Microsoft hilft mit KI-Chatbot, Stellen im Kundendienst abzubauen Dynamics AI: „You're fired!“
Mit den KI-Assistenten, die Microsoft in Dynamics 365 AI anbietet, greifen die Redmonder die Stellung von IBM Watson und ähnlichen schlauen Helfern an.
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Microsoft hat auf seiner Anwenderkonferenz "Ignite" eine neue Produktlinie von KI-Programmen für Geschäftskunden angekündigt. MS Dynamics 365 AI bekommt einen virtuellen Assistenten für den Kundendienst.
Ein Assistent für zwei Parteien
Der virtuelle Assistent in MS Dynamics AI ist ein Chatbot. Der lässt den Kunden sein Problem in dessen eigenen Worten beschreiben. Der Chatbot antwortet mit Vorschlägen, die er aus Hilfe-Dokumenten, Benutzerhandbüchern und ähnlichem Material bezieht.
Sollte die Auskunft nicht zufriedenstellend sein, können Kunden darum bitten, einen menschlichen Betreuer zu sprechen. In diesem zweiten Gespräch unterstützt der virtuelle Assistent den Kundendienstmitarbeiter mit entsprechendem Informationsmaterial. Leitende Angestellte erhalten über ein Dashboard Einblick in die Ergebnisse der jeweiligen Interaktion mit dem Kunden.
Dieser Bot ist, wie Microsoft in einem Blog auf MSDN erläutert, der erste in einer Reihe anpassbarer Programme, die auf MS Azure laufen. Für die kundenspezifische Anpassung steht Microsofts Cloud-Plattform seit Juli auch in einer Private Cloud zur Verfügung. Die Programme werden in MS Dynamics 365 AI zusammengefasst, so dass Dynamics die ERP-Plattform für die KI-Bots bereitstellt.
Sehen, hören, sprechen
Zu den grundlegenden Eigenschaften der Bots gehören zunächst Sehfähigkeit, Natural Language Processing (NLP) und Spracherkennung, was Machine Learning erfordert. Darüber hinaus liefert Microsofts Suchmaschine nicht nur entsprechende Algorithmen, sondern auch eine Fülle von Daten und Dokumenten, um den Chat-Bot zu füttern.
Weitere Komponenten sind das LinkedIn-Netzwerk und Büro-Software wie Office 365, das um Bilderkennung und "intelligente" Untertitel erweitert worden ist. In Windows 10 steht mittlerweile biometrische Erkennung zur Verfügung, und mit Cortana eine Assistenz- und Analytikplattform. Der Blogautor Steve Guggenheim demonstrierte bereits den Übersetzungsdienst für Power-Präsentationen.
Hohe Nachfrage im Boom-Markt für KI
Der Gartner-Analyst Van Baker sagte dem "Wall Street Journal": "Es gibt eine enorme Nachfrage seitens Unternehmen, die Chatbots für den Kundendienst einrichten wollen. Die dahinterstehende Absicht ist üblicherweise, die Zahl der Stellen im Kundendienst abzubauen." Baker schätzt, dass neun von zehn US-Unternehmen Chatbots evaluieren, aber bei nur vier Prozent laufen diese automatischen Programme bereits. IDC schätzt, dass der Chatbot-Markt bis 2021 von 1,1 Milliarden US-Dollar in 2016 auf 6,1 Milliarden anwachsen wird - pro Jahr also um 1 Milliarde. Ermöglicht wird dieses enorme Wachstum durch den Boom bei KI-Systemen. IDC sagt für 2020 ein Marktvolumen von 46 Milliarden US-Dollar voraus - 2017 waren es "nur" 12,5 Milliarden.
Frontalangriff auf IBM Watson & Co.
Ähnlich wie Google, IBM, Amazon Web Services und viele kleinere Cloud-Anbieter bietet Microsoft auf Azure APIs an, die Entwickler nutzen können, um KI-Dienste in ihre eigene Software einzubauen. Dazu gehören Cognitive Services und Azure Machine Learning.
Google bietet beispielsweise Service-APIs für NLP-Übersetzungen, Videoauswertung und Bildanalyse an, AWS offeriert Bildanalyse und Machine Learning Services. Doch das eigentliche Angriffsziel ist das Expertensystem IBM Watson. Denn mit Search & Discover, NLP, Text Mining und rund 50 weiteren APIs gehört Watson zu den führenden Plattformen für die Auswertung von Wissen, die auf dem Verstehen von vorhandenen Informationen basiert.
Rütteln am Salesforce-Thron
Während Watson seine Dienste in der Cloud als Watson Analytics anbietet, sind die Redmonder indes einen Schritt weitergegangen und bauen ihren Chatbot direkt in die kaufmännische Standardsoftware Dynamics 365 ein. Ein ähnliches Manko weist bislang auch Salesforce auf, das seine ERP-Suite ebenfalls in der Cloud anbietet - aber ausschließlich dort.
Mit der modulübergreifenden Komponente "Einstein" gelang Salesforce 2016 einen großer Sprung Richtung Machine-Learning-gestützter Analytik. Das Avatar "Einstein" tritt als digitaler Assistent auf, um einfache Fragen zu beantworten. Ob dieser Assistent aber mittlerweile auch als Chatbot im Kundendienst taugt, muss die "Dreamforce" Anfang November erweisen. Dann berichten Anwender von ihren Erfahrung, und Marc Benioffs Firma lässt die Welt einen Blick in ihr Schatzkästlein werfen.
Erste Kunden
Zu den ersten Nutzern des neuen Chatbot-Angebots gehören Microsoft selbst sowie HP Inc. und die Kaufhauskette Macy's.
"HP erfindet seinen Support neu, indem es seine Kunden in die Lage versetzt, viele ihrer Anliegen selbst zu erledigen", schreibt Jon Flaxman, der COO von HP Inc., in Steve Guggenheims Blog (s.o.). "Die fortschrittlichen KI-Funktionen, die Microsoft bereitstellt, ermöglichen es dem HP Customer Service, diese Selbstbedienungslösungen effizient und mit höherer Präzision als bisher bereitzustellen und zu verwalten." Über Abo-Preise macht Microsoft bislang keine Angaben.
* Michael Matzer ist freiberuflicher Journalist in Waldenbuch.
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