Große Ambitionen von Co-Location bis Cloud Besuch in den neuen Atman-Datacenter, Warschau
Welche Gründe sollte ein Unternehmen haben, sich einen Anbieter von Rechenzentrumsdiensten in Warschau zu suchen? Für das polnische Unternehmen ATM S.A. und seine Marke Atman ist die Antwort völlig klar: Qualität, Service und ein lohnender Markt. Wie wäre es also mit einem Besuch der Atman-Datacenter?
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Kaputte Straßen, Städtelandschaften grau in grau, Ochsenkarren und Landmaschinen aus der Frühindustrialisierung – alles das war einmal. Heute ist ein Besuch in Warschau, genauer gesagt, ein Besuch der Atman-Rechenzentren wie ein Besuch in einem Frankfurter Datacenter. Man steigt in ein Flugzeug wie in einen Bus, dank Schengener Abkommen ohne Passkontrollen, und erlebt eine Stadt, die einen kleinen historischen Kern hat, Probleme mit der Billigbauweise in den 50er und 60er Jahren, Bausünden der70er und Glaspaläste der Neuzeit – also alles wie in einer deutschen Großstadt. Fußballer Robert Lewandowski ist auf riesigen Werbeplakaten omnipräsent – einmal mit blauen und dann wieder mit braunen Augen. Doch sonst? Der Verkehr, die Parks, ja, die Menschen gleichen den deutschen, nur die Sprache …
Doch auch das ist kein Problem, 27 Jahre seit der Wiedervereinigung und zwölf Jahre der EU-Mitgliedschaft Polens: Selbstverständlich spricht man Englisch. Dennoch ist ein Besuch in einem polnischen Rechenzentrum keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Doch ATM S.A. hat mit seinen „Atman“-Rechenzentren Technik auf dem neuesten Stand vorzuweisen, will und kann mit deutschen, westeuropäischen Firmen Geschäfte machen.
Unter dem Markennamen Atman bietet das Unternehmen Telekommunikationsservices, die auf einem eigenen Glasfasernetz basieren. Insgesamt verfügt ATM S.A. über drei Rechenzentren mit 13.600 Quadratmetern. Neben klassischer Telefonie und seit Kurzem Voice over IP umfasst das Service-Angebot auch Co-Location, Hosting, Cloud Computing, Internet-Zugang und Datenleitungen. Zu den Kunden zählen somit Carrier, Internet-Portale, Finanzhäuser sowie Handels- und Industrieunternehmen.
Von der Gründung bis zum größten Datacenter
Die ATM-Firmengründung liegt im Jahr 1989, als die Solidarnosc-Kandidaten mit einer Ausnahme alle möglichen Plätze in den beiden Parlamentskammern gewannen und die dritte Gründung der „Republik Polen“ erfolgte. Das Unternehmen beschäftigte sich mit der Auswertung von Flug- und Flugzeugdaten und Registrierungssystemen. Bis dahin wurden „Black Boxes“ nur nach Abstürzen ausgewertet, jetzt aber begann die Auswertung jedes Flugs.
Das Jahr 1991 gibt ATM S.A als den Zeitpunkt des Eintritts in den IT- und Kommunikationsmarkt an. 1992 ist das Unternehmen das erste in Polen, das per Internet mit der Welt verbunden ist. 1993 ist ATM der erste polnische Internet Service Provider (ISP), beheimatet auf dem Campus in Warschau, den das Unternehmen heute noch nutzt und ausbaut. Zur Erinnerung: Der Deutsche Internet-Austauschknoten DeCIX nahm 1995 seine Arbeit auf.
2001 erfolgte die erste Glasfaserverkabelung, in Warschau, sowie die Vermarktung von Co-Location-Angeboten und seit 2004 ist die Company an der Warschauer Börse gelistet. Die Marke Atman Datacenter gibt es seit 2007 und 2010 zog die Carrier-neutrale Internet-Börse „Thinx“ ein (siehe: Abbildung 6 der Bildergalerie).
Ein neuer Chef
Im Jahr 2015 beschäftigte Atman rund 170 Mitarbeiter und verdiente (EBITA) 8,5 Millionen Euro. Seit dem 5. Mai gehören der Investment-Firma MCI Private Ventures FIZ 30.46 Prozent des Unternehmens und ATP FIZ AN 25.09 Prozent, der größten Bank Polens BK OBP 2,57 Prozent, der Bank Nationale-Nederlanden PTE S.A. 19,70 Prozent. Der Rest der Aktien liegt bei privaten Kapitalgebern.
