Wie bewertet man ein Rechenzentrum? Ein Datacenter wie bestellt. Bewerten mit System
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Die Modellierung wirkungsvoller Maßnahmen zur Optimierung des Energieverbrauchs und der -versorgung von Datacenter braucht Daten. Doch solche Kennzahlen fallen eigentlich in die Kategorie Betriebsgeheimnis. Als Schrittmacher der Digitalen Transformation muss die Branche dennoch Farbe bekennen. Man kann es nicht allen recht machen, oder? Wie bewertet man also ein Rechenzentrum?

Mit Fördermitteln des Umweltbundesamtes (UBA) entsteht unter der Projektleitung von Professor Peter Radgen vom Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart Europas erstes Register von Rechenzentren mit einem Bewertungssystem der Energieeffizienz: „PeerDC“. Dieses zentrale Verzeichnis soll begründete Interessen der Betreiber vor Datenmissbrauch schützen.
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PeerDC - der Aufbau eines Datacenter-Registers zur Bewertung der Energie-Effizienz
Die Intention: Ein Bewertungssystem für Rechenzentren
Das Register wird unter anderem Datacenter-Standorte, Emissionen und Energiekennzahlen erfassen und mit einer quelloffenen Software visualisieren, ohne jedoch die exakten Standortdaten bekanntzugeben. Ein weiteres Ziel besteht in der Entwicklung eines Bewertungssystems für die Energie-Effizienz von Rechenzentren auf der Grundlage der Ergebnisse eines Verfahrens zur ganzheitlichen Messung der Energie- und Ressourceneffizienz von Rechenzentren namens „KPI4DCE“. Eine Energiekennzeichnung für Rechenzentren soll Vergleichbarkeit schaffen.
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Neue Kennzahlen für Rechenzentren aus dem Umweltbundesamt
KPI4DCE vom UBA statt PUE? Schwierig, aber machbar!
Dem „immensen Zubau an Rechenzentren aller Kategorien“, der in den kommenden Jahren zu erwarten sei, müsse mit Energie-Effizienz entgegengesteuert werden, damit der Energieverbrauch insgesamt nicht weiter so extrem ansteige wie bisher, argumentiert Professor Radgen, Projektleiter des Vorhabens. Handfeste Zahlen über die Energiewirtschaft von Rechenzentren seien jedoch eben Mangelware, moniert er.
Alle Register
Der Projektname PeerDC ist ein Akronym für „Public energy efficiency register of data centres“ (Deutsch: „Öffentliches Energieeffizienzregister für Rechenzentren“). Die Vogel IT-Medien GmbH, das Öko-Institut, die Data Center Group, die German Datacenter Association und die Deutsche Unternehmensinitiative Energie-Effizienz (DENEFF) sind Projektpartner. Das Forschungsprojekt Peer DC hat eine Laufzeit von 22 Monaten (bis Juli 2023).
In anderen Ländern gab es auch schon ähnliche Initiativen. Konkrete Bewertungskriterien konzentrieren sich jedoch viel zu oft auf einer einzigen Metrik: dem PUE-Wert des Industriekonsortiums The Green Grid (ISO/IEC 30134-2). Doch es geht auch anders.
NABERS in Australien
Das australische „NABERS“-System (kurz für National Australian Built Environment Rating System) verleiht Rechenzentren eine Bewertung von bis zu sechs Sternen. NABERS-Bewertungen geben Aufschluss über die betriebliche Energie-Effizienz und die Umweltauswirkungen von australischen Rechenzentren.
In die NABERS-Bewertung für Rechenzentren fließen die tatsächlichen Betriebsdaten einer Einrichtung hinein, nicht die Kennzahlen der Design-Blaupause. Das Bewertungssystem soll Betreibern helfen, betriebliche Verbesserungen und Kosteneinsparungen umzusetzen, Vergleiche zwischen Rechenzentren anzustellen und hochkarätige Kunden zu überzeugen.
Das NABERS-Bewertungssystem kann drei Szenarien abdecken:
- IT-Ausrüstung: Diese Einstufung adressiert Organisationen, die ihre IT-Ausrüstung (also Server, Storage, Netzwerkgeräte) selbst besitzen oder verwalten, jedoch keinerlei unterstützenden Dienste wie die Klimatisierung, Beleuchtung oder Sicherheit selbst kontrollieren.
- Infrastruktur: Diese Bewertung richtet sich an Eigentümer und Manager von (Colocation-)Rechenzentren, die keine Kontrolle über die IT-Ausrüstung ihrer Nutzer haben und lediglich die Energieeffizienz ihrer Einrichtung bei der Bereitstellung von Infrastrukturdiensten (einschließlich Kühlung und Stromversorgung) für die IT-Geräte ihrer Kunden ermitteln wollen.
- Gesamteinrichtung: Diese Bewertung berücksichtigt sowohl die IT-Ausrüstung als auch die Infrastruktur und ist für Organisationen gedacht, die ihr Rechenzentrum sowohl verwalten als auch benutzen oder bei denen die internen Messvereinbarungen keine separate Bewertung der IT-Ausrüstung oder der Infrastruktur zulassen.
