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Der widerstandslose Stromfluss als Basis von Qubits Was ist ein Supraleitungs-Quantenrechner?

Von M.A. Jürgen Höfling |

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Supraleitung als so genannter makroskopischer Quantenzustand wird in vielerlei technischen Anwendungen erfolgreich eingesetzt. Auch viele heutige Quantencomputer-Aufbauten basieren auf Suprastrom-Prinzipien. Doch leider funktioniert (derzeit?) Supraleitung nur (sehr nahe) am absoluten Nullpunkt.

Wenn es sehr, sehr kalt ist, fließt der Strom in einigen Materialien (Metall, Keramik etc.) ohne elektrischen Widerstand.
Wenn es sehr, sehr kalt ist, fließt der Strom in einigen Materialien (Metall, Keramik etc.) ohne elektrischen Widerstand.
(Bild: Bild von Hans Braxmeier auf Pixabay)

Verlustfreier Stromtransport ohne elektrischen Widerstand - das scheint so eine Art technisches Schlaraffenland zu sein. Supraleitende Aggregate in Gestalt von Hochspannungsleitungen, Motoren, Generatoren oder Speichern lassen am geistigen (und technischen) Horizont eine goldene energetische Zukunft erscheinen. Und der Einsatz von supraleitenden Komponenten in bildgebenden medizinischen Systemen (Magnetresonanztomografen) ist schon lange gängige Technik.

Auch bei der Entwicklung von Quantencomputern sind „Suprastrom-Qubits“ ganz vorn mit dabei. Schließlich lässt sich nach gängiger wissenschaftlicher Auffassung das Phänomen Supraleitung – wiewohl ein makroskopisches System - nur mit Hilfe der Quantenmechanik konsistent beschreiben.

Und die quantenphysikalischen Verschränkungs- und Überlagerungszustände sowie der Tunneleffekt sind bei diesem quantenphysikalischen Zustand ebenso im Spiel wie in Alternativkonzepten, seien es Ionenfallen-, Elektronenspin- oder Einzelatom-Strukturen. Verschränkungs- und Überlagerungszustände sind Basis für die „inhärente Parallelität“, die für Quantenrechner typisch sind. In einigen Jahren (Jahrzehnten?) hofft man derartige Rechner zur Praxistauglichkeit hin entwickeln zu können.

Flux-Qubits in Form von Suprastrom-Schleifen

In dem EU-finanzierten Quantencomputer-Projekt SQUID beispielsweise bestehen die so genannten Flux-Qubits aus mikrometergroßen Schleifen aus supraleitendem Metall, die durch eine Anzahl von so genannten Josephson-Kontakten unterbrochen sind. Zum besseren Verständnis: Josephson-Kontakte bestehen aus zwei Supraleitern, zwischen denen sich ein dünner Normalleiter befindet, durch den aber die für die Supraleitung postulierten Elektronenpaare („Cooper-Paare“) tunneln können. Das theoretische Konstrukt „Cooper-Paare“, zu denen sich jeweils zwei Leitungselektronen bei extremer Kälte zusammenschließen, ist ein zentrales Element der Supraleitungs-Theorie von Bardeen, Cooper und Schriever (abgekürzt BCS-Theorie), das durch Experimente plausibilisiert wird.

Qubits sind sehr fragile Gebilde, die durch Messung schnell zerstört werden. Das ist bekanntlich bislang einer der Knackpunkte der Quantenrechnerei. Die SQUID-Forscher konnten in ihren Versuchen nun ein solches Flux-Qubit 80 Mikrosekunden stabil halten. Der verwendete Detektor – so die Erwartung der Forscher – wird darüber hinaus Aufschlüsse über die Beziehung zwischen Messungen im Quantenbereich und der Lebensdauer eines Qubits zu machen.

