Quantencomputing lässt Disruptionen erwarten Hoffnungen, steigende Investitionen und Kommerzialisierung lassen die Quantenbits tanzen

Redakteur: Ulrike Ostler |

Quantencomputer dürften im kommenden Jahrzehnt zunehmend Einfluss auf Unternehmen und ihre Geschäftsmodelle gewinnen, so eine aktuelle Rolond-Berger-Studie. Das heißt: Quantentechnologie verursacht Disruptionen, Optimierungsprobleme bilden die ersten Einsatzfelder, Automotive, Pharma und Chemie sind die frühen Profiteure und erste Märkte existieren schon.

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Weder gibt es ausreichend leistungsstarke Quantencomputer bereits im nächsten Jahr, noch dauert es 20 Jahre, bis die neue Technologie im Unternehmensalltag ankommt? Beides ist unwahrscheinlich. Wie gehen Unternehmen damit um und wie sollten sie, das ist der Inhalt der Roland-Berger-Studie.
Weder gibt es ausreichend leistungsstarke Quantencomputer bereits im nächsten Jahr, noch dauert es 20 Jahre, bis die neue Technologie im Unternehmensalltag ankommt? Beides ist unwahrscheinlich. Wie gehen Unternehmen damit um und wie sollten sie, das ist der Inhalt der Roland-Berger-Studie.
(Bild: © Jackie Niam - stock.adobe.com)

Für die Studie hat die Unternehmensberatung Roland Berger europaweit 110 Führungskräfte aus unterschiedlichen Branchen befragt. Die Mehrheit erwartet signifikante Veränderungen durch die ultraschnelle Rechentechnologie, entweder weil sie den digitalen Wandel zusätzlich beschleunigt, so 42 Prozent, oder weil sie neue Disruptionen auslöst. Das sagt mehr als ein Fünftel, 23 Prozent.

Die Roland-Berger-Studie frag, wie Führungskräfte das Quantencompting beurteilen. Das Ergebnis: Interessant, aber noch weit weg.
Die Roland-Berger-Studie frag, wie Führungskräfte das Quantencompting beurteilen. Das Ergebnis: Interessant, aber noch weit weg.
(Bild: Roland Berger)

Die Folge: Rund 63 Prozent wollen das Thema daher künftig bei strategischen Überlegungen stärker berücksichtigen.

Noch ist es aber nicht soweit. Bisher spielt die Quantentechnologie in der Agenda der Unternehmenslenker eine untergeordnete Rolle: Nur 8 Prozent der Befragten beziehen den erwarteten Wandel bereits dezidiert in ihre Planungen mit ein. Weitere 35 Prozent geben an, dass sie die Entwicklung zumindest im Auge behalten.

Martin Streichfuß, Partner von Roland Berger und einer der Studienautoren, kommentiert: „Die Zurückhaltung ist verständlich; denn der kommerzielle Nutzen der Quantencomputer wird noch einige Zeit auf sich warten lassen.“ Dennoch halte Roland Berger es für sinnvoll, sich bereits frühzeitig mit der neuen Technologie und ihren potenziellen Anwendungen zu befassen. „Dass die Mehrheit unserer Umfrageteilnehmer dies auch vorhat, ist daher ein gutes Signal“, so Streichfuß.

Aus Sicht der Roland Berger-Experten sind vor allem vier Einsatzbereiche der ultraschnellen Rechner kommerziell relevant:

  • erstens die Lösung von Optimierungsproblemen, für die klassische Computer oft sehr lange brauchen,
  • zweitens Simulationen komplexer Strukturen,
  • viertens das Thema Kryptografie.

