Trends 2023 Vertiv: Von mehr Regulierung bis zum Metaverse

Von Ulrike Ostler |

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Rechenzentrumsexperten aus dem Hause Vertiv stellen fest: Der Fokus auf die Gesamtauswirkungen von Rechenzentren auf die Umwelt und die Gesellschaft verstärkt sich und gehört definitiv zu den fünf Branchentrends, die sie für das kommende Jahr ausgemacht haben.

Rechenzentren spielen eine wichtige Rolle in den Umwelt-, Sozial- und Governance-Strategien (ESG) der meisten Unternehmen, und eine besonders große Rolle in den Strategien von Unternehmen, die von Rechenzentren abhängig sind - und sie steigt noch. doch das ist nicht der einzige 2023er Trend, den Vertiv identifiziert.
Rechenzentren spielen eine wichtige Rolle in den Umwelt-, Sozial- und Governance-Strategien (ESG) der meisten Unternehmen, und eine besonders große Rolle in den Strategien von Unternehmen, die von Rechenzentren abhängig sind - und sie steigt noch. doch das ist nicht der einzige 2023er Trend, den Vertiv identifiziert.
(Bild: Vertiv)

451 Research schätzt, dass alle Rechenzentren in den USA - einschließlich Unternehmenseinrichtungen, Serverräume und -schränke, sowie Multi-Tenant- und Colocation-Einrichtungen - bereits im Jahr 2019 etwa 268 TWh an Energie verbraucht haben.

Das bedeutet, dass vor zwei Jahren Rechenzentren, Serverräume und -schränke rund 6,3 Prozent des Energieverbrauchs in den USA ausgemacht haben - das wäre eine Zahl, die um

35 Mal größer wäre als die in der Transportindustrie. Wenn die Rechenzentren und Serverräume in den USA ein eigenes Land wären, würde dieses Land bei Verwendung der Zahlen für 2019 mehr Energie verbrauchen als Mexiko.

Insgesamt dürften Rechenzentren heute für bis zu 3 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich sein und werden voraussichtlich bis 2030 einen Anteil von 4 Prozent erreichen. Die durchschnittliche Hyperscale-Anlage verbraucht jährlich 20 bis 50 Megawatt – theoretisch genug Strom, um bis zu 37.000 Haushalte zu versorgen.

Auch hierzulande wächst das Geschäft und der jetzige Energiebedarf der Rechenzentren wird auf 17 Terawattstunden (TWh) geschätzt. Giordano Albertazzi, Chief Operating Officer und President von Vertiv in Amerika, fasst zusammen: „Die Rechenzentrumsbranche wächst rasant, da immer mehr Anwendungen Rechen- und Speicherkapazität benötigen. Dies führt zu einem entsprechend schnellen Anstieg des Energie- und Wasserverbrauchs in Rechenzentren.“

Im Herbst dieses Jahres hatte Vertiv dazu einen Leitfaden veröffentlicht (siehe: Kasten. Nach Angaben von Vertiv ist der Ratgeber vor allem für Rechenzentrumsbetreiber gedacht, die die Umweltauswirkungen ihrer Einrichtungen reduzieren möchten.)

Der Vertiv-Leitfaden für Nachhaltigkeit in Rechenzentren

Einem Bericht der Internationalen Energie-Agentur zufolge entfällt etwa 1 bis 2 Prozent des weltweiten Strombedarfs auf Rechenzentren. Laut dem Bericht war die Branche aber in der Lage, die Auswirkungen des Kapazitätswachstums durch die Verbesserung der Betriebseffizienz auf den Gesamtenergieverbrauch vor 2020 zu begrenzen.

