„Wir können auf Dauer keine ungeordnete Situation akzeptieren“ Städtisches Planungsamt will über Cluster aktiv ein Angebot für Datacenter-Bauten schaffen

Von Harald Lutz*

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Über Fragen aktiver Stadtplanung, neue Rechenzentrums-Cluster, das Erreichen der Klimaziele und vieles mehr hat Harald Lutz im Auftrag von DataCenter-Insider mit dem Planungsdezernenten der Stadt Frankfurt am Main, Mike Josef, gesprochen. Der verweist auf andere Referate, langfristige Planungen, die Konkurrenz anderer Wirtschaftszweige, die Wohnsituation und auf übergeordneten Umweltschutzziele. Ein spannendes Interview.

Der geplante Digital Park Fechenheim in Frankfurt am Main soll einen der Rechenzentrums-Cluster beherbergen.
Der geplante Digital Park Fechenheim in Frankfurt am Main soll einen der Rechenzentrums-Cluster beherbergen.
(Bild: Interxion/Digital Realty)

Wie beispielsweise die jüngst vorgestellten Pläne des Co-Locator Interxion (Digital Realty) für das ehemalige Neckermann-Gelände zeigen, kann im Gegensatz zu Amsterdam von einem befristeten Ausbaustopp für Rechenzentren in Frankfurt am Main keine Rede sein. Das Gegenteil ist offenbar der Fall: Sie haben die feste Absicht bekundet, in den kommenden Jahren weitere Datacenter am bundesdeutschen Hotspot ansiedeln zu wollen.

Mike Josef: Wir werben Rechenzentren nicht aktiv an. Wir können aber auch nicht die Augen vor der Realität verschließen.

Frankfurt am Main verzeichnet eine ständige Nachfrage nach neuer Fläche von Rechenzentrumsanbietern, die auch aktiv in den Grundstücksmarkt gehen, Grund und Boden aufkaufen und diesen entsprechend entwickeln. Das ist eine große Herausforderung für die Kommune, weil dieser Prozess sehr flächenintensiv ist.

Die großen Player sind zudem in der Lage, weit mehr für Grundstücke zu bezahlen, als deren Wertigkeit an sich hergibt. Das führt im gewerblichen Bereich zu Verdrängungsprozessen. Vor diesem Hintergrund haben wir beschlossen, diesen Prozess aktiv zu steuern und uns Flächen anzuschauen, die potenziell für neue Datacenter infrage kommen.

Die Rede ist von Cluster-Bildung. Können Sie diese Idee und die Vorhaben oder Pläne dazu näher erläutern?

Mike Josef: Zum einen ist die Ansiedlung neuer Rechenzentren durchaus wichtig für die wirtschaftliche Wertschöpfungskette und die weitere Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Frankfurt am Main ist weltweit der Internet-Knoten Nummer eins, wir bieten eine vorhandene städtische Infrastruktur und das macht uns für Rechenzentren attraktiv.

Um in diesen urwüchsigen Prozess etwas mehr Ordnung hineinzubringen und eine aktive Stadtplanung zu betreiben, ist es zum anderen aber auch erforderlich, den Betreibern ein klar definiertes Flächenangebot zu machen. Zusammen mit dem Wirtschaftsdezernat arbeiten wir aktuell an der Auszeichnung solcher Rechenzentrums-Cluster. Damit können wir gleichzeitig für die klassischen Gewerbe- oder Industriegebiete eine Nutzung durch Rechenzentren ausschließen, um auch den konventionellen Gewerbebereich zu schützen.

Können Sie schon Details verraten?

Mike Josef: Frankfurt am Main verzeichnet in vielen Bereichen Umstrukturierungsprozesse, so auch im Industriepark Griesheim. Aktuell befinden wir uns mit dem Betreiber und dem Vermarkter darüber in Gesprächen, wie das Gelände zukünftig weiter genutzt werden kann.

Eine Option dabei ist, einen guten Teil der Gesamtstruktur für ein Rechenzentrums-Cluster zu nutzen, aber mit Sicherheit nicht die gesamte Fläche. Das verstehe ich unter aktiver Stadtplanung – aktiv ein Angebot für Rechenzentren zu schaffen, aber auch klar zu sagen: an dieser Stelle nicht.

