft liegen.
Die Gestaltung war ebenso Wunsch des Huawei-Gründers Ren Zhengfei, wie die Anlage eines großen Teichs für die schwarzen Schwäne, die seine Lieblingstiere sind. Der 1944 geborene Ren hält zwar offiziell nur etwa 1,4 Prozent der Anteile am Unternehmen, ist aber seit der Gründung 1987 im Direktorium der Firma und mit einem Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen ausgestattet.
Der Großteil des Unternehmens gehört über den Umweg einer Genossenschaft den chinesischen Angestellten, die ab einer gewissen Hierarchiestufe leistungsbezogen Anteile erhalten. Diese Anteile werden nicht an der Börse gehandelt und müssen beim Ausscheiden aus dem Unternehmen wieder an Huawei zurück verkauft werden. Unklar ist allerdings, welchen Einfluss die Anteilseigner auf die Firmenleitung nehmen können.
Ein guter Teil der im im Hauptquartier beschäftigten etwa 40.000 Mitarbeiter ist in der Forschung und Entwicklung tätig. Laut Fan Jie, Director des Storage Technical Sales Department bei Huawei Enterprise, rangiert der Konzern bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung weltweit auf Platz sechs hinter VW, Alphabet, Microsoft und Intel (siehe aus Kasten: „Huawei in Deutschland - Arbeitgeber, Investor und Verdiener“). Weitere große Entwicklungszentren sind in Shanghai und in Dongguan angesiedelt, am dortigen Ox Horn Campus wird noch gebaut. Dazu kommen noch kleinere Standorte außerhalb Chinas.
Insgesamt arbeiten laut Fan etwa 80.000 der 180.000 Beschäftigten von Huawei im Entwicklungssektor. Etwa 600 davon werden allerdings demnächst ihren Arbeitsplatz räumen, da der Hersteller seine US-amerikanische Forschungs-Dependance Futurewei nur noch mit einer 250-köpfigen Notbesetzung weiterführt.
Huaweis „Plan B”
Beim Umsatz machen inzwischen Smartphones und andere Consumer-Produkte mit 45 Prozent den Löwenanteil aus, gefolgt vom Carrier-Geschäft mit etwa 40 Prozent. Der für den IT-Channel relevante Enterprise-Business-Sektor liegt derzeit bei etwa zehn Prozent. Etwa 55 Prozent des Gesamtgeschäfts macht Huawei in China. EMEA ist mit 28 Prozent der wichtigste Exportmarkt. Nord- und Südamerika machen nur 6,6 Prozent aus (siehe: Kasten).
So sind die Einschränkungen beim Erwerb von US-Technologie für Huawei auch gravierender als der Exportstopp in die USA. Der Konzern forciert daher die Entwicklung eigener Chips und anderer Komponenten, um von US-Anbietern unabhängiger zu werden. Huaweis Deutschlandchef David Wang, der parallel zur Presstour gerade im Shenzhen-Headquarter weilte, nennt das den „Plan B” für den Konzern, auch wenn man weiter gerne Geschäfte mit Herstellern in den USA macht.
Wang stellte klar, dass er die Verantwortung für die aktuellen Probleme klar bei der US-Regierung sieht. Als Beispiele für Huawei-Eigenentwicklungen wurden bei der Pressetour etwa der Server- und Storage-Prozessor Kunpeng 920 mit 64 ARM-Cores, der AI-Chip Ascend 310 oder die selbst entwickelten SSD-Controller sowie Netzwerkchips präsentiert.
Zu Android hat die Firma allerdings derzeit wohl keine echte Alternative. Das von Huawei dafür angekündigte Hongmeng OS wurde ursprünglich nur für IoT-Geräte mit eingeschränktem Funktionsumfang konzipiert und kommt nun als HarmonyOS auf dem 4K-Smart-TV Honor Vision TV zum Einsatz. Prinzipiell soll das offene Betriebssystem auf Smartphones laufen und dort auch Android-Apps ausführen, aber das löst für Huawei bei Geräten für Exportmärkte nicht das Problem des fehlenden Zugangs zum „Google Play Store“. Daher will der Konzern für die Entwickler von Apps für HarmonyOS ein milliardenschweres Förderprogramm auflegen.
Trotz der Restriktionen konnte Huawei im zweiten Quartal des Jahres beim weltweiten Smartphone-Verkauf um 8,3 Prozent zulegen, da das Plus im chinesischen Markt den Rückgang in Europa und den USA mehr als ausgleichen konnte. Über alle Geschäftsbereiche hinweg meldete das Unternehmen für das erste Quartal 2019 ein Wachstum von 39 Prozent gegenüber dem Vorjahr, das zu einem guten Teil auf das Konto des Carrier-Geschäfts mit 5G-Infrasturktur geht. Im zweiten Quartal soll sich das Wachstum allerdings laut Informationen des Handelblatts verlangsamt haben.
In einem internen Memo vom Huawei-Gründer Ren, das dem Medienportal Bloomberg zugespielt wurde und dessen Echtheit Huawei bestätigte, räumt Ren allerdings ein, dass Huawei durchaus unter dem Angriff gelitten hat und Konsequenzen ziehen muss. „Zwei Geschosse, die auf unsere Consumer Business Group abgefeuert wurden, haben unglücklicherweise die Öltanks getroffen”, so Ren in dem Memo. Der Konzern müsse sich daher unter schwierigen Bedingungen neu aufstellen und „eine unbesiegbare eiserne Armee schaffen, die uns helfen kann, den Sieg zu erlangen.” Der militärische Duktus des Memos erklärt sich wohl daraus, dass Ren vor der Gründung von Huawei als Ingenieur bei der chinesischen Volksbefreiungsarmee tätig war.
Führend bei 5G
Mindestens ein Jahr Vorsprung hat Huawei bei der 5G-Technologie gegenüber dem Mitbewerb, so Jörg Karpinski, Sales Director Deutschland bei dem Hersteller. Für 5G hat Huawei ein End-to-End-Portfolio entwickelt, das von Massive-MIMO-Antennen bis hin zu 5G-Smartphones reicht. Beim Smartphone „Mate 20 X 5G“ läuft im Werk in Dongguan auf hochautomatisierten Fertigungs- und Testlinien bereits die Massenproduktion.
Dort ist auch das Cyber-Security-Labor des Herstellers angesiedelt, in dem 137 Tester der Soft- und Firmware von Huawei-Produkten zu Leibe rücken. Die von dem Briten John Suffolk geleitete Abteilung ist direkt dem CEO unterstellt und verfügt über das Recht, Produkteinführungen zu stoppen, wenn Sicherheitsprobleme gefunden werden.
Fehlerfrei ist die Software natürlich trotzdem nicht, ebenso wenig wie die anderer Hersteller. Aber Beweise für bewusst eingebaute Backdoors in Huawei-Produkten konnte bisher noch niemand vorlegen. Die Firma wehrt sich vehement gegen entsprechende Vorwürfe und wäre auch bereit, Netzwerkprodukte im Rahmen von No-Spy-Abkommen untersuchen zu lassen.
Karpinski war im Rahmen der Acondistec Partner Tour 2019 in China unterwegs. Der Huawei-VAD Acondistec ist der wichtigste deutsche Distributor für die IT-Produkte der Chinesen. Die teilnehmenden Partner konnten nicht nur die Huawei-Standorte in Shenzhen und Dongguan besichtigen, sondern auch an Workshops im Training Center teilnehmen. Sie zeigten sich jedenfalls überzeugt davon, dass Huawei für sie ein verlässlicher Partner ist und nur Opfer in einem Handelsstreit wurde.
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