Inoffizieller EnEfG-Entwurf Geleakter Gesetzentwurf zur Energie-Effizienz erhitzt die Gemüter
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Ein geleakter Vorentwurf zum geplanten Energie-Effizienzgesetz erhitzt die Gemüter der Datacenter-Branche. Einhellige Ansicht: Der Referentenentwurf muss deutlich konkretisiert und an einigen Stellen geändert werden

Eigentlich ist die neue Vorschrift noch nicht einmal als Entwurf zur Kommentierung öffentlich, doch schon schlägt das geplante Energie-Effizienzgesetz (EnEfG) hohe Wellen. Zunächst zu den Fakten: In seinem Abschnitt 5 behandelt das geplante Gesetz Rechenzentren. Hierbei handelt es sich um die Paragraphen §§23 bis 28.
Direkt in die Betriebsbedingungen greift besonders Paragraph 23 ein, in dessen Absatz 1 ein PUE von 1,3 für Rechenzentren, die ab 2024 in Betrieb gehen, in Absatz 2 einen geplanten Anteil an wiederverwendbarer Energie von 30 Prozent, definiert gemäß ERF (Energy Reuse Factor) entsprechend DIN EN 50600-4-6, bestimmt wird.
Dieser soll in den folgenden Jahren ansteigen. Für die Betriebstemperaturen gibt der Entwurf bei Datacenter, die 2024 in den Betrieb gehen, mindestens 24 Grad Celsius vor, für welche mit Betriebsbeginn ab 2028, sollen 28 Grad Celsius als Einlasstemperatur gelten.
Die Verhandlungen laufen noch
Eine Anfrage beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wegen des inoffiziellen Entwurfs wurde abschlägig beschieden. Eigentlich gebe es ja dieses Gesetz noch gar nicht, auch nicht als veröffentlichungsreife Vorvariante. Es werde daran gearbeitet, deshalb kein Kommentar.
Dieter Janecek, einer der grünen Spezialisten für Wirtschaft und Erneuerbare im Bundestag, sandte aus Zeitmangel nur eine kurze und eher allgemein gehaltene Stellungnahme: „Speziell eine Verpflichtung zur Wiederverwendung von Energie in Form der entstehenden Abwärme ist ein sehr sinnvoller Vorschlag. Um sicherzustellen, dass die Nutzung der Abwärme durch die Rechenzentren auch technisch machbar ist, müssen jedoch auch die möglichen Abnehmer der Abwärme wie etwa die Wärmenetzbetreiber in die Regelung einbezogen werden. Insgesamt dürfen die neuen Regelungen nicht dazu führen, dass der Betrieb von Rechenzentren in Deutschland grundsätzlich unrentabel wird.“
Damit liegt Janecek nicht weit entfernt von der Meinung der Branche. Die Statements von Vereinigungen wie der GDA (German Datacenter Association), Bitkom oder Eco kann jeder auf deren Website nachlesen. Hier soll es um einige Stellungnahmen gehen, die DataCenter- Insider direkt bei Brancheninsidern einholte.
Unklare Formulierung
Zudem gibt der geleakte Gesetzestext, so weit er Rechenzentren angeht, in seiner Formulierung Rätsel auf. Die Vorschrift in Paragraph 23 Absatz 2 spricht von einem „geplanten Anteil an wiederverwendeter Energie“. Offen bleibt aber, ob ein Rechenzentrum dieser Pflicht bereits genügt hat, wenn es Einrichtungen zum Auskoppeln von 30 Prozent (und später mehr) Abwärme vorsieht, egal, ob ein Nutzer in der Nähe ist.
Unklar ist ebenfalls ob es tatsächlich Abwärme in entsprechender Menge abgeben und dafür auch selbst Sorge tragen muss, zum Beispiel, indem es Abnehmer sucht und Infrastrukturen errichten lässt oder selbst Einrichtungen für Wärme-Abnahme, etwa Gewächshäuser baut. Und ob auch objektiv unsinnige Wiederverwendungen, etwa die Heizung einer nicht genutzten Eingangshalle, eine Nutzung im Sinn dieses Gesetzes sind, wird nicht klar.
Es bedarf keiner großen Phantasie sich vorzustellen, dass möglicherweise Formulierungen wie diese am Ende die Gerichte beschäftigen, zumindest aber für reichlich Unfrieden sorgen könnten. Denn die Realität der Abwärmenutzung sieht vielerorts auch in Musterprojekten weniger glorios aus als manche vielleicht annehmen.
Frankfurt-Westville: Abwärme-Nutzungsgrad maximal zehn Prozent
Beispielsweise beim vielfältig als vorbildlich gelobten Neubauviertel Westville in Frankfurt, wohin der Co-Location-Anieter Telehouse seine Abwärme liefern wird. Dort entstehen 1.330 Wohneinheiten für 3000 Bewohner, drei Kindergärten, Läden und Gastronomie.
Die 3 Megawatt (MW) Heizlast sollen von Telehouse zu 60 Prozent in Form von 4.000 MWh Abwärme jährlich geliefert werden, wobei nicht die gesamte Fernwärme von Telehouse kommt. „Das sind aber höchstens fünf bis zehn Prozent der Abwärme, die wir bereitstellen könnten“, sagt Bela Waldhauser, CEO bei Telehouse in Frankfurt. In der ersten Jahreshälfte 2023 ist der erste Bauabschnitt abgeschlossen.