Auch der zukünftige „Digital Park Fechenheim“, der sukzessive in den kommenden acht Jahren auf dem ehemaligen Neckermann-Gelände entsteht, ist ein sehr gutes Beispiel hierfür. Der andere Weg hätte sein können, dass der Betreiber Interxion sich über die ganze Stadt verteilt.

Sie haben aber ihren absehbaren zusätzlichen Bedarf auf einen Campus mit einer erwarteten IT-Fläche von etwa 90.000 Quadratmeter sowie einer Kapazität von 180 Megawatt konzentriert. Solche Cluster sollen über die ganze Stadt verteilt werden. Somit bleiben an anderer Stelle Flächen frei, die wir anderweitig nutzen können.

Auf dem ehemaligen Neckermann-Gelände mit einer Gesamtfläche von 107.000 Quadratmeter werden zukünftig zirka 100 Menschen arbeiten. Aus diesem Beispiel erschließt sich unmittelbar, dass wir für die Rechenzentrumsbranche auch Flächen aussuchen können, bei denen nicht die Befürchtung aufkommt, dass das zu erwartende Verkehrsaufkom-men dadurch Chaos im Berufsverkehr auslöst - anders als in Büro- oder Wohnhochhäusern, wo man ohne vernünftige Verkehrsanbindung unmittelbar in chaotische Situationen kommen könnte. Umgekehrt können wir hervorragend angeschlossene Areale für anderweitige Nutzungen anbieten.

Aufgrund widriger Umstände in Frankfurt am Main – Mangel an geeigneten Flächen, ausgelastete Stromnetze und damit Energie-Engpässe sowie Defizite zum Beispiel beim Bau von Umschaltwerken mit langen Planungs- und Realisierungszeiten von fünf Jahren und mehr – zieht es viele Datacenter-Betreiber zunehmend auch ins Umland, in den Großraum Rhein-Main. Wie wollen Sie diesem Trend begegnen?

Mike Josef: Wir bekommen unterschiedliche Rückmeldungen, wie wichtig die unmittelbare Nähe zum Internet-Knoten De-CIX für die einzelnen Unternehmen wirklich ist. Beim Thema Rechenzentrums-Cluster wollen wir daher in naher Zukunft alle großen Betreiber zu Gesprächen einladen. Auch wenn wir Herausforderungen gerne annehmen, entlastet es uns natürlich, wenn auch das eine oder andere Rechenzentrum nicht auf Frankfurter Stadtgebiet, sondern im Umland errichtet wird.

Wie in vielen anderen Bereichen auch, ob es nun der Wohnungsbau ist oder die gewerbliche Entwicklung insgesamt, ist auch der Rechenzentrumsausbau keine Aufgabe, die die Stadt Frankfurt alleine lösen kann und will. Alleine von der Fläche her gesehen sind wir im Vergleich zu anderen Großstädten sehr begrenzt. Parallel dazu wächst die Stadt in vielen Bereichen. Wir sehen daher eine verstärkte Zusammenarbeit in der Region Frankfurt/Rhein-Main als dringend geboten an.

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Kann es von der Planungsseite her zu Konflikten kommen?

Mike Josef: Die Frage des Rechenzentrumsneubaus – einerlei, ob in der Stadt oder im Umland – hängt aber immer auch von den beiden Schlüsselfaktoren Gewerbeansiedlung und Wohnungsbau ab. Datacenter stehen in Flächenkonkurrenz sowohl zum Wohnen als auch zum konventionellen Gewerbe. Im Stadtteil Rödelheim beispielsweise hat ein Rechenzentrumsbetreiber jüngst ein Grundstück gekauft, auf dem ein mittelständisches Unternehmen angesiedelt ist, das das Gelände nun zu verlassen hat.

Ein anderes Beispiel gibt das Avaya-Rechenzentrum im Frankfurter Gallus-Viertel. Der Bebauungsplan sah 1.200 neue Wohnungen in unmittelbarer Nähe des Rechenzentrums vor. Sowohl mit dem Betreiber als auch mit dem Projektentwickler haben wir daher jahrelang verhandelt, um zu einer gemeinsamen einvernehmlichen Lösung zu finden, die sowohl die Lärmemissionen für die dort lebenden Menschen einschränkt als auch umgekehrt dem Datacenter-Betreiber die Befürchtung nimmt, durch den Wohnungsbau verdrängt zu werden. Aus dem Blickwinkel einer aktiven Stadtplanung ist das eine nicht ohne das andere zu diskutieren.