Im Jahr 2020 stieg der globale Internet-Traffic jedoch um mehr als 40 Prozent und Market Intelligence geht davon aus, dass der Bau von Rechenzentren in den nächsten fünf Jahren um durchschnittlich 13 Prozent jährlich zunehmen wird. Dieser Trend sowie der verstärkte Fokus darauf, Treibhausgasemissionen und Wasserverbrauch zu reduzieren, hat einige Betreiber dazu veranlasst, nach neuen Lösungen zu suchen, um die Auslastung der Anlagen zu erhöhen, verbleibende Ineffizienzen zu beseitigen, wasserintensive Kühltechnologien auslaufen zu lassen und ihre Abhängigkeit von kohlenstoffbasierten Energiequellen zu verringern.

Die Entwicklung in der Branche wurde von großen Hyperscale-Betreibern vorangetrieben, die sich das Ziel gesetzt haben, bis zum Ende des Jahrzehnts CO2-neutral oder CO2-negativ zu werden. Diese Betreiber übernehmen eine Vorreiterrolle bei der Weiterentwicklung von Technologien, die diese Ziele unterstützen und entwickeln einen Fahrplan für den Rest der Branche. Viele Co-Location-Anbieter gehen ebenfalls zu einem CO2-neutralen und wassersparenden Betrieb über, um die Nachfrage des Marktes nach Rechenzentrumsdienstleistungen, die die Umweltziele ihrer Unternehmenskunden unterstützen, zu bedienen. Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Unternehmen auch die Auswirkungen ihrer Rechenzentren vor Ort berücksichtigen.

Der Vertiv-Leitfaden zur Nachhaltigkeit von Rechenzentren soll Folgendes bieten:

  • Business Cases für die Reduzierung von Umweltbelastungen
  • Hilfe bei der Entwicklung der Rechenzentrumsinfrastruktur und ergänzender Technologien zur Unterstützung einer höheren Auslastung und des verstärkten Einsatzes von erneuerbaren Energien
  • Aufzegen, welche Ressourcen, Rahmenbedingungen und Messgrößen für die Umsetzung und Auswertung von Nachhaltigkeitsinitiativen es gibt
  • Best Practices für die Entwicklung und den Betrieb umweltfreundlicher Rechenzentren

Die Branche habe jedoch verstanden, dass eine deutliche Steigerung der Energie- und Wassereffizienz der Schlüssel für zukünftigen Erfolg und langfristiges Fortbestehen sei, so Albertazzi. Doch sei das Ende der Freiwilligkeit erreicht. „Zunehmende Regulierung ist unvermeidlich und wird zu wichtigen Innovationen in unserer Branche führen. Der Prozess mag nicht immer einfach oder linear sein.“

Auswirkungen des Chip-Designs

Die Fortschritte im Chipdesign und in der Fertigung, die den Stromverbrauch von Servern in den ersten anderthalb Jahrzehnten ab dem Jahr 2000 begrenzten, stießen in den letzten Jahren an ihre Grenzen. Es folgte ein sprunghafter Anstieg des Energieverbrauchs von Servern. In einem neuen Bericht mit dem Titel „Silicon heatwave: the looming change in data center climates“ verweist das Uptime Institute auf Daten der Standard Performance Evaluation Corporation (SPEC). Diese zeigen, dass der Stromverbrauch von Servern seit 2017 um 266 Prozent gestiegen ist.

Welche Auswirkungen das - auch positive - auf die Dimensionierung Bau von Rechenzentren haben kann, zeigt etwa der Artikel „3D-Chips lassen Rechenzentren schrumpfen; RZ-Planer Ulrich Terrahe: „80 Prozent der Datacenter sind viel zu groß“

Jedenfalls veranlasst der zunehmende Druck, der Nachfrage der Verbraucher nach Energie und Wassergerecht zu werden, Regierungen auf allen Ebenen, Rechenzentren und deren enormen Verbrauch genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Experten von Vertiv gehen davon aus, dass dies im Jahr 2023 zu einer verstärkten Kontrolle durch Regierungen führen wird. 