Wenn ein Rechenzentrum seine NABERS-Energiebewertung von 3 auf 5 Sterne anhebt, so die offiziellen Zahlen, könne sein Betreiber Kosteneinsparungen in Höhe von 2,2 Millionen australischen Dollar (zurzeit ca. 1,5 Millionen Euro) pro Jahr realisieren.
Die australische Sparte von Fujitsu setzt NABERS in seinem gesamten Rechenzentrumsportfolio ein. NABERS dient Fujitsu hauptsächlich, um Nachhaltigkeitsziele festzulegen und den Fortschritt zu messen.
Weltweit verfügt Fujitsu über mehr als 120 hochmoderne Rechenzentren. Mit ihren sechs Facilities in Australien (drei Hyperscale und drei Co-Location) war Fujitsu der erste Datacenter-Betreiber auf dem Kontinent mit einem vollständig NABERS-zertifizierten Rechenzentrumsportfolio.
Energy Star für Rechenzentren
Die US-Umweltschutzbehörde EPA befasst sich mit der Effizienzeinstufung von Rechenzentren im Rahmen des Bundesprojektes Energy Star, das sie gemeinsam mit dem Energieministerium beaufsichtigt. Das Bewertungssystem entstand im Jahre 2010 in Zusammenarbeit mit The Green Grid, einer global aktiven Interessensvertretung des Information Technology Industry Council (ITIC), eines Handelsverbandes von Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT).
Dem Bewertungssystem Energy Star für Rechenzentren liegt die zweite Iteration des PUE-Wertes aus dem Jahre 2011 zu Grunde, das heißt: Sie umfasst nicht einen punktuellen Wert, sondern den Jahresverbrauch.
Um eine Energy-Star-Zertifizierung beantragen zu können, muss ein Rechenzentrumsbetreiber erst einmal detaillierte Betriebsdaten über den betreffenden Standort und seinen Energieverbrauch in die Informationsplattform „Energy Star Portfolio Manager“ überführen. Dies ist unter anderem auch über den API-Zugang eines anderen Unternehmens möglich. Dieses so genannte Benchmarking führt zur Berechnung des PUE-Wertes der Einrichtung.
Basierend auf dieser Zahl und den Messwerten anderer vergleichbarer Standorte errechnet das System eine Gesamtwertung in Punkten auf einer Skala von 1 bis 100. Wer es auf 75 Punkte bringt, arbeitet effizienter als 75 Prozent vergleichbarer Rechenzentren. Dies ist eine Voraussetzung, um eine Zertifizierung zu beantragen. Danach muss noch ein zugelassener Gutachter den Antrag prüfen und absegnen.
Die besten 25 Prozent der Rechenzentren dürfen sich nach der erfolgreichen Zertifizierung ein Jahr lange mit einem Energy-Star-Label schmücken. Von den derzeit insgesamt 213 zertifizierten Datencenter in den Vereinigten Staaten gehören 43 zu Digital Realty, 32 zu Cyxtera Technologies und 12 zu Equinix. Der älteste aktuell zertifizierte Datacenter-Standort hat seinen Betrieb im Jahre 1964 aufgenommen und wird heute von QTS Realty Trust betrieben.
Die EPA hat vor einigen Monaten die Energy-Star-Zertifizierung für Storage-Produkte überarbeitet und tüftelt jetzt gemeinsam mit dem ITIC an einer aktualisierten Version des Bewertungssystems für US-Rechenzentren, die einer freiwilligen, anonymisierten Erhebung entspringen soll. Das Ziel besteht darin, den Ansatz auch auf die Wasser-, Abfall- und Materialwirtschaft verstärkt anzuwenden.
Die Plattform Energy Star Portfolio Manager ist für beliebige Standorte auf der Welt nutzbar; die Zertifizierung beschränkt sich jedoch de facto auf Rechenzentren in Nordamerika.
LEED
Bei LEED (kurz für „Leadership in Energy and Environmental Design“) handelt es sich um einen Bewertungsstandard für die Nachhaltigkeit von grünen Gebäuden und umweltfreundliches Bauen. Das Bewertungssystem entstammt einer gemeinnützigen Organisation namens USGBC (kurz für U.S. Green Building Council). Es zielt darauf ab, die Entwicklung umweltfreundlicher Integrationstechnologien zu fördern und praktische technische Leitlinien zu schaffen.
LEED stellt in jeder seinen Leistungskategorien bestimmte Voraussetzungen, die das Rechenzentrum erfüllen muss, um sich für die Zertifizierung zu qualifizieren. Die Anzahl der Punkte in den verschiedenen Kategorien bestimmt die Stufe der LEED-Zertifizierung. Die Wahl der geeigneten Technologien bleibt dem RZ-Betreiber überlassen.
Die LEED-Bewertung für Rechenzentren distanziert sich von dem reinen PUE-Wert und nimmt stattdessen einen holistische(re)n Blick auf den gesamten Lebenszyklus der Anlage unter Einbezug der Richtlinien von ASHRAE (American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers).
