Proof-of-Concept belegt Vorteile Die Blockchain ist im Prozess-Alltag angekommen
Die Blockchain wird immer wieder im Kontext der Industrie 4.0 angesprochen, in den Bereichen Supply Chain und Logistik verspricht die neue Technologie deutliche Verbesserungen. Gibt es Beispiele für die erfolgreiche Nutzung des Verfahrens in den Bereichen Engineering und perspektivisch auch in der Fertigung? Ja, sagt Konstantin Graf. Er leitet seit 2017 das weltweite Kompetenznetzwerk bei Altran für das Thema Blockchain.
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Transparenz ist das A und O bei Blockchains. Sie sorgen bekanntlich dafür, dass sich Anwender auf Informationen verlassen können, weil ein Dokument „echt“ ist. Dafür werden in einer Blockchain, also einer aus Blöcken bestehenden Kette, die Informationen dezentral verwaltet.
Das bedeutet, dass Datensätze nicht auf einem Server gespeichert werden, sondern vielmehr auf verschiedenen Rechnern. Das bedeutet auch, dass es mit der Blockchain keine Zwischenhändler mehr braucht. Transaktionen werden direkt zwischen Personen abgewickelt – ohne zentrale Abwicklungsstelle.
Würde jemand den Versuch unternehmen, ein älteres Dokument mutmaßlich zu seinen Gunsten abzuändern, würde das sofort auffallen, denn dann stimmt die manipulierte Blockchain nicht mehr mit der der anderen Nutzer zusammen – und wird verworfen. Betrug auf Basis gefälschter Dokumente wird so unmöglich.
Deswegen ist die Blockchain-Technologie nicht nur für Bürger, sondern auch und gerade für Banken, Versicherungen, Energieversorger oder Entwickler äußerst interessant. „Die Blockchain bringt Vertrauen in Prozess und Schnittstellen und ermöglicht so die automatisierte Zusammenarbeit“, fasst Graf zusammen.
Blockchain beschleunigt die Anwendungsentwicklung um 34 Prozent
Belegt werden konnten die Vorteile der Blockchain durch ein Pilotprojekt des Digital Supply Chain Institute (DSCI) in Zusammenarbeit mit Aricent und der auf Blockchain spezialisierten Bitfury-Gruppe. In einem sechsmonatigen Proof-of-Concept wurde bei Aricent, einem weltweit tätigen Design- und IT-Unternehmen, untersucht, welche Auswirkungen ein Blockchain-fähiger Softwareentwicklungsansatz auf die Lieferkette für die Software-Produktentwicklung und auf DevOps-Entwicklungsabläufe hat. Dafür hat DSCI den Blockchain Fitness Index (BFI) entwickelt, ein Tool, das die geschäftlichen Auswirkungen der Technologie auf Lieferkette messen kann. Die Ergebnisse:
- Die Blockchain hat den Takt bei der Anwendungsentwicklung um 34 Prozent verbessert.
- Die Blockchain hat die Produktivität um 29 Prozent erhöht.
- Die Blockchain hat die Qualität um elf Prozent verbessert.
„Auf Basis dieser Ergebnisse hat die Altran-Tochterfirma Aricent das Konzept implementiert“, berichtet Graf. „Heute wird es in den 150 größten Projekte operativ eingesetzt. Über 1500 Mitarbeiter arbeiten angeleitet durch das System.“
Erwartungen wurden übertroffen
"Die Ergebnisse haben unsere Erwartungen übertroffen. Wenn wir das Potential der Blockchain voll ausnutzen, eröffnen sich neue Marktchancen, eine verbesserte Profitabilität und eine weitere Differenzierung von unseren Wettbewerbern", zeigte sich der CTO von Aricent, Walid Negm, überzeugt.
"Diese Studie zeigt empirisch, dass die Blockchain-Technologie die Effizienz verbessert und für mehr Transparenz sorgt", kommentierte Valery Vavilov, CEO von Bitfury. "In Zusammenarbeit mit Aricent und DSCI konnten wir das System verbessern, für eine beispiellose Effizienz sorgen und die Sicherheit erhöhen."
Ausgaben für Blockchain steigen rasant
Laut Angaben von IDC beliefen sich die weltweiten Ausgaben für Blockchains im vergangenen Jahr auf über zwei Milliarden Dollar, doppelt so viel wie im Jahr 2017. 2021 sollen es knapp zehn Milliarden Dollar sein. Auch für Kommunikationsdienstleister könnten Blockchains eine Reihe von Vorteilen bieten, so IDC, etwa im Bereich der mobilen Identität, des Daten-Managements, des IoT, der Supply Chain-Logistik sowie – wie gesehen - bei DevOps.