Vor allem der Lärm durch Dieselaggregate und die unkontrollierte Abgabe der Abwärme bilden die ökologische Kehrseite des innerstädtischen Rechenzentrumsausbaus. Das Bundesemissionsschutzgesetz liefert in puncto Lärmschutz bereits gute Vorgaben. Wann aber kommt für Frankfurt am Main die Einspeisung der Rechenzentrumsabwärme in das Fernwärmenetz?

Mike Josef: Sie sprechen hiermit einen ganz wichtigen Punkt an: Der technische Fortschritt – wie die Digitalisierung oder Smartcity – soll helfen, um mit dem Klimawandel vernünftig umzugehen. Die Produkte werden zwar immer Energie-effizienter, gleichzeitig haben wir aber in jeder Wohnung mittlerweile fünf bis zehn digitale Geräte, die auch Strom brauchen. Irgendwo muss der Strom dafür ja herkommen.

Bei den Rechenzentren sehen wir das Problem ähnlich gelagert: Einerseits brauchen wir die Datacenter, um die Digitalisierung weiter voranzubringen. Umgekehrt verbrauchen sie sehr viel Energie. Eine ganz entscheidende Frage wird sein, dass wir die entstehende Abwärme bereits in naher Zukunft so nutzen, dass wir nicht auf der einen Seite eine Smartcity betreiben, unter dem Strich aber ökologisch schädlicher arbeiten, als das vorher der Fall war.

Das alles ist keine Zukunftsmusik. Für den neuen Digital Park Fechenheim plant der Betreiber, mit der Abwärme der Rechenzentren sowohl Bürogebäude als auch Wohnblocks an der Hanauer Landstraße zu beheizen.

Im Digital Park Fechenheim soll Dtacenter-Abwärme geutzt werden, um Bürogebäude und Wohnblocks zu heizen.
Im Digital Park Fechenheim soll Dtacenter-Abwärme geutzt werden, um Bürogebäude und Wohnblocks zu heizen.
(Bild: Interxion (Digital Realty))

Auch die Stadt Frankfurt ist prinzipiell willig, in Zusammenarbeit mit Versorgern wie Mainova und Süwag für technische Entwicklungen sinnvoll Geld in die Hand zu nehmen. Ansonsten werden wir keine Null im Spiel haben oder effizienter werden, sondern unter Klimagesichtspunkten negativ arbeiten. Es macht daher absolut Sinn, Steuergelder zu investieren, um die Temperaturunterschiede zwischen den städtischen Wärmenetzen und der Abwärme aus den Rechenzentren mit ihrem vergleichsweise niedrigen Temperaturniveau in den Griff zu bekommen, damit diese Wärme auch von den Betreibern wirtschaftlich eingespeist werden kann.

Es gilt, beides zusammenzubringen, ein Matching herzustellen und die gegenseitigen Vorteile zu nutzen. Auch die Frage nach neuen Umspannwerken wird mittelfristig auf die Stadt Frankfurt zukommen.

Gibt es dazu bereits konkrete Pläne?

Mike Josef: Die Politik hat die Möglichkeit, verschiedene Steuerungsinstrumente zu nutzen. Das wiederum ist keine Aufgabe alleine des Planungsdezernates, sondern auch die anderer Dezernate, der Energieversorger, und last, but not least des Magistrats. Die Stadt Frankfurt wiederum ist Gesellschafter der Mainova. Wenn Gesellschafter und Politik ein Ziel gemeinsam politisch klar definiert haben, war in der Vergangenheit zu beobachten, dass Dinge auch sehr schnell vollzogen werden können.

Das Klimaziel ist ein übergeordnetes Ziel, und das darf durchaus auch mal etwas kosten. Und hier kann sich die Stadt Frankfurt ruhig beteiligen. Beim Thema Temperaturabsenkung der Wärmenetze sehen wir eine Bringschuld bei uns, aber auch eine, die wir von den Rechenzentrumsbetreibern selbst einfordern müssen.

Was bedeutet das für die Stadtplanung?

