Überlegungen zwischen Blackout-Gefahr und Umweltkollaps Welcher Strom soll unsere Datacenter am Laufen halten?

Ein Gastbeitrag von Tom Kingham*

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Mit der Verpflichtung zur Klimaneutralität bis 2030 haben die europäischen Rechenzentrumsbetreiber und -verbände die Nachhaltigkeit ganz oben auf ihre Agenda gesetzt. Welche Lösungen gibt es in der Stromversorgung, um diesem Ziel näher zu kommen?

Die Lichtwerscheinung Aurora borealis kommt durch eine Wechselwirkung von energiereichen geladenen Teilchen aus der Magnetosphäre und dem Erdmagnetfeld zustande eine flüchtige Angelegenheit 'grünen Stroms'.
Die Lichtwerscheinung Aurora borealis kommt durch eine Wechselwirkung von energiereichen geladenen Teilchen aus der Magnetosphäre und dem Erdmagnetfeld zustande eine flüchtige Angelegenheit 'grünen Stroms'.
(Bild: gemeinfrei: Hans / Pixabay)

Die digitale Transformation ist ein energiehungriges Geschäft: Während unsere Wirtschaft und unser Leben immer virtueller und datengesteuerter werden, steigt auch ihr realer CO2-Fußabdruck.

Ein Beispiel sind virtuelle Währungen, die zur Überprüfung von Transaktionen auf ein Energie-aufwändiges System von computerbasierten Berechnungen angewiesen sind. Im Februar berechnete die Universität Cambridge, dass nur eine dieser Währungen, Bitcoin, etwa 121,36 Terawattstunden (TWh) pro Jahr verbraucht - das ist mehr als der jährliche Energieverbrauch von Argentinien, den Niederlanden und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Der Kampf um den Strom

Daher ist nach wie vor eine der größten Herausforderung für die Inbetriebnahme eines Rechenzentrums die Stromversorgung. Die Sicherung der Energieversorgung kann in Gegenden mit hoher Rechenzentrumsdichte mehrere Monate bis Jahre in Anspruch nehmen.

Nach Gesichtspunkten der Klimaneutralität soll die genutzte Energie zudem aus erneuerbaren, CO2-neutralen Quellen kommen. Dabei wurden in Deutschland 2021 laut Umweltbundesamt erade einmal 19,7 Prozent des Energieverbrauchs g aus erneuerbaren Energien gedeckt.

Anteil Erneuerbare Energien: Anteile in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr
Anteil Erneuerbare Energien: Anteile in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr
(Bild: AGEE Stat/ Umweltbundesamt)

Rechenzentren können hier insofern zu mehr Nachhaltigkeit beitragen, als dass ihr Bezug von erneuerbaren Energien wiederum indirekte Investitionen in den Ausbau dieser Quellen darstellt. Zusätzlich hat sich die Technologie in Datacenter in den letzten Jahren rasant entwickelt. Dadurch wird eine deutlich bessere Effizienz erzielt. So hat sich die installierte Rechenkapazität pro verbrauchter Kilowattstunde Strom seit 2010 fast verfünffacht.

Ein Sack voller Schwierigkeiten

Off-Grid-Lösungen, die es Rechenzentren erlauben würde, völlig unabhängig von Stromnetz zu agieren sind bisher noch schwer umzusetzen. Zum einen, weil Energiequellen wie Sonne und Wind nicht konsistent genug sind, um eine dauerhafte Versorgung zu gewährleisten.

Zum anderen käme damit ein räumliches Problem auf die Betreiber zu. Denn in Ballungsräumen wie Frankfurt am Main ist schlicht nicht die benötigte Fläche vorhanden, um beispielsweise einen ausreichend großen Solarpark für den enormen Stromverbrauch eines Rechenzentrums zu betreiben.