Automobil-, Pharma- und Chemiebranche dürften profitieren

Welche Industrien am ehesten Nutzen aus den neuen Rechenmöglichkeiten ziehen werden, hängt laut Studie vor allem von der Datenintensität des jeweiligen Geschäftsmodells ab: „Entscheidend sind die Menge der Daten, ihre Vielfalt und die erforderliche Verarbeitungsgeschwindigkeit,“ sagt Frederik Hammermeister, Partner bei Roland Berger. „Wir erwarten, dass vor allem die Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten des verarbeitenden Gewerbes vom Quantencomputing profitieren werden, also etwa die Auto-, Pharma- und Chemieindustrie, aber auch die Finanz- und Transportbranche.“

In der Roland-Berger-Studie heißt es: „Euphorie unter Risikokapitalgebern: Die Anzahl der Venture-Capital-Deals steigt und steigt."
In der Roland-Berger-Studie heißt es: „Euphorie unter Risikokapitalgebern: Die Anzahl der Venture-Capital-Deals steigt und steigt."
(Bild: CB Insights)

Die Studienmacher zählen auf: Quantencomputer könnten helfen, die chemischen Abläufe im Innern von Batterien zu simulieren und so den Bau effizienterer Akkus für Elektroautos ermöglichen. Sie könnten das Training von Software, Künstlicher Intelligenz und Maschinenlernprozessen auf ein neues Niveau heben und dabei Anwendungen wie das autonome Fahren oder die automatische Erkennung von Krankheiten wie Krebs verbessern. Des Weiteren könnten sie in der Finanzbranche helfen, komplexe Optimierungsprobleme zu lösen, die aktuell selbst den größten Superrechnern zu schaffen machen.

Auch die Arbeit mit Chemikalien und Wirkstoffen ließe sich revolutionieren: „Was heute oft jahrelange Laborarbeit erfordert, zum Beispiel die Ermittlung von Molekülstrukturen oder die Analyse ihrer Eigenschaften, könnte mit Simulationen mittels Quantencomputer in einem Bruchteil der Zeit stattfinden,“ sagt Studienautor Alexander. „Damit würde die Entwicklung neuer Medikamente oder Materialien enorm beschleunigt und vereinfacht.“

Massive öffentliche und private Investitionen

Wann der technologische Durchbruch im Bereich Quantencomputing gelingt, kann niemand seriös vorhersagen. Trotzdem entwickelt sich derzeit ein interessantes Marktumfeld für die Technologie. Das liegt unter anderem an sehr hohen öffentlichen Fördergeldern: Insgesamt 22 Milliarden Euro geben Staaten weltweit für Forschungsprogramme zu Quantentechnologien aus, am meisten China (10 Milliarden), Deutschland (3,1 Milliarden) und Frankreich (1,6 Milliarden). Denn Quantentechnologie gilt als kritische Infrastruktur.

Das inspiriert auch private Geldgeber: Die Anzahl der Venture-Capital-Transaktionen im Bereich der Quantenanwendungen hat ebenfalls einen historischen Höchststand erreicht - ein Indiz dafür, dass immer mehr Investoren in nicht allzu ferner Zukunft mit einem kommerziellen Einsatz rechnen.

Für Unternehmen heißt das, die Fortschritte und Meilensteine sehr genau zu beobachten und Szenarien über potenzielle Auswirkungen der Quantentechnologie auf das eigene Geschäft zu entwickeln. Streichfuß warnt: „Bei aller Unsicherheit über das Wann und Wie der Quantentechnologie: Unserer Meinung nach sollten Unternehmen sich dringend damit beschäftigen. Jeder, der in seinem Unternehmen schon einmal ein umfassendes Transformationsprogramm angestoßen hat, weiß: Veränderungen brauchen Zeit. Wer rechtzeitig anfängt, kann Wettbewerbsvorteile für sich schaffen.“

Wer den Anschluss nicht verpassen will, sollte deshalb bereits jetzt eine entsprechende Quantenstrategie ausarbeiten.

Roland Berger: Quantencomputer | Wann kommt der Durchbruch

Die Studie empfiehlt vier Schritte:

  • 1. Den technischen Fortschritt genau beobachten und schnell handeln
  • 2. Strategisch wichtige Partner an Bord holen
  • 3. Die IT-Infrastruktur für das Quantenzeitalter aufrüsten
  • 4. Die Fantasie schweifen lassen und das eigene Geschäftsmodell
  • 5. hinterfragen

Die Roland-Berger-Studie „Quantencomputer | Wann kommt der Durchbruch?“ zum Download

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