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In einigen Ländern ist dies bereits der Fall. In Dublin (Irland) und Singapur wurden Maßnahmen ergriffen, um den Energieverbrauch von Rechenzentren zu kontrollieren. Der Wasserverbrauch - insbesondere in Gebieten, die zu Dürreperioden neigen - wird wahrscheinlich eine ähnliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nach Angaben des US-Energieministeriums liegt die Wassernutzungseffizienz (WUE) eines durchschnittlichen Rechenzentrums, das Verdunstungskühlsysteme einsetzt, bei 1,8 Liter pro kWh.

Diese Art von Rechenzentrum kann 11 bis 18 Millionen Liter Wasser pro Tag verbrauchen – das entspricht dem Verbrauch einer Stadt mit 30.000 bis 50.000 Einwohnern. Zwar wird die Branche weiterhin Maßnahmen zur Selbstkontrolle und Reduzierung ergreifen - einschließlich der wachsenden Präferenz für umweltfreundliche Thermokonzepte - trotzdem wird 2023 die behördliche Regulierung zunehmen.

Modulares Design

Laut einer aktuellen Studie von Omdia geben 99 Prozent der Betreiber von Enterprise-Rechenzentren an, dass vorgefertigte, modulare Rechenzentrumsdesigns ein Teil ihrer zukünftigen Strategie sein werden. Das ist mehr als ein Trend – es ist die neue Normalität. Die Experten von Vertiv gehen davon aus, dass sich Hyperscaler im Jahr 2023 weiter in diese Richtung bewegen werden, da sie die Geschwindigkeit und Effizienz der Standardisierung nutzen wollen.

Für die weltweit führenden Cloud-Anbieter ist dies ein neueres Konzept. Sie wenden sich dafür an Co-Location-Anbieter, die schon seit Jahren standardisiert vorgehen, um dies zu realisieren. So lagern diese Cloud-Anbieter ihre neuen Anlagen an Co-location-Anbieter aus, um deren Markterfahrung, die bewährte Reproduzierbarkeit und die schnelle Bereitstellung zu nutzen.

In absehbarer Zeit wird die Standardisierung - von modularen Komponenten wie Stromversorgungs- und Kühlungsmodulen über Skids bis hin zu komplett vorgefertigten Anlagen - nicht nur für Unternehmen, sondern auch für den Hyperscale-Bereich und den so genannten Netzwerkrand zum Normalfall werden.

Dieselgeneratoren bekommen echte Konkurrenz

Dieselgeneratoren sind seit langem ein nicht perfekter, aber unumgänglicher Bestandteil des Datacenter-Ökosystems. Sie speichern Energie, die größtenteils ungenutzt bleibt.

Trotzdem müssen sie gewartet oder der Kraftstoff nach einer gewissen Zeit der Inaktivität ausgetauscht werden. Wenn sie dann doch in Betrieb genommen werden, erzeugen sie Kohlenstoffemissionen, die die Betreiber unbedingt vermeiden wollen. Einige Unternehmen verlassen sich schon jetzt auf Batterien für eine längere Lastunterstützung - in manchen Fällen bis zu fünf Minuten - und konzipieren ihre Rechenzentren mit einer minimalen Generatorleistung.

Dies sind Übergangsmaßnahmen, um die Rolle von Generatoren zu minimieren, während die Industrie nach anderen Optionen zur erweiterten Notstromversorgung sucht – einschließlich neuer Batterietechnologien. Die Experten von Vertiv gehen davon aus, dass sich im Jahr 2023 eine bevorzugte Alternative herauskristallisieren wird - nämlich Wasserstoff-Brennstoffzellen.

Diese Brennstoffzellen werden zunächst ähnlich wie ein Generator funktionieren, indem sie kurzzeitige Lastunterstützung bieten. Später könnten sie einen dauerhaften oder sogar kontinuierlichen Betrieb ermöglichen.

