Neue Kühlmethoden für Rechenzentren OCP-Summit: Kommt endlich die Flüssigkühlung?
Mit Luftkühlung kommt man in den Rechenzentren der Hyperscaler und auch anderenorts nicht mehr weiter. Neuartige Kühllösungen sind deshalb ein Schwerpunkt des OCP-Summits 2020. Unter anderem stellten Rittal und Zutacore eine Kooperationslösung vor.
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Luftkühlung im Rechenzentrum stößt angesichts weiter steigender Rechnerleistungen an ihre Grenzen. Gerade hochleistungsfähige Chips und Module, wie sie beispielsweise für die Datenanalyse oder das Anlernen neuronaler Netze gebraucht werden, sondern sehr viel Wärme ab. Und die muss irgendwie weg – effizient und ohne die PUEs der Rechenzentren wieder steigen zu lassen.
Dass sich hier etwas bewegt, zeigen aktuelle Marktprognosen. So geht Markets and Markets in einer aktuellen Studie davon aus, dass sich der Weltmarkt für Datacenter-taugliche Flüssigkühlungstechnik von 1,2 Milliarden Dollar 2019 auf 3,2 Milliarden Dollar 2024 vergrößern wird. Der Markt wächst jährlich um 22,6 Prozent.
Das OCP (Open Compute Project) arbeitet an Definitionen für Komponenten und Prozesse, entsprechenden Spezifikationen und technischen Umsetzungsempfehlungen. Daran fehlt es heute weitgehend, weshalb es keine Kompatibilität zwischen den Lösungen einzelner Anbieter gibt. Man könnte sagen: Jede Lösung ist ein Unikat.
Im Rahmen des OCP-Projekts Rack&Power arbeiten daran drei Unterprojekte. Es sind ACS Immersion Cooling, ACS Cold Plate und ACS Door Heat Exchange. ACS steht hier für Advanced Cooling Solutions.
Unterschiedliche Datacenter-taugliche Kühltechniken
- Das erstgenannte Projekt kümmert sich um alle Themen mit Bezug zu Immersionskühlung - von den Anforderungen an die Kühlmittel bis zur Verbindung mit dem restlichen Rechenzentrum.
- ACS Cold Plate befasst sich mit der Kühlung einzelner Chips oder ganzer Module mit Hilfe von Kühllösungen für einzelne Chips oder Module.
- ACS Door Heat Exchange definiert eine rückwärtige Rack-Tür (für OCPV3-Racks oder andere), die als Wärmetauscher fungiert, um beispielsweise durch Cold Plates abgeführte Wärme weg zu kühlen.
Alle drei Themen wurden auf dem komplett virtualisierten OCP Summit 2020 behandelt. Hinsichtlich der Immersionskühlung ging es um den Stand der Dinge und geplante Veröffentlichungen, aber auch um spezifische Anforderungen an Kühlmittel und Serverdesigns sowie praktische Umsetzungen. Designanforderungen und die geplanten Veröffentlichungen. Spezifikationen sollen für alle Varianten der Immersionskühlung entstehen: ein- und zweiphasige, geschlossene, offene und Hybridsysteme.
Zweite Version der OCP-Spezifikation für Immersionskühlung in Arbeit
Bereits 2019 veröffentlichte das OCP Rev. 1 der Anforderungen an die Immersionskühlung, eine Überarbeitung (Rev.2) ist in Arbeit. Noch in diesem Jahr sollen zwei Whitepaper entstehen, eines, das die bisher definierten Anforderungen genauer spezifiziert und ein Papier mit technischen Umsetzungshinweisen. Alle Veröffentlichungen stehen, sobald sie fertiggestellt sind, allgemein zugänglich auf der OCP-Website.
Schon heute wird deutlich, dass sich die Serverdesigns an die neue Technologie anpassen sollten, um deren Potential voll auszureizen. So schlug Microsoft vor, DRAMs auf Serverplatinen in Form von Mezzazine-Flachmodulen zu montieren.
Damit, so Mark Shaw, Microsoft, der am Projekt Olympus mitgearbeitet hat, ließe sich die Höhe der einzelnen nebeneinander in die Immersionskühllösung gehängten Serverboards auf 24 Millimeter verringern. Das wiederum ermögliche, so Shaw weiter, in einem 10-U-Immmersionsbecken 80 Serverplatinen unterzubringen und damit dessen potentielle Kühlleistung optimal abzuschöpfen. Andere Serverdesigns mit den gewohnten Speicherbänken oder anderen Wegen, den Speicher zu integrieren, sind wesentlich höher, was wertvollen Platz im Tauchbecken verschenkt.
Neue Produkte und Lösungen: Asperitas, Hyve/Cooler Master
Ein Anbieter, der bei Flüssigkühllösungen vorangeht, ist Asperitas. Die Kühllösung zu den Asperitas-Lösungen steuert Kooperationspartner Shell bei. Auf dem OCP Summit stellte Asperitas mit „AIC24“ eine Lösung für Racks mit 24 1-U-21-Zoll-Servern und zwei Switches vor.
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Server auf Tauchstation
Shell liefert Asperitas eine Flüssigkeit für immersive Kühlung
Das System arbeitet mit Konvektion, welche die Kühlflüssigkeit im Kreis laufen lässt. Mehr als 98 Prozent der abgeführten Hitze lässt sich in Form von Heißwasser weiter verwerten.
