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Aufgabe für die Energiepolitik und für die Betreiber Nachhaltige Datacenter sind ökonomisch und ökologisch sinnvoll
Nachhaltige Energieversorgung und Teilhabe an der digitalen Revolution müssen intelligenter und vernetzter gedacht werden. Für beide „Basis-Querschnittstechnologien“ sind richtigerweise von der Politik vergleichbare Ziele definiert, um eine erfolgreiche, zukunftsfähige und umweltfreundliche Volkswirtschaft zu ermöglichen. Aber sie bedingen sich auch gegenseitig, das heißt: Die Ziele im energiewirtschaftlichen Bereich sowie im Bereich digitaler Infrastruktur lassen sich nur gemeinsam realisieren.
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Eine (daten-)sichere, rund um die Uhr verfügbare, effiziente und bezahlbare digitale Infrastruktur ist inzwischen ein genauso wichtiger Standortfaktor wie eine Stromversorgung, die im internationalen Vergleich die gleichen vorgenannten Eigenschaften erfüllt. Internationale Wettbewerbsfähigkeit und Planungsverlässlichkeit bei Sicherheit, Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit ist somit für die digitale wie auch die energetische Versorgung entscheidend, wenn Deutschland bei Industrie- und Dienstleistungs-Investitionen ein attraktiver Standort bleiben soll.
Schwächen der Energiepolitik – und energiefachlicher Prozesse von Rechenzentren
Aktuell wird durch eine suboptimale Energie- und Standortpolitik viel Branchenpotenzial verschenkt – schlecht für Umwelt, Zukunftsfähigkeit und Wohlstand und auch für das unter Last stehende Energiesystem. Zusätzlich zeigen energiewirtschaftliche Untersuchungen und Netz- sowie Compliance-Projekte, dass internationale CSPs häufig mit den im weltweiten Vergleich extrem komplizierten deutschen Energieumfeld überfordert sind.
Sie tragen deshalb unnötige Kosten, Risiken und Verzögerungen im Energiebereich und verschenken Wettbewerbspotenziale. Deshalb sind sowohl bei den energiepolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland als auch bei den energiefachlichen Prozessen von Datacenter Verbesserungen ein wichtiges Thema.
Wettbewerbsfähige digitale Infrastrukturen als ökonomisches und ökologisches Interesse
Ohne Digitalisierung ist keine effiziente und umweltfreundliche Produktion („Industrie 4.0“), Kollaboration („Web-Konferenz statt Anreise“) und Wissensgesellschaft („vernetztes Know-how“) möglich. Dies hat die Bundesregierung erkannt und neben der bestehenden Energiestrategie im Jahr 2020 eine Digitalstrategie veröffentlicht.
Dort ist zwar viel von Breitbandausbau und Künstliche Intelligenz (KI) die Rede, es fehlt jedoch die Erkenntnis, dass hinter diesen Themen immer eine leistungsfähige Rechenzentrumsinfrastruktur stehen muss. Effiziente Rechenzentren sind schließlich das entscheidende Rückgrat der Digitalisierung sowie der umweltfreundlichen Nutzung von „compute power“ als effiziente „shared economy“. Sie müssen von der Politik als zukunftsentscheidende Querschnittstechnologie grundsätzlich stärker in der Digitalstrategie berücksichtigt werden.
Globale Digitalisierungstrends finden mit oder ohne Deutschland statt. Ebenso wird Rechenleistung auch in Zukunft physikalisch bedingt eine stromintensive Produktion sein, genauso wie die stromintensive Produktion von klimafreundlichen Elektrometallen und Glasfasern, die weltweit zum Beispiel in Windrädern, in Elektromotoren oder in der Netzinfrastruktur zum Einsatz kommen.
