Die ersten 100 Tage OTC Public - und sonst so? Die Open Telekom Cloud
Hochsichere Rechenzentren mit Standort Deutschland und deutschem Betreiber: Mit diesem Rezept will die Open Telekom Cloud erfolgreich On-Premise-Verfechter in Cloud-Enthusiasten verwandeln. Doch was hat die Public Cloud der Telekom noch zu bieten?
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Der Cloud-Markt boomt, doch nach wie vor gibt es Skeptiker. So stehen in Deutschland laut „Bitkom Cloud Monitor 2016“ noch immer knapp ein Drittel der Unternehmen dem Cloud Computing „eher kritisch und ablehnend“ gegenüber. Sie befürchten den unberechtigten Zugriff auf oder gar den Verlust von Unternehmensdaten und sind sich unklar hinsichtlich der Rechtslage – besonders wenn es um Public-Cloud-Angebote geht.
Für drei Viertel der befragten Unternehmen ist das wichtigste Kriterium für die Auswahl des Cloud-Providers: Rechenzentrum und – ebenso wichtig – Hauptsitz in Deutschland. Deshalb haben besonders deutsche Kunden gegenüber Anbietern wie Amazon Web Services (AWS) oder Microsoft Azure große Vorbehalte. Denn deren Unternehmenssitz ist im Ausland, und damit unterliegen deren Services nicht den strengen deutschen Datenschutzbestimmungen.
Das kommt deutschen Providern wie der Telekom zugute, die nicht nur eigene Rechenzentren mit Standort Deutschland betreiben, sondern darüber hinaus auf ein eigenes Netz zurückgreifen können. Seit März hat der Bonner Konzern mit der „Open Telekom Cloud“ (OTC) auf Basis OpenStack ein Public-Cloud-Angebot im Portfolio, das neben dem Sicherheitsaspekt auch Flexibilität, minutengenaue Abrechnung und leichte Integration verspricht. Aspekte, die laut Bitkom Cloud Monitor gleichfalls wichtige Kriterien für die Auswahl des Cloud-Providers sind.
Zwei Rechenzentren, einmal OpenStack
Die beiden Rechenzentren, in denen die Open Telekom Cloud betrieben wird, stehen in Sachsen-Anhalt. In Biere hat der Provider sein „House of Clouds“ errichtet und in Magdeburg befindet sich ein weiteres Rechenzentrum als Zwilling. Die Hardware kommt von Technologiepartner Huawei.
Schon jetzt ist die Open Telekom Cloud eines der größten Public-Angebote für Enterprise-Kunden auf Basis von OpenStack in Europa. Das renommierte Forschungsinstitut CERN in der Schweiz beispielsweise greift bereits auf 1.000 virtuelle Maschinen und 500 Terabyte Storage aus der Open Telekom Cloud zurück. Doch welche Vorteile haben Nutzer von der Open Telekom Cloud – und wie funktioniert die öffentliche Wolke des Bonner Anbieters im Detail?
Open Telekom Cloud: So geht der Einstieg
Der Zugriff erfolgt entweder über ein Self-Service-Portal oder über programmierbare Schnittstellen (APIs), die einen automatischen Zugriff ermöglichen. Die einzelnen Services werden durch OpenStack-Module wie „Nova“ (Elastic Cloud Server), „Cinder“ (Elastic Volume und Backup Service), „Glance“ (Image Management Service), „Neutron“ (Virtual Private Cloud [VPC]) und „Keystone“ (Identity and Access Management) zur Verfügung gestellt.
Außerdem vermeiden die OpenStack-basierten Systeme den gefürchteten Vendor-Lock-in: Ein Anbieterwechsel ist jederzeit möglich. Auch das Bezahlmodell bindet nicht auf Dauer an die OTC. Denn für die Nutzung der Ressourcen gibt es weder eine Mindestabnahmegröße noch eine Mindestvertragslaufzeit. Gezahlt wird im Pay-as-you-go-Modell, nach Bedarf auf die Stunde genau.
Bei der Einrichtung der VPC können Anwender über Firewalls und Sicherheitsgruppen Zugriffsrechte für ihre Mitarbeiter vergeben. In einem späteren Schritt wird entschieden, über welche Ports welche Ressourcen für welche Nutzergruppen zugänglich werden. Das der Open Telekom Cloud zugrundeliegende Netzwerk ist Software-definiert, was die Verwaltung vereinfacht. Über IP-VPN lässt sich beispielsweise eine sichere Tunnel-Verbindung zu eigenen IT-Ressourcen einrichten. Der Elastic Load Balancer und der Auto Scaling Service ermöglichen dynamische Ressourcenanpassungen auf Basis vordefinierter Parameter – zum Beispiel nach bestimmten Tageszeiten oder bei plötzlichen Lastspitzen.