Höhere Dichte verändert thermische Strategien

Nachdem die Rack-Dichte jahrelang relativ statisch blieb, benötigen Rechenzentrumsbetreiber zunehmend Racks mit einer höheren Dichte. Laut der „2022 Global Data Center Survey“ des Uptime Institute gibt mehr als ein Drittel der Rechenzentrumsbetreiber an, dass ihre Rack-Dichte in den letzten drei Jahren rapide zugenommen hat. Dies gilt insbesondere für größere Enterprise- und Hyperscale-Rechenzentren, in denen fast die Hälfte der Betreiber von Einrichtungen mit einer Leistung von 10 MW und mehr angeben, dass ihre Racks mehr als 20 kW Leistung aufweisen. Laut 20 Prozent verbrauchen ihre Racks sogar mehr als 40 kW.

Dies deckt sich mit der Reife von flüssigkeitsgekühlten Server-Technologien und der zunehmenden Akzeptanz und Umsetzung dieser Systeme. Der oben erwähnte Anstieg des Stromverbrauchs von Servern entsteht durch den wachsenden Bedarf an schnellen Kapazitätserweiterungen, der die Betreiber vor umfassende Herausforderungen stellt. Dies lässt ihnen kaum eine andere Wahl, als die Grenzen bestehender Einrichtungen auszuloten.

Dies beinhaltet das Hinzufügen von Rechenleistung auf engem Raum, die Erhöhung der Rack-Dichte und die Erstellung der schon länger eingesetzten Wärmeprofilen, die eine Flüssigkeitskühlung erfordern. Die erste Welle erfolgreicher, effizienter und problemloser Implementierungen in Umgebungen mit hoher Speicherdichte hat jedoch den Beweis für dieses Konzept erbracht, der die Akzeptanz im kommenden Jahr fördern wird. Die Aufnahme der Direct-to-Chip-Kühlung in die neuen Standards OCP und Open19 wird diesen Trend noch beschleunigen.

5G trifft am Edge auf das Metaverse

Die Marktforscher von Omdia geht in seiner Prognose für Mobilfunkabonnements und -umsätze 2022 davon aus, dass fast die Hälfte aller Mobilfunkverträge - mehr als 5,8 Milliarden - bis 2027 auf 5G umgestellt werden. Damit rückt die Datenverarbeitung immer näher an den Nutzer heran.

Gleichzeitig ist das Metaverse eine Anwendung, die auf der Suche nach einem extrem dichten Computernetzwerk mit niedriger Latenz ist. Im Jahr 2023 werden sich diese beiden Bereiche überschneiden. Dabei werden die Metaverse-Implementierungen 5G-Netzwerke nutzen, um die von der Anwendung geforderten Funktionen mit extrem geringer Latenz zu ermöglichen.

Letztendlich benötigt dies eine höhere Rechenleistung an solchen 5G-Edge-Standorten, was schon bald der Fall sein wird - mit ersten Vorstößen im Jahr 2023, gefolgt von umfassenderen Implementierungen in den Jahren danach. Da der so genannte Netzwerkrand (Edge) immer komplexer wird, wird auch die zu seiner Unterstützung erforderliche Infrastruktur immer ausgereifter.

Dazu gehören Technologien wie künstliche Intelligenz und Virtual-Reality-Planungs- und -Management-Systeme sowie die verstärkte Einführung von Lithium-Ionen-USV-Systemen am Edge – ein anhaltender Trend, dessen Umsatzanteil nach Angaben von IDC von 2 Prozent im August 2021 auf 8 Prozent im August 2022 gestiegen ist.

Karsten Winther, President von Vertiv für Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA), erläutert: „In den letzten Jahren war das Thema Nachhaltigkeit der größte Schwerpunkt für die Rechenzentrumsbranche. Dies entspricht auch dem Fokus für 2023 auf eine stärkere Regulierung durch die Regierungen und das Interesse an alternativen Energiequellen."

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