Rechenzentren, die beispielsweise bereits verstärkt auf Wasserkraft setzen, sind aufgrund der günstigen Bedingungen eher in Skandinavien zu finden. Um den besten Service zu gewährleisten, muss allerdings ein Teil des Bedarfs in der Nähe der Wohn- und Arbeitsorte der Menschen gedeckt werden und hat so unweigerlich Auswirkungen auf die bereits überlasteten Stromnetze. Auch Faktoren wie die Datensouveränität sind entscheidend für den Standort von Rechenzentren.

Was tun, wenn das Stromnetz versagt?

Längst sind Rechenzentren Teil der Kritischen Infrastruktur für Wirtschaft und Gesellschaft (KRITIS). Daher muss die Ausfallsicherheit auch in Form einer unterbrechungsfreien Stromversorgung sichergestellt werden. Denn schon Spannungsschwankungen oder Kurzausfälle im Stromnetz haben das Potenzial die Hard- und Software zu schädigen oder den Betrieb zu beeinträchtigen.

Damit Rechenzentren für derlei Ausfälle gewappnet sind, setzen die meisten derzeit noch auf Dieselgeneratoren. Mit dem Ziel der Klimaneutralität von Datacenter bis 2030, festgelegt im Pakt für klimaneutrale Rechenzentren, und dem Green Deal der EU, der vorsieht Europa bis 2050 ebenfalls klimaneutral zu machen, sind viele Betreiber auf der Suche nach alternativen Lösungen für den Ernstfall.

Dabei herrscht Unsicherheit in der Branche, welche Technologie auch in Zukunft, die sinnvollste ist. Vor dem Hintergrund, dass beim Bau eines Rechenzentrums die Generatoren die größten individuellen Kosten ausmachen, zögern viele Betreiber bestehender Datacenter, sie gegen andere Lösungen auszutauschen. Hinzukommt, dass die Branche noch sehr jung ist und sich rasant entwickelt hat. Es gibt wenig belastbare Daten, die eine Prognose erlauben.

Probleme, die vor 15 Jahre noch relevant waren, haben sich bis heute verflüchtigt. Ebenso hat die Entscheidung auf wasserbasierte Kühlungssyteme umzustellen, um den Stromverbrauch zu senken, nun angesichts der drohenden Wasserknappheit zu neuen Problemen geführt, die damals noch nicht abzusehen waren.

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Zweistoffgeneratoren als Übergangslösung

Um einen Übergang von reinen Dieselgeneratoren einzuleiten, rüsten einige Betreiber ihre Rechenzentren inzwischen mit sogenannten Zweistoffgeneratoren aus. Diese Generatoren können mit Diesel oder Erdgas oder einem Gemisch aus beidem betrieben werden.

Auf den ersten Blick scheint diese Maßnahme nicht unbedingt klimafreundlicher, da Erdgas wie Diesel ein fossiler Brennstoff ist. Trotz der Kohlenstoffemissionen gilt Gas aber nach den EU-Leitlinien als grüner Übergangskraftstoff, da er eine schnelle Abkehr von Öl und Kohle bringen soll. Hinsichtlich der aktuellen Lieferengpässen fahren Datacenter für ihre Notfallenergieversorgung allerdings lieber zweigleisig mit Zweistoffgeneratoren.

Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass Datacenter, die jetzt entstehen, eine Laufzeit von 25 bis 30 Jahren haben werden. Deshalb kann es nicht im Interesse der Nachhaltigkeitsziele der Branche sein, sich nun auf Generatoren festzulegen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden.

Es gibt bereits Ansätze, dass diese Zweistoffgeneratoren nur als Übergang zu wasserstoffbetriebenen Generatoren genutzt werden sollen. Eine Umrüstung bestehender Generatoren wäre verglichen mit einer Neuanschaffung kostengünstig umzusetzen, sobald ausreichend grüner Wasserstoff für die Branche zur Verfügung steht. Aus Betreibersicht ist das derzeit die gangbarste Lösung.

Sind Batterien die Rettung?