Freie Auswahl an vCPU, RAM und Betriebssystemen
Die Computing Services der Open Telekom Cloud bestehen im Wesentlichen aus drei Komponenten: Virtuelle CPUs und virtueller RAM werden aus den Hardware-Pools im Rechenzentrum bereitgestellt. Die dritte Komponente ist ein Betriebssystem. Anwender haben die Wahl zwischen den vier verschiedenen Systemen Linux, Oracle Linux, Suse und Windows. Neben den vorkonfigurierten Betriebssystem-Images bietet die Open Telekom Cloud auch die Möglichkeit, eigene Images abzulegen. Die Verantwortung für das Management dieser Images übernimmt in diesem Fall der jeweilige Anwender.
Computing-Server sind von 1 bis 32 vCPUs erhältlich, Arbeitsspeicher von einem bis 128 Gigabyte RAM. Aus diesen Basiskomponenten ergeben sich 28 Kombinationsmöglichkeiten für verschiedene Einsatzzwecke, so genannte „Flavors“, mit einem Verhältnis vCPU zu RAM von 1:1, 1:2 (compute I und II), 1:4 (general purpose) oder 1:8 (memory optimized).
Block Storage oder Object Storage
Block Storage ist in Größen zwischen 40 Gigabyte und 32 Terabyte verfügbar. Bis zu zehn solcher Volume-Service-Festplatten mit bis zu 32 Terabyte je Server sind möglich. Der Block Storage ist je nach Anforderung als SATA, SAS oder SSD verfügbar. Ein optionaler Volume-Backup-Service erlaubt inkrementelles Speichern und schnelles Wiederherstellen von Daten.
Alternativ zum Block Storage bietet die Open Telekom Cloud auch Object Storage an. Diese Variante ist langsamer, dafür aber deutlich günstiger und deshalb unter anderem sehr gut zum Archivieren geeignet. Hier können Dateien mit Größen von bis zu 50 Terabyte abgelegt werden. Für den Object Storage werden eine einfache API, eine web-basierte Management-Konsole, ein Cloud-Storage-Web-Client und ein Software-Development-Kit (SDK) bereitgestellt. Der objektbasierte Speicher kann in die individuelle Cloud-Landschaft eingebettet oder eigenständig verwendet werden.
MySQL, Cloud-Container und mehr Kapazität
Kürzlich wurde das Angebot der Open Telekom Cloud um neue Services ergänzt. Zum Beispiel um eine relationale „MySQL“-Datenbank, die sich einfach aufsetzen und erweitern lässt und ab drei Cent pro Stunde zu haben ist. Mit einer Standard-Schnittstelle können Unternehmen Informationen direkt aus der Datenbank abfragen. Geboten werden verschiedene Konfigurationen von einer vCPU und 2 Gigabyte RAM bis zu 16 Kernen und 32 Gigabyte RAM, letztere Dimension für knapp einen Euro pro Stunde.
Außerdem gibt es seit kurzem eine „Cloud Container Engine“ (CCE), mit der sich komplette Applikationslandschaften auf Knopfdruck verschieben lassen. Die CCE ermöglicht es, ganze Cluster aus virtuellen Maschinen mit geringem Aufwand von einer auf die andere Cloud zu verschieben – zum Beispiel von Amazon Web Services auf die Open Telekom Cloud. Die CCE kann bis zu 500 Cluster aus virtuellen Maschinen mit jeweils bis zu 15 Compute-Knoten verwalten.
Für sehr anspruchsvolle Zwecke, die größtmögliche Rechenleistung erfordern, gibt es eine Hochleistungsoption. Das Forschungszentrum CERN nutzt diesen neuen Service bereits für rechenintensive Anwendungen in der Teilchenphysik. Der neue, so genannte „High Performance Flavor“ bietet maximal 32 vCPUs mit jeweils 64 Gigabyte RAM und eignet sich damit besonders für Anwendungen mit großen Datenmengen, wie beispielsweise Simulationen, Grafik- oder Bewegtbild-Anwendungen.
Die Open Telekom Cloud scheint eine Lücke am Markt zu schließen. Bereits nach den ersten 100 Tagen konnte die Telekom für ihr Open-Cloud-Angebot mehr als 150 Business-Kunden verbuchen – darunter das Schweizer Forschungszentrum CERN. Aufgrund der anhaltenden Nachfrage hat die Telekom kürzlich angekündigt, die Kapazitäten der beiden Rechenzentren bis 2018 noch einmal um 150 Prozent zu erhöhen.
* Sebastian Mainzer ist IT-Autor aus Köln.
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