Green Globes
Green Globes ist ein weiteres Beispiel für ein Zertifizierungsprogramm für ganze RZ-Gebäude. Es wird von der Green Building Initiative (GBI) verwaltet und misst die Energie- und Wassereffizienz, die Umwelteigenschaften von Innenräumen, den Standort und die Ressourcennutzung sowie die Widerstandsfähigkeit und die besten Praktiken bei Entwurf, Bau, Betrieb und Wartung. Es findet hauptsächlich in den Vereinigten Staaten und in Kanada Anwendung.
ANSI/ASHRAE 90.4-2019
Die ANSI/ASHRAE-Norm 90.1 ist seit mehr als 35 Jahren ein Maßstab für die Energievorschriften für gewerbliche Gebäude in den Vereinigten Staaten und eine wichtige Grundlage für Vorschriften und Normen weltweit. Die Aktualisierung ANSI/ASHRAE 90.4-2019 legt die Mindestanforderungen an die Energie-Effizienz von Rechenzentren in Bezug auf Planung, Bau, Betrieb und Wartung sowie die Nutzung von erneuerbaren Energiequellen vor Ort und außerhalb des Standorts fest.
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Wie warm darf es im Rechenzentrum sein?
Was ist ASHRAE ?
Bei ANSI/ASHRAE 90.1 und 90.4 handelt es sich um Konstruktionsnormen, die in der Planungsphase vor der Genehmigung und dem Bau einer Rechenzentrumseinrichtung zum Einsatz kommen sollen. PUE ist im Gegensatz dazu ein tatsächlich gemessener Wert. Alle Verweise auf PUE wurden aus der endgültigen Fassung von ANSI/ASHRAE 90.4-2019 entfernt.
ASHRAE 90.4 bewertet die Eigenschaften einer Facility auf der Grundlage der Komponenten der Konstruktion. Betreiber oder Organisationen müssen ihre Energie-Effizienz und -Verluste für verschiedene Elemente berechnen. Die resultierende Gesamtsumme darf die Höchstwerte für die betreffende Klimazone nicht überschreiten.
Problem: PUE
Eines der Probleme mit der PUE-Kennzahl stellt die Tatsache dar, dass sie keinen geografischen Anpassungsfaktor enthält. Die Energievorschriften für Datacenter-Gebäude in den Vereinigten Staaten basieren seit etwa 2004 überwiegend auf geografisch definierten Klimazonen. Ein Teil des Problems besteht aber auch darin, dass man die vielen Bereitstellungsmodelle von Rechenzentrumseinrichtungen nicht alle über denselben Kamm scheren kann.
Um einen gerechten Vergleich der PUE-Ergebnisse zwischen Rechenzentren zu ermöglichen, sollten aus Sicht einiger Marktakteure zusätzliche Attribute von Rechenzentren wie eben die geografische Lage, das Alter, die Kapazitätsauslastung, die Größe der Stellfläche, die Ausfallsicherheit der Infrastruktur und Ähnliches Berücksichtigung finden.
Ein Teil der Herausforderungen bei der Bewertung der Energie-Effizienz von Rechenzentren hängt mit den vielen Bereitstellungsmodellen zusammen, zum Beispiel im Falle von Co-Location gehen grobe Vereinfachungen schnell nach hinten los. Co-Location-Verbraucher können die Energie-Effizienzeinsparungen ihres Co-Location-Betreibers leicht zunichtemachen, wenn sie etwa ihre IT-Räume halb leer stehen lassen, veraltete Hardware nutzen oder Server im Leerlauf betreiben. Der resultierende Energieverlust kann dem Anbieter einen Strich durch die Klima-Rechnung ziehen, ohne dass dieser selbst was dafürkann.
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Prior1 verhilft zu 10.000 Euro Förderung
Beratungsförderung für Datacenter-Blauen Engel
CEEDA
Bei CEEDA (kurz für Certified Energy Efficient Datacenter Award) handelt es sich um ein globales Bewertungs- und Zertifizierungsprogramm für Best Practices zur Optimierung der Energie-Effizienz im Betrieb von Rechenzentren. Der Rahmen sei „fortschrittlich in Bezug auf die Differenziertheit der angewandten Best Practices“, was die komplexe und ganzheitliche Natur des Rechenzentrumsbetriebs widerspiegeln solle. Es basiert auf Spezifikationen von ASHRAE, Energy Star, ETSI, EUCoC (EU Data Protection Code of Conduct for Cloud Service Providers) und The Green Grid.
Fossil-Free-Data von Node Pole
Rechenzentren, die zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden und 1.4 PUE gemäß ISO 30134-2 (vergleichbar mit iMason DCPI Efficiency grade B) sowie CUE von 0.19 Kilogramm CO2e/kWh IT (Carbon Usage Effectiveness) unterschreiten, können die Zertifizierung „Fossil Free Data“ des schwedischen Beratungsunternehmens Node Pole erhalten. Bei neuen Rechenzentren, die über konkrete Messwerte der vergangenen zwölf Monate noch nicht verfügen, kommt stattdessen dPUE als Metrik zum Einsatz (designed PUE).
* Das Autorenduo Anna Kobylinska und Filipe Pereia Martins arbeitet für McKinley Denali Inc. (USA).
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