Mit Elektrobit zu Gast in der Equinix Digital Data Garage Auf Testfahrt zum Turnschuhnetzwerk
Für die Zukunft selbstfahrender Autos produzieren Entwicklungsfahrzeuge bereits heute Messdaten von bis zu einhundert Terabyte am Tag. Pro Testwagen. In solch einen sind wir eingestiegen und haben die aufgezeichneten Informationen auf den Weg ins Rechenzentrum begleitet.
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Es ist ein freundlicher Herbsttag im November 2019, als wir zu Thomas Gölz und Sebastian Weik ins Auto steigen. Die beiden Mitarbeiter der Elektrobit Automotive GmbH haben Datacenter-Insider zu einer Testfahrt durch Frankfurt eingeladen (siehe: Video). Undeb das in einem Passat, den wir beinahe genau so auch bei jedem VW-Händler der Republik hätten kaufen können.
Beinahe. Denn bereits von außen erkennen selbst Laien zusätzliche Komponenten, die an der Karosserie angebracht sind. Vor der Motorhaube und an der hinteren Stoßstange sind dunkle Zylinder befestigt, die sich später als LIDAR-Sensoren herausstellen. Die pilzartigen Antennen auf dem Dach gehören derweil zum Differential Global Positioning System.
Millionen von Kilometern
All diese Messgeräte und eine zusätzlich installierte Kamera erfassen Unmengen an Umgebungsdaten, die in die Entwicklung von Assistenzsystemen und selbstfahrenden Autos einfließen. Bevor etwa ein Spurwechselassistent auf den Markt kommt, muss der seine Verlässlichkeit mit 150 Millionen unfallfrei gefahrenen Testkilometern beweisen. 95 Prozent davon lassen sich zwar per High Performance Computing simulieren; dennoch bleiben 7,5 Millionen Kilometer übrig, die unter realen Bedingungen mit echten Fahrzeugen gefahren werden müssen.
Zu diesen zählt unser Passat. Dessen Kofferraum ist vollgestopft mit Technik von Elektrobit. Die vollständige Tochter der Continental AG unterstützt Automobilbauer mit Software und Systemen dabei, Fahrzeuge automatisierter, nutzerfreundlicher und vernetzter als bisher zu gestalten. Die Zahl dabei anfallender Daten können die Experten genauestens beziffern.
In einer einzigen Sekunde produziert...
- das GPS circa 50 Kilobyte,
- ein Ultraschallsensor oder RADAR (RAdio Detection And Ranging) jeweils 10 bis 100 Kilobyte,
- eine Kamera 10 bis 50 Megabyte und
- ein LIDAR (LIght Detection And Ranging) zwischen 10 und 100 Megabyte.
Je nach Anzahl der Sensoren sammelt ein einziges Testfahrzeug so in Summe zwischen 10 und 100 Terabyte an Informationen täglich – entsprechend vervielfacht sich das Volumen bei Flotten die typischerweise mehrere hundert solcher Pkw umfassen. Anders als bei den an Endkunden ausgelieferten Serienfahrzeugen können diese Daten nicht zu großen Teilen verworfen werden. Stattdessen müssen die Messwerte effizient für weltweit verteilte Teams von Entwicklungsingenieuren bereitgestellt werden.
Interconnection und Datengravität
Solche Datenmengen lassen sich mit den im Feld verfügbaren Bandbreiten nicht praktikabel transferieren. Um etwa 85 Terabyte pro Tag zu übertragen, wäre eine direkte Leitung mit zehn Gigabit pro Sekunde(Gbit/s) und 90 Prozent Durchsatz nötig, überschlägt Klaas Mertens, Global Solutions Architect bei Equinix, einem Anbieter von Konnektivitätsdienstleistungen und Betreiber von Rechenzentren.
Eines dieser auf „Interconnection“ ausgerichteten Rechenzentren steht als Equinix IBX Data Center (IBX = International Business Exchange) in der Frankfurter Lärchenstraße. Kein Zufall, gilt Frankfurt doch als einer der bedeutendsten Netzwerkknotenpunkte weltweit.