Merkwürdige politische Diskussionen zu „weniger googeln“ (da stromintensiv) sind damit ebenso unsinnig, wie zu fordern, keine Windräder mehr zu bauen, da diese in der Produktion stromintensive Kupfer-, Glas- und Carbonfaserwerkstoffe benötigen. Die Politik hingegen kann sehr wohl intelligent beeinflussen, wo die Rechenleistung für digitale Dienste produziert wird.
Erfolgt diese Produktion in dem Industrieland, welches mit hohen Pro-Kopf-Summen die Stromwirtschaft ökologisch umbaut und zeitgleich aus der Kohle- und Atomverstromung aussteigt oder in Ländern, deren Energiesystem geringere Umweltanforderungen hat? Letzteres verschlechtert nicht nur die Bedingungen für die sichere Digitalisierung, sondern erzeugt auch global negative Umwelteffekte und schreckt andere Länder von der Nachahmung der deutschen Energiewende ab.
Indirect carbon leakage – Rechenzentren als stromintensive Zukunftsindustrie
Die ökologisch und ökonomisch unsinnige Abwanderung wichtiger stromintensiver Industrien ist in der EU unter dem Stichwort „indirect carbon leakage“ erkannt worden, zum beispiel im Emissionshandelssystem (EU-ETS). Andere europäische Länder schützen inzwischen auch Rechenzentren vor zu hohen Strom-Zusatzabgaben.
Auch die deutsche Energiepolitik täte gut daran, Rechenzentren ebenfalls als stromintensive Industrie anzuerkennen und insbesondere bei der Stromsteuer und EEG-Umlage eine wettbewerbsfähige Begrenzung analog zu anderen Industrien zu etablieren. Denn neben digital- und umweltpolitischen Vorteilen besteht auch aus Sicht des deutschen Energiewende-Systems ein Interesse, zukünftig attraktiver Standort für sektorgekoppelte, effiziente und integrierte Datacenter-Investitionen zu sein.
Das integrierte, sektorgekoppelte Rechenzentrum als Teil der urbanen Infrastruktur der Zukunft
Das Stromsystem steht durch die Energiewende unstrittig vor großen Herausforderungen. Wegfall von jederzeit gesicherter Erzeugungsleistung, abnehmende gleichmäßige Netzauslastung aufgrund volatiler Erneuerbarer, langsamer Netzausbau und regionale Netzungleichgewichte und damit für Rechenzentren knappe und aufwändig zu realisierende Stromnetzkapazitäten. Erhöhter Regelenergiebedarf, Bedarf an Zubau von modernen Gaskraftwerken (zirka 40 GW) sowie die sukzessive Dekarbonisierung des Wärmesektors kommen hinzu. Genau hier könnte der Ansatz des systemdienlichen sektorgekoppelten Datacenter helfen, der derzeit aber durch ungünstige energiepolitische Rahmenbedingungen verhindert wird.
Denn ein Rechenzentrum ist aus Energiesicht eine Strom-Wärme-Kälte-Anlage mit sehr gleichmäßigen, gut planbaren Energieverbrauch. Daraus folgen Lösungsansätze zu sektorgekoppelten Datacenter im urbanen Raum, zum Beispiel:
- Dezentrale, erdgasbasierte Eigenerzeugung durch mehrere (redundante) hocheffiziente Blockheizkraftwerke (BHKWs), die Teile der gleichmäßigen Stromnachfrage decken. Dies reduziert nicht nur die Kapazitätsbedarfe, sondern schafft auch flexible, netzdienliche Steuerungsmöglichkeiten und Kostenoptimierungspotenziale am Strommarkt. Rechenzentren reduzieren damit nicht nur den physikalischen CO2-Footprint (im Vergleich zu einer reinen Netzversorgung) sondern können im Rahmen ihres Beschaffungsmanagements am Großhandelsmarkt die Infrastruktur schrittweise auf CO2-Neutralität bis hin zur Wasserstoffkompatibilität umstellen.
