Service Provider Summit 2022: Das muss ein digitales Ökosystem können Die Echtzeitwirtschaft - Wieso fangen wir erst jetzt mit der Umsetzung an?
Anbieter zum Thema
Die Real-Time Economy oder zu deutsch „Echtzeitwirtschaft“ ist ein sich rasch entwickelndes Feld, das die digitale Transformation von Kernwirtschaftsfunktionen und -transaktionen im privaten wie öffentlichen Bereich vorantreibt. Dies beginnt mit dem Produktionsbereich, und breitet sich auch auf den Handel, die Dienstleistungen und das breite Feld der Buchhaltung und Berichterstattung aus, so der estländische Professor Robert Krimmer.

Dabei gilt es neben Ersparnissen, vor allem neue, digital getriebene und disruptive, Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Die Echtzeitwirtschaft verspricht das gemäß Steven Jobs ‚next big Thing‘ zu werden, das die Wirtschaft und Gesellschaft unabhängig von Zeit und Raum macht, aber auch menschliche Interaktionen reduziert oder gar unnötig machen wird.
Diese Idee ist allerdings nicht neu. Bereits seit den Anfängen der Informations- und Kommunikationstechnologie stand die Idee, Firmen und Geschäfte in Echtzeit aus der Ferne erledigen zu können. Doch erst in diesem Jahrtausend scheinen diese Ideen Realität werden zu können, da Firmen aber auch Länder zunehmend daran arbeiteten, papierbasierte Finanz- und Verwaltungstransaktionen durch digitale Maschinen-zu-Maschinen Kommunikation zu ergänzen und zu ersetzen. Sie könnten zudem komplett ohne menschliches Zutun ablaufen.
Nicht zuletzt hat die COVID 19 Pandemie das ihre dazu beigetragen wie ein Katalysator den Transformationsprozess auf eine Art zu beschleunigen, wie es kurz zuvor noch ganz undenkbar erschien, und darin resultierte, dass die Abhängigkeit von Papierakten, physischem Geld, aber auch menschlicher Kommunikation reduziert werden konnte.
Die Echtzeitwirtschaft kann als ein digitales Ökosystem verstanden werden, in dem Transaktionen zwischen ökonomischen Akteuren (nahezu) in Echtzeit stattfinden, welche durch den automatisierten digitalen Austausch von strukturierten und maschinenlesbaren Daten in standardisierten (Datei-)formaten ermöglicht wird.
Die Bestandteile der Echtzeitwirtschaft (Real-Time Economy) zwischen Verwaltung, wirtschaftlichen Akteuren und Bürgern sind auf vier Ebenen verteilt:
- 1. Infrastruktur,
- 2. elektronische Dienstleistungen,
- 3. Management und
- 4. Vorteile für die Akteure.
Auf der ersten Ebene wir die Hausarbeit erledigt; denn hier werden Infrastrukturbestandteile benötigt, die den Unterbau für das digitale Ökosystem bereitstellen: elektronische Identität, aber auch Datenaustauschschnittstellen wie die X-Road oder GaiaX, aufbauend auf Standarddateiformaten wie auf XML-Basis, die wesentlich sind.
Die nächste Ebene ist essenziell, um Release, Train, Engineer (RTE) mit den zuvor gesetzten Infrastrukturmaßnahmen tatsächlich unter den Akteuren zu realisieren: Mit interessanten und nützlichen elektronischen Dienstleistungen lassen sich Unterstützer und Förderer von RTE gewinnen.
Hierzu zählen Services wie ein elektronisches Rechnungs- und Belegwesen, das nicht nur auf einzelne Institutionen beschränkt ist, sondern universell im In- und Ausland funktionsfähig ist. Nur so können technische Insellösungen vermieden werden und in Zeiten der Globalisierung wirklich weltweite Optimierungspotentiale ermöglichen. Gerade im Bereich der e-Vergabe hat sich hier international viel getan, und scheint im Unternehmensbereich bald nicht mehr wegzudenken sein.
In der dritten Umsetzungsebene sind Management-Elemente entscheidend um die Echtzeitwirtschaft zu ermöglichen. Geschäftsprozessstrukturierung, -standardisierung und -modellierung sind sehr hilfreiche Schritte, um diese Transformation voranzutreiben und das Vertrauen zwischen den Akteuren herzustellen.
Nutzenbasierte Automatisierung
Zuletzt bleiben die wesentlichen Vorteile. Die Echtzeitwirtschaft ermöglicht, datengetriebenes und evidenzbasiertes Handeln, das Ausnützen von Optimierungspotenzialen. Die (genauere) Vorhersage von Bedarf und Entwicklung, basierend auf echten Daten, wird zu einer erhöhten Wettbewerbsfähigkeit führen, die durch sinnvolle und nutzenbasierte Automatisierung unterstützt wird.
Diese vier Ebenen sind in der untenstehenden Grafik näher ausgeführt.
Die Echtzeitwirtschaft ist ein eher technologiegetriebenes Konzept, das von den Manchern als zu optimistisch angesehen werden könnte. Aber ein solches Technologieprojekt erfordert nicht nur eine breite Bereitschaft zur Nutzung dieser Möglichkeiten, sondern ermöglicht auch neue Fähigkeiten bei der Überwachung der korrekten und datenschutzkonformen Nutzung der Daten.
Anstelle der in Deutschland so oft vorherrschenden „Datenangst“ kann dieser ein neues - von Transparenz und Nachvollziehbarkeit getragenes - Datenschutzverständnis gesetzt werden. So wird das Datensubjekt befähigt, durch die strukturierte und nachvollziehbare Datenübertragung, Daten, die die eigene (natürliche oder juristische) Person betreffen, einsehen zu können und im Missbrauchsfall mit Beweisen dagegen vorgehen zu können.
Die Echtzeitwirtschaft ermöglicht uns allen, ein neues digitales Ökosystem zu schaffen, das neue Möglichkeiten und Horizonte eröffnet, und uns unsere Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit sicherstellt. Wieso fangen wir erst jetzt mit der Umsetzung an?
* Der AutorProfessor Dr. Dr. Robert Krimmerist Professor für e-Governance an der Universität Tartu in Estland.
Artikelfiles und Artikellinks
(ID:48269773)