Der größte Geldgeber sorgte sogleich für einen Wechsel an der Management-Spitze. Der neue Vorstandsvorsitzende Sylwester Biernacki (siehe: Kasten 1 und 2) war zum Zeitpunkt des Besuchs in Warschau erst den zweiten Tag im Amt. Bis 2013 war er Chef des Thinx-Konkurrenten „PLIX“, dem derzeit größten Internet-Zugangsknoten und im Besitz der Telecity Group.
Zu seinen Plänen sagt er: „ Ich werde die Anstrengungen von ATM S.A. auf dem polnischen Markt verstärken. Das heißt jedoch nicht unbedingt, dass wir massiv gegen die lokalen Wettbewerber antreten müssen. Wir wollen vor allem attraktiv sein für die international tätigen Firmen in Westeuropa. Und das bedeutet: Wir wollen verstärkt Cloud-Services anbieten, etwas „Office365“ und darüber hinaus als Hub mit Zugängen zu jeder Cloud punkten.“
Der Datacenter-Markt in Polen
Im Vorjahr sind im polnischen Datacenter-Markt rund 300 Millionen Euro generiert worden. Das entspricht einem Wachstum gegenüber 2014 um 14,9 Prozent. Co-Location auf insgesamt 55.300 Quadratmetern hat davon rund 100 Millionen Euro ausgemacht. Hier ist der Markt von 204 auf 2015 um 10 Prozent gewachsen.
Zu den Eigenheiten Datacenter-Markts im Nachbarland gehört, dass es sehr viele, kleine Rechenzentren (kleiner als 200 Quadratmeter) gibt; denn dafür gibt die EU-Fördergelder und die Firmen wollen eigene Rechenzentren. Rund 58 Prozent der gesamten Datacenter-Fläche gehören den 30 größten Betreibern.
Im Januar dieses Jahres konnte nur ein Anbieter mehr als 4.000 Quadratmeter ausweisen, und zwar Atman. Damit besitzt AT; S.A rund 13,9 Prozent der Nettofläche. Der größte Konkurrent in Polen ist mit 11,7 Prozent Nettofläche T-Mobile (siehe: Abbildung 13). Die meisten Rechenzentren stehen und entstehen in Warschau, rund 61 Prozent sind es derzeit. Atman betreibt hier zwei sowie eins in Kattowitz.
Die Anbieter unterschieden sich in sieben Gruppen.
- Es gibt die reinen Rechenzentrumsbetreiber, dazu zählen etwa Atman, Beyond.pl, Equinix, Telecity, Etop, Hector, Polcom sowie T-Mobile und Linxdatacenter.
- Dann sind da die Telekommunikationsanbieter, wie 3S, Exatel, Inea, Linxtelecom, MNI Centrum Usług, NASK, Netia, Orange, T-Mobile und bis zu einem gewissen Grad Atman
- Zu den IT-Integratoren und -Anbietern zählen Asseco Data Systems, BCC, Comarch, HP, IBM, Talex, Tieto und Wasko/COIG
- Dazu kommen die Enterprise-eigenen Rechenzentren – groß und klein -, die Industrie- und Technologieparks, die der öffentlichen Hand.
Das Atman-Angebot
Ein Problem ist wie hierzulande, dass es zu wenig Datacenter-Fachleute beziehungsweise –Manager gibt. So wirbt Atman mit dem Slogan „non stop data“ und mit 6.000.000 Stunden Know-how. Es sei einfach ein Rechenzentrum zu bauen, jedoch nicht es zu betreiben. Die Atman-Rechenzentren hätten nicht nur jede Menge Audits hinter sich gebracht, vor allem im Management der Prozesse und Prozeduren sei das Team erfahren.
ATM verdient rund 20 Prozent mit internationaler Kundschaft; der profitabelste Bereich ist allerdings das Co-Location in den drei Rechenzentren. Die Einkünfte in diesem Segment machen rund die Hälfte aus. Dann erst folgen Telekommunikations- und Datacenter- sowie Infrastruktur- und Cloud-Services. Letzteres mit 8 bis 10 Prozent des Umsatzes. Allerdings nimmt dieser Teil des Geschäfts mit 30- bis 50-prozentigem Wachstum rasant zu.
Zu den Datacenter-Services auf den 7.700 Quadratmetern Nettofläche zählt ATM S.A.:
- 19” Rack Servers Co-location
- Co-Location für Racks
- Dedizierte Cages und Boxen
- Dedizierte Server-Räume
- Dedicated Servers
- Seit Beginn dieses Jahres Leasing von Network- und Storage-Hardware
- Cloud Computing, etwa auf der Basis eines angepassten Red Hat OpenStack
Die Supermicro-Server, die Atmann für eigene Belange und für dedizierte Systeme anbietet, sind zugleich die Grundlage für die Cloud-Dienste.