Mike Josef: Uns geht es zuvorderst darum, mit der Abwärmeproblematik die Klimaziele insgesamt und vor allem auch die Flächenfrage in den Griff zu kriegen. Wir können auf Dauer keine ungeordnete Situation akzeptieren, bei der wir als Stadt nur hinterherlaufen. So etwas ist in der Stadtplanung immer fatal.

Auch für die Ansiedlung neuer Rechenzentren in der Stadt braucht es eine gewisse Weitsicht. Daher werden wir schon bald konkrete Cluster und Flächen ausweisen, damit wir an dieser Ecke Ruhe haben.

Darüber hinaus beschäftigt uns die Frage, wie die Rechenzentrumsareale und Cluster so gestaltet werden können, dass sich auch eine gewisse öffentliche Nutzung ergibt beziehungsweise dass man umgekehrt keine hinter Stacheldraht verborgenen Areale mehr hat. Das war uns auch beim neuen Digital Park Fechenheim äußerst wichtig, wo wir zur Hugo-Junkers-Straße hin über Fußgängerwege Belebung durch Cafés oder Restaurants her-stellen werden. Kleinere, noch offene Fragen beispielsweise sind die Fassaden der Rechenzentren und die Dachbegrünung.

Wie wird sich der Rechenzentrumsstandort Frankfurt am Main in den nächsten vier bis fünf Jahren verändern beziehungsweise weiterentwickeln?

Mike Josef: Er wird sich einerseits weiter vergrößern und erweitern. Das steht außer Frage. Der Rechenzentrumsneubau innerhalb Frankfurts wird auf der anderen Seite aber auch viel geordneter ablaufen, als es heute noch der Fall ist. Auch Standorte im Umland, die neue Gewerbegebiete ausweisen, werden immer stärker in die Debatte kommen. Dafür braucht es einen starken regionalen Bezug.

Neue Ansätze, zum Beispiel beim Ausbau der Rechenzentren mehr in die Höhe zu gehen, um Flächen einzusparen, und kleinere dezentrale Edge-Rechenzentren werden mehr an Gewicht gewinnen. Die althergebrachten großen monolithischen Bauten können wir uns in Zeiten des Klimawandels nicht unbegrenzt erlauben.

* Harlald Lutz ist freier Journalist und wohnt in Frankfurt am Main.

Frankfurter Datacenter sollen zu einer verbesserten städtebaulichen Integration beitragen

Die Betreiber von Rechenzentren sollen laut einer Stellungsnahme des Stadtplanungsamtes Frankfurt am Main zukünftig vermehrt zu einer besseren städtebaulichen Integration beitragen. Das heißt, dass an zentralen Straßen beziehungsweise Standorten mit städtebaulicher Bedeutung Baukörper mit „aktivierender Nutzung“ wie beispielsweise Büro, Verwaltung oder Gewerbe platziert werden. Die Fassaden sollen dementsprechend angepasst werden.

Zur besseren stadträumlichen Verträglichkeit ist geplant, Datacenter hier in die „zweite Reihe nach hinten“ abzurücken. Ist eine solche Zweiteilung nicht möglich, sollte eine gestaffelte Begrünung zwischen der Straße und dem Datacenter einen stadtverträglichen Übergang ermöglichen. Fassaden- und Dachbegrünung sind meist problemlos technisch möglich und dementsprechend leicht umzusetzen.

Es ist geplant, auch den Versiegelungsgrad gegenüber den bisher errichteten Gebäuden abzusenken. Dies kann zum Beispiel über eine vertikale Stapelung erfolgen, bei der bestenfalls die Erdgeschossebene eine andere „aktivierende Nutzung“ bereithält. Auf diese Weise entsteht ein Hybrid-Gebäude. Dabei soll die vertikale Stapelung möglichst stadtraumverträglich erfolgen. Es wird angestrebt, die technische Infrastruktur für die Versorgung der Rechenzentren möglichst straßenabgewandt zu errichten.

Entscheidungen über geeignete Standorte der neuen Rechenzentrumscluster in Frankfurt am Main, Prioritäten der Standortentwicklung und der bauplanungsrechtlichen Feinsteuerung erfordern dagegen noch stadtinterne, wirtschafts- und planungspolitische Positionsbestimmungen. Bevor bindende generelle Regelungen getroffen werden, sollen diese mit der Branche erörtert und gegebenenfalls im Dialog weiterentwickelt werden.

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