Tatsächlich sind die hier beschriebenen Zustände in der Regel nur in extremer Kälte am absoluten Nullpunkt bei – 273,15 Grad oder nicht allzu weit davon entfernt beobachtet beziehungsweise in einem Quantencomputer-Versuchsaufbau technisch umgesetzt worden. Die Hoffnung ist, dass man solche Effekte auch in „etwas wärmeren Gefilden“ reproduzieren kann.

Quanteneffekte in supraleitenden Nanodrähten

Im vorigen Jahr haben Forscher der Universität Münster (Forschergruppe um Carsten Schuck) und des Forschungszentrums Jülich erstmals eine Energiequantisierung in Nanodrähten aus so genannten Hochtemperatur-Supraleitern (welche immer noch in sehr, sehr kühlen Gefilden arbeiten) nachgewiesen. Der supraleitende Nanodraht nimmt nur noch ausgewählte Energiezustände an, die zur Kodierung von Informationen genutzt werden könnten. In den Hochtemperatur-Supraleitern beobachteten die Forscher außerdem erstmals die Aufnahme eines einzelnen Photons, das der Informationsübertragung dient.

Die wenige Nanometer dünnen supraleitenden Drähte bestanden in dem Versuchsaufbau aus den Elementen Yttrium, Barium, Kupferoxid und Sauerstoff, kurz YBCO. Wenn Strom durch diese Strukturen geleitet wurde, kam es zu physikalischen Dynamiken, die Phasenschlupf genannt werden. Fluktuationen der Ladungsdichte können Änderungen beim Suprastrom bewirken.

Die Temperatur, bei der die Drähte in den Quantenzustand übergingen, lag bei zwölf bis 13 Kelvin. Das ist eine Temperatur, die zwar nahe am absoluten Nullpunkt erscheint, tatsächlich aber einige hundertmal (!) höher ist als die Temperatur, die bei den üblicherweise eingesetzten Materialien benötigt wird. Dadurch war es möglich, Resonatoren mit viel längeren Lebenszeiten herzustellen und die quantenmechanischen Zustände länger aufrecht zu halten. Letzteres ist eine Voraussetzung für praxistaugliche Quantencomputer.

Quantenrechner bei Zimmertemperatur?

Ob suprastrom-basierte Quantenrechner-Architekturen bei der Entwicklung eines universalen praxistauglichen Quantenrechners auch in Zukunft die Nase vorn haben werden, ist möglich, sicher ist es keineswegs. Die Gatter-Rechenzeiten der Suprastromer sind sehr gut und bewegen sich im Nanosekundenbereich, während beispielsweise Ionenfallen-Rechner nur im Mikrosekunden-Bereich Gatter-Operationen abarbeiten können.

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Andererseits sind Ionenfallen-Rechner aber bei den Kohärenz-Zeiten gegenüber Suprastromern um Längen besser (mehrere Sekunden gegenüber einigen Mikrosekunden). Für komplexere Algorithmen eignen sich insofern Ionenfallen-Rechner im Prinzip besser. Letztlich kommt es beim Vergleich sehr stark auf die spezielle Struktur eines Algorithmus an. Beide Quantenrechner-Typen haben trotz „Hochtemperatur-Supraleitern“ das Problem der Kühlung. Beide Rechner benötigen kostspielige und technisch aufwendige „Tiefstkühlschränke“ (Kryostaten), um zu funktionieren.

Vielleicht macht letzten Ende in fünf bis zehn Jahren doch ein Quantencomputer-Aufbau das Rennen, bei dem überhaupt nicht gekühlt werden muss, zum Beispiel einer, der mit „Lichtpaket-Zuständen“ arbeitet. Die Qubits in einem solchen Quantenrechner bestehen nicht aus einzelnen Photonen, vielmehr werden alle Eigenschaften des Zustands eines Pakets aus Photonen für die Rechnungen benutzt. Das könnte sich alles bei Normaltemperaturen abspielen, freilich ist die Erzeugung von rechentechnisch nutzbaren Quantenzuständen in einem solchen Projekt derzeit ungeklärt.

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