„Die Unternehmen fangen gerade erst an, das volle Potenzial der Blockchain-Technologie zu verstehen", so Shawn Muma, DSCI Blockchain Research Leader. „Das tolle an diesem Projekt war, dass wir den Beitrag von Blockchain an den Verbesserungen deutlich aufzeigen konnten. Diese Technologie wird weit über Lieferketten und Finanzdienstleistungen hinaus in allen globalen Branchen und Märkten eine breite Wirkung haben. Blockchain ist überall da relevant, wo Daten zwischen Unternehmen ausgetauscht werden. Die ersten großen Anwendungen erwarten wir im Bereich Finanzen, Energie und Telekommunikation“, fasst Blockchain-Experte Graf zusammen.
Stadt Wien nutzt die „Enerchain“
Hier ein Beispiel, wo und wie heutzutage bereits Blockchains tatsächlich und produktiv zum Einsatz kommen, wenngleich nicht im industriellen Umfeld. Die österreichische Landeshauptstadt Wien etwa ist in dieser Sache ganz vorne mit dabei.
Angefangen hat es im Viertel Zwei, wo der größte Energieversorger Österreichs, die Wien Energie, Anfang vergangenen Jahres zusammen mit verschiedenen österreichischen Digitalisierungsexperten erstmals eine Blockchain-Infrastruktur in eine m Stadtentwicklungsgebiet geschaffen hat. Ziel war und ist es, die Bewohner als Partner mit an Bord der Produktentwicklung zu holen und ihnen innovative Energie-Tarife anzubieten, die es so bisher noch nicht am Markt gab, etwa neue Solarstrom-Modelle.
Dieses vom Hamburger Unternehmen Ponton entwickelte und „Enerchain“ genannte Projekt ist eine Handelsplattform, auf der mittlerweile mehr als 50 europäische Energie-Konzerne wie EON, Salzburg AG, Vattenfall oder RWE unter anderem Energieträger wie Gas oder Strom handeln. Dank der Blockchain-Technologie transparent und nachvollziehbar, zudem – nach Aussagen der Beteiligten – viel schneller als auf herkömmlichem Wege. Bislang waren nämlich aufwändige Fahrplansysteme inklusive speziellen Verrechnungsstellen, Regulierungsbehörden und Übertragungsnetzbetreibern für den Handel nötig.
„Für mich handelt es sich bei Blockchains um eine sehr spannende Technologie, die das Potential hat, Entwicklungen zu ermöglichen - vergleichbar dem Internet. Da mit Blockchain auch viele Usecases in der öffentlichen Verwaltung realisiert werden können, ist es mir wichtig, dass wir uns proaktiv und in kleinen Usecases damit beschäftigen, um Erfahrungen zu sammeln und am öffentlichen Diskurs teilzunehmen“, erklärte Ulrike Huemer, seit März 2014 Chief Information Officer (CIO) der Stadt Wien. In dieser Funktion setzt sie sich besonders dafür ein, dass die Digitalisierung als zentrales Thema für Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung erkannt wird.
„Wir haben in der Stadt Wien bereits einen Piloten umgesetzt, nämlich im Bereich unserer Open Goverment Data. Aktuell arbeiten wir an einem Proof of Concept (PoC) im Zusammenhang mit der Gebarung von Essensgutscheinen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ferner beschäftigen wir uns mit dem Thema der digitalen Identität oder Token“, so Huemer über ihre weiteren Vorhaben.
Neue Projekte laufen erst an
Nicht nur in Wien, auch im Hohen Norden Deutschlands wird intensiv mit der Blockchains experimentiert, und zwar im Industrie 4.0-Umfeld. Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) untersuchen Airbus, Diehl und Altran im Rahmen des dritten Aufrufs zum fünften zivilen Luftfahrtforschungsprogramms " LuFo V3", ob die Blockchain-Technologie zur Optimierung von Engineering-Prozessen genutzt werden kann.
Das BMWi will mit dem Projekt unter anderem die Luftfahrtbranche als Leitmarkt für Industrie 4.0 Anwendungen etablieren, neue digitale Produkte im Luftfahrtbereich schaffen und innovative KMU als Gesamtsystem- oder Komponentenhersteller in die Zulieferketten einbauen. Das Vorhaben läuft seit 1. Januar und soll bis 31. März 2023 abgeschlossen werden.
Was sind dabei und generell die größten Herausforderungen? „Herausfordernd für die Blockchain sind die übertriebenen Erwartungen, welche auch durch den Hype um Krypto-Währungen befeuert wurden“, meint Graf. „Es kommt jetzt darauf an, wirklich wertschöpfende Anwendungsfälle zu identifizieren und umzusetzen. Irgendwelche Pilotprojekte, die irgendetwas mit Blockchain zu tun haben, sind nicht hilfreich.
Wir erwarten erst im kommenden Jahr die ersten operativen Blockchain-Systeme. Wenn diese belegen, dass Prozesse tatsächlich verbessert und neue Services möglich werden, dann wird dies auf andere Unternehmen und Branchen abstrahlen.“
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