Trotz zunehmend mobiler Anwendungen werden derlei zentrale Datenaustauschzentren auch künftig Bestand haben – glaubt Mertens und spricht dabei vom Konzept der Datengravität. Demnach neigen Informationen dazu, sich dort anzusammeln, wo bereits andere Daten vorhanden sind.
Ein Parkplatz vor dem Rechenzentrum
Insbesondere auch Elektrobit plagten in der Vergangenheit langsame Übertragungen in diese Datenzentren. Über eine Gigabitverbindung zum öffentlichen Internet habe es bislang knapp drei Monate gedauert, um die an einem Tag gesammelten Sensordaten von 30 Testfahrzeugen (je 19 TB) zu übertragen. Müßig zu erwähnen, dass dieser langwierige Transfer auch Entwicklungsprozesse bei Elektrobit ausgebremst hat.
Und aus diesem Grund parkt Thomas Gölz den Passat nach unserer Testfahrt auch nicht irgendwo, sondern direkt in der Lärchenstraße. Der Senior Software Engineer hat nämlich keineswegs vor, die während unseres Ausflugs gesammelten Datenmengen durch langsame Leitungen tröpfeln zu lassen.
Vielmehr steigt Gölz aus dem Wagen und öffnet den Kofferraum des Testwagens. Zur dort verbauten Hardware zählt die „EB Assist CAR Box“ (EB 9200) – ein Industrie-PC mit zahlreichen Schnittstellen für CAN, Flexray oder Ethernet.
Der Rechner speichert als Logging-System bis zu 16 TB der von den Fahrzeugsensoren generierten Daten auf einem wechselbaren SSD-Modul. Genau das löst Gölz und trägt es zu einem angemieteten Abteil im Equinix-Rechenzentrum „FR4“.
Innerhalb dieses nur für Elektrobit zugänglichen Cages hat die Continental-Tochter als Gegenstück einen weiteren EB 9200 aufgestellt. Diese Upload-Station nimmt das SSD-Modul auf und Daten über einen Link mit hoher Bandbreite sowie geringer Latenz entgegen. Im Anschluss würden relevante Daten hier validiert, über Direct Connects mit Datenraten von 700 MB/s zu einer auf Microsoft Azure basierenden Testplattform hochgeladen und somit zügig für Entwickler weltweit zugänglich. An einem Tag ließen sich jetzt also die Daten von 49 Fahrzeugen in die Cloud hochladen.
Alternativ könnten die Datenspeicher auch per Kurier in eines der über 200 Equinix-Rechenzentren verschickt werden. Techniker vor Ort würden dann im Rahmen der als „Smart Hands“ titulierten Services das Einspielen übernehmen.
Das Prinzip dieser Art von Offline-Vernetzung ist nicht neu. Scherzhaft als Turnschuhnetzwerk bezeichnet oder in eher humorvollen Requests for Comments (vgl. RFC 1149) beschrieben, gibt es schon seit einiger Zeit seriös gemeinte Speicher-Appliances, mit denen Daten offline zur Cloud transportiert werden. Hierzu zählen beispielsweise „Amazon Snowball“, „Azure Data Box“ oder Googles „Transfer Appliance“.
Eine digitale Garage für die Daten
Statt solcher dedizierten, als „Full Service“ angebotenen Appliance offeriert Equinix allerdings eine so genannte „Digital Data Garage“. Darunter versteht der Anbieter kundenspezifisch aufgesetzte Prozesse. Entsprechend individuell sind die Frequenz von Uploads, die verwendete Analyse-Plattform und Cloud sowie die genutzten Standorte. Und auch die von Elektrobit eingesetzten Wechselmedien sind kein Muss, um Daten in der „Digital Data Garage“ zu parken.
Für die Fahrzeugentwickler hat sich die Hardware aber offenbar bewährt. Und während die Daten noch zur Cloud hochgeladen werden, kann Götz das Equinix-Rechenzentrum so schon wieder mit einem geleerten Speicher in Richtung Passat verlassen – um hinter dem Lenkrad neue Testdaten für die autonomen Autos der Zukunft einzufahren.
Transparenzhinweis
Der Autor reiste auf Einladung und Kosten von Equinix nach Frankfurt.
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