Wenn erneuerbare Energiequellen wie Sonnen- und Windkraft zu unzuverlässig sind, um als Notstromversorgung eingesetzt zu werden, könnte eine naheliegende Lösung, die Speicherung dieser Energie in Batterien sein. So wäre der Strom abrufbar, wenn wer benötigt wird. Zusätzlich werden die Kosten für Batterieparks immer erschwinglicher.

Doch auch hier sehen sich Betreiber Hürden gegenüber. Zum einen hat eine Batteriefarm, die ein Datacenter im Notfall über einen gewissen Zeitraum versorgen muss, nicht zu unterschätzende Ausmaße. Ein Nachteil gegenüber Generatoren ist, dass Batterien nicht einfach nach befüllt werden können und somit bei längeren Stromausfällen selbst ausfallen können.

Hinzu kommt, dass Batterieparks, die bereits in Anwendung sind, aus Lithium-Ionen-Batterien bestehen. Dabei sind die Folgen für die Umwelt durch den Lithium-Abbau noch nicht geklärt und das könnte in nicht allzu ferner Zukunft zu weiteren Problemen führen. Gerade, wenn in der Rechenzentrumsbranche im großen Stil von Dieselgeneratoren auf Batterien umgerüstet werden sollte.

So können auch Li-Ionen-Batterien nicht die Rettung sein. Zumal sie auch für mobile Anwendungen wie E-Autos und Smartphones benötigt werden und es für statische Anwendungsgebiete durchaus Alternativen gibt. Batterieparks eignen sich aber womöglich als Übergangslösung.

Wie sieht die grüne Zukunft der Branche aus?

Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, müssen die Dieselgeneratoren bis 2030 anderen Lösungen weichen. Dennoch sichern die Generatoren nur die Notstromversorgung und laufen damit nicht im Dauerbetrieb. Eine viel wichtigere Rolle, den CO2-Fußabdruck der Branche erheblich zu verkleinern, spielt die Entwicklung von nachhaltigen Energiequellen, die den enormen Strombedarf decken können.

Fusionsenergie könnte eben diese Lösung bieten. Noch befindet sich die Technologie im Entwicklungsstadium und macht bedeutende Fortschritte. Durch die Fusion von Wasserstoff- zu Heliumkernen entsteht sicherer und klimafreundlicher Strom. Bis 2050 könnte das weltweit allererste Fusionskraftwerk Energie erzeugen. Diese Lösung mag noch in weiter Ferner liegen und doch müssen Rechenzentrumsbetreiber offen bleiben für weitere Möglichkeiten.

Umdenken auch bei Kunden

Für das Ziel der Klimaneutralität können Rechenzentren verschiedene Maßnahmen treffen und doch braucht es auch ein Umdenken der Kunden. Schaut man sie die großen Cloud-Provider an, dann ist es für sie vergleichsweise leicht, in ihren eigenen Rechenzentren die Entscheidung zu treffen, auf Dieselgeneratoren zu verzichten.

Ein Patentrezept hat Tom Kingham, Director Solutions Engineering bei, Co-Location-Provider Cyrusone, auch nicht parat.
Ein Patentrezept hat Tom Kingham, Director Solutions Engineering bei, Co-Location-Provider Cyrusone, auch nicht parat.
(Bild: Cyrusone)

Sollte beispielsweise der Batteriepark nicht genügend Energie liefern, können sie die Kapazitäten auf andere Rechenzentren umlagern. Denn sie haben die volle Kontrolle über ihre Rechenpower und wissen, wie sie die Last am besten übertragen. Die Netzwerke können schon beim Design flexibler gestaltet werden.

Aber auch Cloud-Provider besitzen nur etwa 50 Prozent ihrer Rechenzentren und nehmen zusätzlich die Dienste von Drittanbietern in Anspruch. Bei Co-Location-Rechenzentren werden meist nicht alle Kunden es dulden, wenn keine bekannt zuverlässigen Lösungen für beispielsweise die Notstromversorgung genutzt werden. Daher bedarf es auch hier mehr Offenheit gegenüber neuen Ansätzen und Lösungen.

* Tom Kingham ist Director Solutions Engineering bei Cyrusone.

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