Ein Beispiel aus Wyoming mit Flüssigkühlung und Solarfarmen DC-Standorte: Wilde Berge statt Straßenschluchten
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Von nachhaltigen Rechenzentren wird viel geredet. Bei der konsequenten praktischen Umsetzung neuer Ideen im kommerziellen Maßstab hapert es allerdings meist – angefangen beim Standort. Das Projekt „Wyoming Hyperscale Whitebox“ geht einen anderen Weg.

Wer kennt es nicht, das Lamento: In den europäischen Datacenter-Hotspots wie Frankfurt, London oder Amsterdam wird der Strom knapp, es sind kaum noch geeignete Flächen für Rechenzentren vorhanden und Abwärme wird auch nur selten sinnvoll verwertet. Doch muss man ein Datacenter im Hyperscale-Format überhaupt mitten in oder nahe bei einer Großstadt bauen?
Muss man nicht, meinen zumindest Brady und Threnton Thornock. Die Brüder entstammen einem alten Farmergeschlecht aus Wyoming, wissen also, wie man mit Land und seinem Wert umgeht. Da liegt eine Rechnerfarm zumindest sprachlich nicht so ferne. Das Familienvermögen steckt im Familientrust G&C Holdings LLC. Die Familie betrachtet sich als „Stewards“ des Landes, was man sich etwa als Bewahrer und Mehrer der Werte und auch der Natur des Landstrichs in ihrem Besitz vorstellen muss.
130 MW Rechenkapazität geplant
Brady Thornock ist der CEO von Kay Thornock & Sons, auf dessen Land jetzt der Rechenzentrumspark Wyoming Hyperscale Whitebox entsteht. Threnton Thornock gehört zum Vorstand von Beckwith & Quinn, LLC. Der private Vermögensverwalter administriert hauptsächlich die Assets der Thornock-Familie.
Zur Wertsteigerung des Thornock-Landes ist ein Rechenzentrumspark, wie der geplante, wahrscheinlich sehr geeignet. Aber ihnen geht es wohl nicht nur ums Geld. Vielmehr wollen sie mit der Gesamtanlage, die insgesamt 130 Megawatt (MW) Leistung umfassen soll, in neue Nachhaltigkeitsdimensionen vorstoßen. Der erste Bauabschnitt umfasst 30 MW.
Weg mit den Rechenzentren aus der Stadt!
„Man sollte aufhören, Rechenzentren in dicht besiedelten Regionen zu bauen, wo sie mit anderen um die knappen Ressourcen Platz und Energie konkurrieren!“, forderte Threnton Thornock anlässlich einer Online-Tagung von Datacenter Dynamics zum Earth Day.
Der Standort in den unwirtlichen Bergen Wyomings weit weg von jeder Stadt ist also nicht Zufall, sondern Programm. Genau wie die insgesamt 500 MW regenerativer elektrischer Leistung rundum.
Sie besteht aus fünf Windparks und einem 58-MW-Solarpark, die die Anlage mit Betriebsstrom versorgen werden. Sie wurden unabhängig von dem Rechenzentrumspark gebaut und stören in der Einöde niemanden. Außerdem nutzt der Rechenzentrumspark Geothermie.
Der erste Bauabschnitt umfasst rund 235.000 Quadratmeter. Insgesamt gehören rund 2,6 Millionen Quadratmeter zum Projekt.
Zentrale Lage am Glasfaser-Drehkreuz
Vom Schuss ist die Anlage deshalb trotzdem nicht. Threnton Thornock: „Unser Standort liegt direkt an einer Kreuzung vieler Glasfaserleitungen, unsere Daten erreichen deshalb alle wichtigen Ziele mit minimaler Verzögerung.“
Hinsichtlich seiner Nachhaltigkeitsplanung geht der Datacenter-Park neue Wege: Meistens wird in der Branche über Wasserkühlung und andere innovative, energie- und ressourcensparende Verfahren vor allem erregt debattiert. Meist liegt der Fokus darauf, warum entsprechende Technologien derzeit noch zu teuer, zu riskant, zu technisch unausgereift oder aus anderen praktischen Gründen undurchführbar ist oder sich nicht rechnet. „In der Datacenter-Branche gibt es viel leeres Gerede über ESG“, kritisiert Thornock.
Von Anfang an Immersionskühlung
Bei Wyoming Hyperscale White Box, das sich zur Open-Community rechnet, läuft das anders: Das gesamte Rechenzentrum wird von Anfang an auf Immersionskühlung mit Submer-Systemen ausgelegt. So lässt sich fast die gesamte Abwärme wieder verwerten. Der Wasserverbrauch der Rechenzentren schrumpft dadurch gegen Null. Derzeit wird der erste Abschnitt des Rechenzentrumsparks gebaut.