Asperitas, dessen Ziel es ist, Immersionskühlung breiteren Märkten schmackhaft zu machen, plant nun eine neue Immersionskassette für die Integration in von OEMs produzierte Immersionsserver beziehungsweise -systeme. Mit dem Kooperationspartner Dell soll noch innerhalb des zweiten Quartals das erste Produkt vorgestellt werden.
Hyve, ein Unternehmen, das Hyperscale-Infrastrukturen bereitstellt, verkündete auf dem OCP Summit seine Kooperation mit Cooler Master, einem US-Spezialisten für Thermallösungen. Gemeinsam wollen die beiden Kühlsysteme aufbauen, die die Leistungskapazität von Racks verdoppeln sollen.
Flüssigkühlung für Chip und Einzelracks: Cold Plate und Kühltür
Müssen nur einzelne Chips, Module oder Racks mit Flüssigkeit gekühlt werden und arbeitet daneben eine Luftkühlung, spricht man von hybriden Kühllösungen. So genannte Cold Plates, also Kühlplatten, werden sehr wahrscheinlich in Zukunft besonders im Umfeld von Beschleunigersystemen verwendet. An einer entsprechenden Architektur arbeitet die OCP unter dem Projektnamen OAI (Open Accelerator Infrastructure).
Für die Flüssigkühlung einzelner Elemente empfehlen sich, so ein Referat von Facebook, AMD und Baidu während des virtuellen OCP-Summit, Architekturen, bei denen die Cold Plate als separate Komponente an einen Träger geschraubt wird. Zwischen Träger und Coldplate befindet sich der Chip.
Ein direkt an oder in den Chip integrierter Kühler ist zwar geringfügig effizienter, hat aber Nachteile. So kann man einen selbständigen Kühler auch nachträglich integrieren und für verschiedene Chips verwenden.
Die Abwärme der Cold Plate wird an einen Rückkühler entweder in der hinteren Racktür in einem im Rack untergebrachten Modul abgegeben. Das synthetische Kühlmittel fließt im geschlossenen Kreislauf. Deshalb ist trotz Flüssigkühlung kein Wasseranschluss im Rechnerbereich nötig. Für das Cold-Plate-Design und die Kühltür gibt es bereits Anforderungsspzifikationen, die aber weiter verfeinert werden.
Ein neuralgischer Punkt derartiger Lösungen sind die Sicherheits-Schnellanschlüsse für die Kühlflüssigkeit (Universal Disconnect, UDC). Hier arbeitet das OCP an einer Spezifikation für Steckergesichter, damit Anwender nicht zwangsweise an einen Hersteller gefesselt werden. Das Innenleben der Verbinder soll dagegen frei gestaltbar bleiben, um den Wettbewerb zu fördern.
Zutacore: Marktreife Cold-Plate-Lösung
Das israelisch-amerikanische Unternehmen Zutacore hat eine 2-Phasen-Direktkontaktkühlung im Niederdruck nach dem oben beschriebenen Bauprinzip entwickelt. Die Kühlflüssigkeit verdampft in dem aufgesetzten Mini-Kühlmodul bei 50 Grad Celsius, die Hitze wird dann durch Kondensieren weitergegeben und das Kühlmittel im geschlossenen Kreislauf zur Wärmequelle zurückgeführt.
Der Wärmetauscher ist separat und steckt zum Beispiel in der Tür. Chips mit einer Leistung bis zu mehr als 750 Watt lassen sich so kühlen. Einen Wasseranschluss im Rechnerraum braucht man für diese Lösung nicht.
Auf dem OCP Summit konnte Zutacore gleich zwei Partnerschaften präsentieren. Die eine betrifft Gigabyte. Der Serverspezialist kündigte mit „Racklution OP-T022-Z61“ einen Server mit Zutacore-Chipkühlung an. Zudem verkündete Zutacore eine Kooperation mit Rittal. Der hessische Gehäusespezialist bringt zwei Gehäusevarianten mit Zutacore-Chipkühlung unter dem Label „Rittal HPC Cooled by Zutacore“.
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Direct Chip Cooling
Rittal und Zutacore gehen gemeinsam das High Performance Chip Cooling an
Rittal-Zutacore-Lösung: Auch für 19-Zoll-Schränke
Eine Variante ist ein OCP-V3-konformer Schrank mit Kühltür. Die zweite eignet sich auch für die nachträgliche Integration in konventionelle 19-Zoll-Schränke, beispielsweise in Edge-Datacenters. Hier wird das Rückkühlmodul direkt im Rack montiert. Der Sekundärkühlkreislauf kann mit Wasser oder Luft arbeiten. In beiden Fällen reicht er für 20 Kilowatt Kühlleistung.
Diese und hoffentlich bald weitere Produkte könnten der Flüssigkühlung endlich die Tür zu mehr Rechenzentren öffnen. Das ist dringend wünschenswert, da in Zukunft in vielen Rechenzentren und am Edge erheblich mehr Rechenleistung für die Datenauswertung benötigt wird, was den Verbrauch von Kühlleistung nach oben treibt.
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