- Die von den Servern erzeugte Abwärme hat das Problem der geringen und unwirtschaftlichen Temperatur (unter 45 Grad). Diese könnte durch Einbindung in den Wärmekreislauf der BHKWs jedoch zumindest teilweise hochgespannt und somit direkt für umliegende urbane Wärmenetze genutzt werden.
- Die gerade im Sommer häufig nicht nutzbare Wärmeproduktion von Gaskraftwerken korreliert bei Rechenzentren mit dem steigenden Kältebedarf zur Serverkühlung. Durch gekoppelte Kälteanlagen (KWKK) kann hier umweltfreundlich und lokal die notwendige Kühlung erzeugt werden. Grundsätzlich ist gerade in zunehmend verdichteten Stadtgebieten zu überlegen, ob nicht auch Nahkältesysteme zukünftig eine effizienzsteigernde Alternative zu den Haushalts- beziehungsweise Büroklima-Anlagen darstellen.
- Fließgewässer könnten ebenfalls in Rückkühlprozesse einbezogen werden (analog bisheriger urbaner Kraftwerksstandorte)
Dass ein hochintegriertes Datacenter-Energiesystem höhere Investitionskosten wie ein klassisches Setup verursacht, ist aktuell vielleicht noch das kleinere Problem. Viel schwerwiegender ist, dass die aktuellen energiepolitischen Vorhaben die Einbindung von Sektorkopplung und dezentraler Eigenerzeugung massiv behindern und verteuern.
Denn neben neuen Risiken und Kosten aus dem kommenden nationalen Emissionshandel (BEHG), der diese Anwendung nicht berücksichtigt, sind vor allem erheblich nachteilige Regelungen im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWK), im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sowie im Stromsteuergesetz (StromStG) ein unnötiger Hemmschuh. Dieser erhöht die Betriebskosten für sektorgekoppelte Rechenzentren massiv.
Auch hier würde die Anerkennung von Rechenzentren als energieintensive Industrie viele Probleme lösen und Investitionen in system- und netzdienliche sowie umweltfreundliche neue Konfigurationen auslösen können. Die Politik sollte hier dringend nachbessern. Sektorgekoppelte Rechenzentren könnten dann auch bevorzugt an urbanen Standorten angesiedelt werden, an denen die vorgenannten Kopplungsbedingungen besonders gut zusammenkommen.
Wettbewerbsfähige Energieprozesse in Deutschland besonders wichtig
Die aktuellen Entwicklungen in der Energiegesetzgebung wie auch bei der Netzregulation erhöhen signifikant den Kosten- und Compliance-Druck für Rechenzentren. Da im internationalen Vergleich viele Besonderheiten bestehen, sind in der Praxis die Energiekosten- und -Risiko-Management-Prozesse bei vielen Datacenter-Betreibern nicht adäquat. Vermeidbare Mehrkosten und Risiken sind die Folge.
Typische Praxisbeispiele:
- Häufig wird die Energiebeschaffung noch auf Energievertriebsebene mit klassischen Ausschreibungen und im Ergebnis einem einzelnen Versorger umgesetzt, statt wie vergleichbare große Industriekunden den anbieterunabhängigen Großhandelsmarkt in Deutschland direkt zu nutzen.
- Bei Netzanschlussprojekten für neue Rechenzentren oder deren Ausbau bestehen in Deutschland viele regulatorische Grauzonen, die zugunsten des Netzanbieters oder des Netznachfragers verhandelt werden können. Hier werden häufig nicht alle Möglichkeiten zur Kostensenkung wie auch zur zeitlichen Realisierungsverkürzung genutzt.
- Die energiefachliche Netz-, Steuer- und Mess-Vorschriften werden nicht entlang der gesamten Kette bis zu den Kunden des Rechenzentrums umgesetzt, was erhebliche Schadens- und Rechtsrisiken bewirken kann.
* Björn Vortisch ist Geschäftsführer der für zahlreiche Rechenzentren im Energiekomplex tätigen Enexion GmbH.
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