Das Designkonzept spart zudem Platz. „Mit Immersionskühlung können wir im Rack Leistungsdichten bis 80 Kilowatt (kW) realisieren“, sagt Thornock. In Hochleistungs-Racks sind laut Website des Unternehmens sogar mehr als 100 kW pro Rack möglich. Dafür braucht man sonst mehrere Racks, die Raum beanspruchen. Ventilatoren, Kühltürme oder Verdunstungseinheiten und ähnliche Aggregate fallen komplett weg. Damit sinken die Gesamtkosten und der Materialbedarf.
Flüssigkühlung wird zur Notwendigkeit
Thornock sagt der gesamten Datacenter-Branche, zumindest, insoweit sie auf höhere Rechenleistungen aus ist, den baldigen zwingenden Umstieg auf Flüssigkühlverfahren voraus: „Die Leistungen der Prozessoren steigen immer weiter. Der 'AMD Milan X' (siehe: „AMD Epyc-Prozessoren mit 3D V-Cache; 3D-Die-Stacking steigert Cache-Leistung und damit die Performance enorm“) wird beispielsweise bis zu 560 Watt Leistung brauchen, die Designs der Zukunft noch mehr. Das lässt sich mit Luft einfach nicht mehr wegkühlen.“
Die Kühlung mit Submer-Systemen habe eine ganze Reihe großer Vorteile: Sie schütze die Hardware vor Staub und anderen Umwelteinflüssen, die Kühlflüssigkeit sei ungiftig und biologisch abbaubar, sie ist auch unbrennbar. Auf die Systeme gebe es 15 Jahre Garantie.
UPS arbeitet mit Zink-Nickel-Batterien
Auch die UPS-Anlage wurden grundlegend anders gestaltet als üblich: Statt der gängigen Blei- oder Lithiumakkus setzt das Projekt in Wyoming auf Nickel-Zink-Akkus von Zincfive, einem der Pioniere der Technologie. Der wichtigste Vorteil der Zink-Nickel-Technologie: Dieser Batterietyp kann sehr schnell Maximalleistung liefern, tut also genau das, was Rechenzentren bei einem Ausfall der primären Stromversorgung brauchen.
Zudem hat Nickel-Zink weitere praktische Vorteile. So sind die Batterien zu 90 Prozent rezyklierbar. Bei der Produktion werden keine giftigen Materialien genutzt. Die Akkus tendieren auch nicht dazu, durchzugehen. Deshalb können sie voll geladen an ihren Standort geschafft und dann sofort in Betrieb genommen werden.
Vorteilhafte Kohlendioxid-Bilanz
Für die detaillierte CO2-Bilanz hat das große Vorteile. Das zeigt sich beispielsweise, wenn man berechnet, wie lange es dauert, bis ein Produkt aufgrund seiner Eigenschaften im Gebrauch die Kohlendioxid-Erzeugung bei seiner Herstellung wieder eingespielt hat (CROP, Carbon Return on Purchase). Das dauert bei Zink-Nickel-Batterien laut Zincfive 0,16 bis 0,21 Jahre. Bei Lithium-Batterien sechsmal länger.
Der Energie-Input pro kWh gespeicherter Leistung ist um ein Drittel geringer als bei Lithium-Ionen-Batterien. Zudem werden 62 Prozent weniger Klimagas pro gespeicherter Kilowattstunde erzeugt und der Wasserverbrauch bei Förderung und Produktion reduziert sich im Vergleich zu Lithium-Ionen-Akkus um 96 Prozent. Umweltschädliche flüchtige Kohlenwasserstoffe fallen überhaupt nicht an.
Als weitere Reserveenergie ist Erdgas geplant: Der Standort liegt an einem Kreuzungspunkt mehrerer wichtiger US-Erdgaspipelines.
90 Prozent weniger Kapitalkosten
Insgesamt sind die geplanten Daten zur Umweltleistung und den Betriebskosten des Rechenzentrums in den wilden Bergen von Wyoming sehr beachtlich. Vergleichbar allenfalls mit den Daten norwegischer, schwedischer oder isländischer Rechenzentren, die ihre Energie aus Wasser oder Geothermie gewinnen.
So sinken die Kosten für den Betrieb der Kühlung gegenüber konventionellen Anlagen um 95 Prozent, die Rechendichte lässt sich verzehnfachen, die Kapitalkosten fallen auf ein Zehntel, die Hardware-Lebensdauer steigt um 30 Prozent und Hardware-Ausfälle reduzieren sich um 60 Prozent. Der PUE liegt bei allen Betriebsbedingungen unter 1,1.
Abwärme fürs Indoor-Farming
Weil die Abwärme für Indoor-Farming verwendet wird (ein weiteres Tochterunternehmen des Thornock-Clans), bekommen Kunden, die besonders hochkalorische Abwärme erzeugen, eine Gutschrift. Solche Kunden landen individuell bei PUEs unter 1.
Zudem ist Transparenz geplant: Wer diesen Daten nicht glaubt, kann in Zukunft die Energieverbrauchs- und andere Informationen des Rechenzentrums live über ein Internet-Portal einsehen.
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