Energiesparen für sich und andere
Atman muss mit Qualität und Service überzeugen. Anders als mancherorts vermutet, ist der Preis, der unter anderem vom Strompreis abhängt, nicht das Hauptargument. So wird das Hauptgelände in Warschau mit 42 Megawatt versorgt. „Die Qualität ist gut“, sagt Zbig Zdanowicz, Director International Sales mit Büro in Düsseldorf, „aber manchmal reicht er nicht.“
Die Hauptenergiequelle ist die Kohle; die Gasleitungen sind wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen der Ukraine und Russland unzuverlässig. Umso wichtiger sind die USV-Anlagen, die für 30 Minuten Volllast garantieren, Failover-Kapazität im zweiten über einen Glasfaserring verbundenen Rechenzentrum, und die Dieselaggregatoren, die ATM S.A. betreibt. Diese können ein Rechenzentrum 48 Stunden versorgen. Um sie betriebsbereit zu halten, testet ATM S.A. sie mehrmals im Jahr; erlaubt wären Tests zweimal pro Woche.
Zudem ist Energiesparen angesagt. Seit wenigen Wochen ist Atman Teil der Unternehmens-Community, die sich dem „Code of Conduct“ in Bezug auf Energie-Effizienz in Rechenzentren unterziehen. Hinter der Bezeichnung steckt eine Sammlung von Richtlinien und Regeln, als grundlegende Handlungsorientierung für Mitarbeiter, um erwünschtes Verhalten zu kanalisieren sowie unerwünschte Handlungen zu vermeiden.
Kühlung und Energieversorgung
Zudem setzt Atman in den jüngeren Datacenter-Gebäuden auf freie, zum Teil direkte freie Kühlung. Unterstützung durch Adibiatik wird für die Rechenzentren überlegt, die jetzt in der Planung sind. Allerdings ist auch die jetzige Kühlung bereits modular aufgebaut und abhängig von der Last in den einzelnen Server-Räumen, die mit jeweils 100 bis 120 Quadratmeter vergleichsweise klein ausfallen.
Die jüngsten Gebäudekomplexe F4 und F5 verfügen über 90 Zentimeter Doppelboden und Einhausungen – Warmgang in F5 und Kaltgang in F4. In den Server-Räumen ist es weder kalt noch warm: „22 + - 3 Grad“, erläutert Projekt-Manager Krystian Fydrych. Allerdings hätte er die Zulufttemperatur gerne erhöht: „Wir versuchen unsere Kunden von Ashrae zu überzeugen.“
Während die redundanten Netzersatzanlagen im Gebäude F4 mehr oder weniger in die Server-Räume integriert sind, befinden sie sich im F5-Datacenter außerhalb. Es gibt eine A/B-Versorgung der Computer, die jeweils über USV-Anlagen gesichert sind – „unterschiedliche Kreisläufe bis hin zu den Steckdosen“, so Fydrych. Eine NEA ist bis zu 50 Prozent ausgelastet, so dass im Notfall eine die Last eines kompletten Server-Raums übernehmen kann. Die Abstimmung geschieht im Normalfall automatisch; sie lässt sich aber auch im Handbetrieb umstellen.
DCIM und Sicherheit
ATM S.A. setzt zudem stark auf Datacenter-Monitoring. Das verwendete System nutzt Supervisory Control and Data Acquisition, kurz Scada. Das erlaubt Unabhägigkeit von verschiedenen Herstellern, erlaubt aber im Fall von Atman keine remote Steuerung: „Man muss hingehen“, so Project Manager Fydrych.
Sicherheit wird groß geschrieben. Schon beim Betreten des Firmengeländes fallen die mehrstufigen Sicherheitskonzepte auf: Kameras, Zäune, Zutrittskontrollen, Wachpersonal. Wer einen Rechnerraum betritt, muss sich mehrfach ausweisen um dann die Schuhe staubsicher einzukleiden (siehe: Bildergalerie). Selbst die Server-Reihen, Cages und Racks sind unterschiedlich gesichert: einmal per Schlüssel, dann per Magnetverschluss und Koppelung an eine Überwachungssoftware und dann mithilfe von elektronischen Schlössern, die sich mit PV-Code und Schlüsselkarte entsperren lassen.
Beim Brandschutz setzt ATM S.A. auf verschiedene Sensoren sowie auf den Einsatz von Inergen als Löschgas. Sensoren zum Entdecken von Leckagen, immerhin setzt das Unternehmen größtenteils Wasser für die Kühlung ein. Sowohl für den Brandschutz als auch für die Warnung bei Wassereinbruch sind zwei voneinander unabhängige Systeme im Einsatz und zwar für die Räume, in denen sich Personen aufhalten und Räume, in denen hauptsächlich Maschinen beziehungsweise Computer arbeiten.
Artikelfiles und Artikellinks
Link: ATM S.A. - Atmann
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