Huawei und seine Firmenkultur Trotz Globalisierung hat der heimische Markt – noch - Vorrang

Autor / Redakteur: Kriemhilde Klippstätter / Ulrike Ostler

Bei uns kennt man Huawei in der breiten Öffentlichkeit allenfalls als einen weiteren Hersteller von Smartphones und anderen Mobilgeräten. Dabei hat sich das chinesische Unternehmen in nur 30 Jahren zum Allround-Anbieter von Kommunikations- und Digitaltechnik entwickelt und nimmt derzeit Platz 83 auf der Liste der Fortune Global 500 ein. Ein Besuch auf dem Firmen-Campus in Shenzhen, in der Freihandelszone nahe der Grenze zu Hongkong, hilft, den rasanten Aufstieg zu verstehen.

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Huawei steckt einen enormen Anteil des Umsatzes in Forchung und Entwicklung. Immer bedeutenden wird das B2B-Geschäft. Im Showroom von Shengzen ist etwa die erste visualisierte und integrierte Kommandozentrale zu sehen
Huawei steckt einen enormen Anteil des Umsatzes in Forchung und Entwicklung. Immer bedeutenden wird das B2B-Geschäft. Im Showroom von Shengzen ist etwa die erste visualisierte und integrierte Kommandozentrale zu sehen
(Bild: Kriemhilde Klippstätter)

Shenzhen, die moderne IT-Metropole mit elf Millionen Einwohnern, beherbergt die Firmenzentrale von Huawei. Hauptstützpunkt ist der riesige Campus, der neben den Verwaltungsgebäuden, Forschung- und Entwicklungslabors, Restaurants und Showrooms auch Wohnquartiere für die Angestellten und sogar eine Universität fasst. Im Stadtgebiet verteilt finden sich weitere Huawei-Bauten, etwa die Fertigung und das Testlabor für Antennen oder die hauseigenen Hotels.

Ren Zhengfei hatte die Company 1987 gegründet und anfangs in China mit Telefonanlagen aus dem damals noch britischen Hongkong gehandelt. Parallel begann er mit der Entwicklung eigener Technologien für Telekommunikation. Mittlerweile gliedert sich das Unternehmen in die drei Bereiche Carrier Network (Netzinfrastruktur), der immer noch den Löwenanteil am Konzernumsatz ausmacht, Enterprise mit Lösungen für Geschäftskunden sowie Consumer, für die Mobilgeräte angeboten werden.

Heute beschäftigt das Unternehmen rund 180.000 Mitarbeiter, davon sind knapp die Hälfte - etwa 80.000 Arbeitnehmer - in Forschung und Entwicklung tätig. Huawei ist in 170 Ländern vertreten und betreibt insgesamt 15 Forschungs- und Entwicklungsinstitute oder -zentren.

Im Fokus steht der chinesische Markt

2016 erzielte die Company einen Umsatz in Höhe von 75 Milliarden Dollar, wobei das Enterprise-Business 5,9 Milliarden beisteuert. Der Vergleich der Umsatzaufteilung von 2015 mit 2016 zeigt, dass sich die Company immer stärker an Consumer- und vor allem Business-Kunden wendet.

Fast noch interessanter ist aber die Tatsache, dass das heimische Geschäft an Bedeutung gewinnt. Das hängt damit zusammen, dass China die digitale Revolution wohl mit am konsequentesten umsetzt. Rund eine halbe Milliarde Chinesen bestellen ihre Waren online. Bargeld verschwindet zunehmend zugunsten der elektronischen Bezahl-App „Alipay“ oder „We-Chat-Pay“. Taxen werden per Smartphone über die „Didi“-App vorbestellt, Leihfahrräder schnell und bequem per App gefunden, entsperrt und bezahlt, wie das Startup-Unternehmen ofo auf der Huawei Connect Messe in Shanghai zeigte.

Umsatzaufteilung nach Sparten

2016 2015
Carrier-Business: 55 7 %
59 %
Consumer-Business: 34 5 %
33 %
Enterprise-Business: 7 8 %
7 %
…und Regionen:
2016 2015
China 45 3%
42 %
EMEA
30 % 32 %
Asien/Pazifik
12,9 % 13 %
Amerika
8,5 %
10 %
Quelle: Huawei

Sebastian Heilmann, Gründungsdirektor des Mercator Instituts für China-Studien beschrieb kürzlich in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ den Hintergrund für die Fokussierung chinesischer Firmen auf den Heimatmarkt: „Die Macht neuartiger digitaler Kommunikations- und Transaktions-Plattformen sorgt dafür, dass große traditionelle Geschäftsfelder oft binnen weniger Jahre oder gar Monate von Neugründungen überrannt und erobert werden.“

Die einzige Chance alteingesessener Firmen sei es, eigene digitale Ökosysteme aufzubauen oder sich neuen Plattformen anzuschließen. Ziel dieser Plattform-Revolution ist es darauf hinzuarbeiten, “dass ein Leben ohne ihre Apps den Chinesen undenkbar wird“.

Dass der chinesische Staat auch die Grundlagenforschung zur digitalen Transformation unterstützt sollte europäische Regierungen dringend zum Überdenken der eigenen Digitalpolitik veranlassen. Sie müssen für entsprechende Infrastrukturen, Fördermaßnahmen, Bildungsangebote und sich ständig verändernde Marktregeln sorgen, denn „die Innovation von unten wird nicht ausreichen“, mahnt Heilmann.