Großwärmepumpen heizen das Wasser für das Niedertemperatur-Fernwärmenetz von Westville auf 60 bis 70 Grad auf. Ost haben (veraltete) Fernwärmenetze in Deutschland 110 Grad. Deshalb finden viele Einrichtungen, die Niedertemperatur-Abwärme abgeben könnten, keine Abnehmer beziehungsweise der hohe Elektrizitätverbrauch der Wärmepumpen kompensiert den Nutzen der Abwärme.
Berlin-Marienpark: Energieversorger baut Niedertemperatur-Fernwärmenetz
Auch an einem anderen, jüngst angekündigten Projekt zeigt sich, um was es geht. In Berlin wurden kürzlich zwei neue Co-Location-Rechenzentren von NTT in Betrieb genommen. Im Endausbau stellen die ersten beiden Bauteile auf dem neuen Rechenzentrumscampus, Berlin 2, 24 MW IT-Leistung zur Verfügung. Zwei weitere Rechenzentren sollen später folgen. In den Rechenzentrumsbau sind Wärmetauscher und Rohre integriert, die jeweils 1 bis 1,5 MW Abwärme auskoppeln können, um benachbarte Wohn- und Gewerbeflächen zu heizen.
Dabei kooperiert NTT mit dem Energieversorger, der Gasag, sowie dem Immobilienentwickler Investa, die gemeinsam die Wärmeversorgung im Marienpark über ein Niedertemperatur-Fernwärmenetz sicherstellen. Wärmepumpen sind deshalb nicht nötig. Die anfangs ausgekoppelte Wärmemenge von 2 MW kann ungefähr 1.000 Wohnhäuser heizen.
Mit der Zeit sollen bis zu 80 Prozent der anfallenden Abwärme durch weitere Abnehmer außerhalb des Marienparks genutzt werden. Doch das alles, so betont Günter Eggers, Director Public bei NTT Global Data Centers EMEA, sei nur in enger Kooperation mit den lokalen Wärmenetzbetreibern und anderen Partnern möglich.
Hindernisse: fehlende Abnahmepflicht und Temperaturdifferenzen
Diversen Betroffene kritisieren, dass, wie weiter oben auch Janacek sagt, der Abgabepflicht keine Abnahmeverpflichtung gegenübersteht. So lange jeder Eigenheimbewohner im Umfeld eines Rechenzentrums mit Abwärme entscheiden darf, doch lieber eine stromgetriebene Infrarotheizung zu nutzen, so lange jedes Unternehmen beliebige Wärmequellen verwenden darf, um Büros zu heizen, obwohl Fernwärme bereitsteht, wird sich das Dilemma kaum beheben lassen.
Ein weiteres Problem sind die bestehenden Fernwärmenetze mit ihren hohen Temperaturen. Hier liegt ein großer Stolperstein. Denn entweder müssen mehr Rechenzentren mit Wasser kühlen, um höhere Ausgangstemperaturen zu erreichen . Davor aber schrecken viele Anwender aus unterschiedlichen Gründen zurück.
Oder aber es werden Wärmepumpen benötigt. Gerade das Aufheizen um etwa das Dreifache, was bei einer Temperatur des Fernwärmenetzes um die 100 Grad nötig ist, macht die Nutzung unrentabel, weil zu viel Strom gebraucht wird. „Kalte“ Nahwärmenetze dagegen taugen nicht zur Lieferung von Heißwasser und funktionieren am besten in gut gedämmten Häusern mit Fußbodenheizung.
Und wer zahlt?
Fernwärmenetze, die mit 60 bis 80 Grad betrieben werden wie in Westville, sind allerdings nicht sehr verbreitet in Deutschland. Mit denen, so Eggers, lohne sich die Abwärmenutzung dank geringeren Temperatursprungs schon eher. Doch Aufbau und Betrieb kosten und dauern, was zum nächsten Punkt überleitet.
Im Gesetzesvorschlag fehlen Bestimmungen zur Kostenverteilung beim Aufbau des Nahwämenetzes:
- Wer soll die Rohre bis wohin zahlen?
- Und wer plant zukünftig eine zeitgemäße regionale Fernwärmeversorgung, die nicht ausschließlich aus Einzelprojekt-Stückwerk besteht?
Gas-Infrastrukturen wollen Datacenter-Betreiber nämlich keinesfalls bauen. Eine Kostenbeteiligung ähnlich der üblichen Erschließungsabgabe kann sich zum Beispiel Waldhauser schon eher vorstellen.
Abwärmenutzungspflicht – das Aus für Kühlräder?
Übersehen werde auch, so Eggers, dass bestimmte Rechenzentren sehr effektiv mit der Kühlung umgehen, aber gerade wegen der Art des Kühlsystems keine Abwärme technisch und wirtschaftlich sinnvoll auskoppeln können. Ein Beispiel seien Datacenter, die mit Kühlrädern von Kyoto Cooling betrieben werden (siehe beispielsweise: „Hochsicher und effizient in Nürnberg; Noris Network nimmt Bauabschnitt 2 vom Rechenzentrum Nürnberg Süd in Betrieb “. Allerdings soll es Ausnahmen von der Abwärmenutzung für existente Rechenzentren und aus wirtschaftlichen Gründen geben.
Kurz, es gibt noch viel zu tun, bevor Abwärmenutzung bei Rechenzentren sich erfolgreich und großflächig verbreiten kann. Der wichtigste Schritt dazu wäre ein Regelungsentwurf, der nicht Abwärmenutzung aufgibt, sondern sie durch realistische Forderungen und Rahmensetzungen unterstützt. So auch Ralph Hintemann, Senior Researcher beim Borderstep Institut in Berlin. „Hier muss dringend konkretisiert werden“, kommentiert er.
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