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Messemotto in Schanghai: Mit der Cloud wachsen

Der Schwerpunkt auf den heimischen Markt mit chinesischen Kunden und Partnern dürfte ein Grund dafür gewesen sein, dass in Schanghai alle Keynotes und Roundtable-Gespräche während der Huawei Connect auf Mandarin und nicht Englisch gehalten wurden. Dort präsentierte sich das Unternehmen in aller Angebotsbreite und mit neuen Hard- und Softwareangeboten und Industrielösungen (siehe auch: KI, Connectivity und Cloud diktieren die Computing-Bedingungen, Neue Hardware und Services von Huawei für die Cloud-Willigen).

Diana Yuan, President of Marketing and Solution Sales für Huaweis Enterprise Business Gruppe, verweist auf die bislang erzielten Erfolge ihres Bereichs: „Bis heute haben 197 Unternehmen der Global Fortune 500-Liste und 45 der Top 100 Huawei als Partner für die digitale Transformation gewählt“.

Neben Produkten und Lösungen für den allgemeinen Gebrauch etwa Netzwerke, Rechner, Speicher und Infrastruktur fürs Data center sowie Angebote für Big Data, hybride Cloud und IoT-Plattformen bietet die Company auch industriespezifische Applikationen an. Dazu zählen beispielsweise eine Video-Cloud für einen sicheren öffentlichen Bereich in Städten, Big Data für die Finanzindustrie oder IoT-Plattformen für Energieunternehmen.

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Neue Hardware, Mehrwert und Netztechnik

Im Bereich Hardware zeigte man den neuen „OceanStor“, ein Flash-Speicher, der es auf eine Zuverlässigkeit von 99,9999 bringt sowie den „Fusion Server V5“, das neueste Modell der Fusion-Reihe. Im chinesischen Server-Markt hält Huawei laut Gartner im ersten Quartal 2017 den Spitzenplatz hinsichtlich Server-Umsatz, -Auslieferung und gelieferter Kapazität.

Auffallend ist, dass Huawei in seinen ICT- und Cloud-Lösungen meist Mehrwert anbietet. So wurde eine „Enterprise Intelligence“-Lösung vorgestellt, die drei intelligente Cloud-Dienste und eine „heterogen-geprägte“ Computing-Plattform umfasst. Es gehe nicht nur darum, den Unternehmen die beste Cloud anzubieten, die die Dienste liefert, die die Firmen benötigen.

Das neue Speichersystem „Oceanstor“
Das neue Speichersystem „Oceanstor“
(Bild: Kriemhilde Klippstätter)

Von der zusätzlichen Bündelung verschiedener KI-Techniken sollen auch komplexe Enterprise-Szenarien profitieren können, beschreibt Zheng Yelai, President der Cloud Business Unit und von Huaweis IT Produktlinie. Die Enterprise Intelligence-Lösung verfügt über Eigenschaften wie grundlegende Plattformdienste, etwa für das maschinelle Lernen und der Graph-Analyse sowie Plattformen für KI, Training, Logik und Indexierung.

Zudem werden API-Dienste angeboten wie optische und Spracherkennung. Für die heterogen-geprägte Computing-Plattform setzt der Hersteller auf die langjährige Erfahrung bei Systemanalyse, Chipset, Hardware und Basisprogrammen. Mit Enterprise Intelligence lassen sich Prozesse end-to-end optimieren und ein reibungsloser Datenfluss der Lieferkette erreichen. „Damit wird etwa die Voraussetzung für eine intelligente Logistik geschaffen“, erläutert Zheng.

DHL und Schindler auf der Huawei Connect

Als Kunde aus Deutschland präsentierte sich DHL-CIO Dr. Markus Voss auf der Bühne der kürzlich stattgefundenen Messe „Huawei Connect“ zusammen mit dem intelligenten Packwagen „Thouzer“, der ihm wie ein Hund folgte (siehe: Bildergalerie). Voss zeigte im Film, wie DHL-Mitarbeiter schnell und bequem Sendungen aus dem Lagerregal zusammenstellen und im kleinen Wagen lagern können. Eine Brille mit Vorschaueigenschaften beschleunigt den Packprozess und das Beladen der LKWs. Schließlich zeigte Voss auch noch den IoT-getriebenen „Parcelcopter“, eine Drohne mit passender Abladestation für Empfänger, die in unwegsam gelegenem Gelände leben.

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Auch die Berliner Aufzugsfirma Schindler Deutschland AG und Co.KG präsentierte eine Industrielösung auf Basis von Huawei-Knowhow. Durch Konsolidierung von mehr als 100 Legacy-Systemen und –Plattformen wurde in einem ersten Schritt eine Standardisierung erreicht, die über viele Prozessschritte schließlich zu „Schindler Ahead“ führte.

Im Zentrum steht „Ahead Cube“, ein intelligentes Kommunikations-Gateway, das Analytics anwendet, Daten überträgt und sich an neue Anforderungen anpasst. Updates passieren „Over the Air“, also unabhängig vom Servicepersonal und neue Aufgaben lassen sich per App anbieten.

Low-Power-Wide-Area-Netz

Wie schnell und effizient sich in China neue Techniken nutzen lassen zeigt sich am Beispiel des Leihradanbieters ofo. Das Startup besteht erst seit 2014, einer Firmengründer, Xue Ding, studiert sogar noch. Dank dem von China Telecom zur Verfügung gestellten Sendenetz NB-IoT (Narrowband-IoT), eine Low-Power-Wide-Area-Technik, und dem von Huawei entwickelten passenden Chip, vereinfacht sich für den Anbieter und den Kunden der Leihprozess erheblich.

Der NB-IoT-Chip ist im Schloss des Fahrrads fest eingebaut und seine Batterie soll acht bis zehn Jahre halten. Der Kunde sucht per App ein Leihrad in seiner Nähe und öffnet das Schloss über einen Barcode. Dank NB-IoT soll es zu keinen Ausfällen kommen.

* Kriemhilde Klippstätter ist freie Journalistin und Systemischer Coach in München.

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