Wohin steuert uns das Cloud-Computing? VMware-Studie: Fachabteilungen treiben die IT vor sich her

Autor / Redakteur: lic.rer.publ. Ariane Rüdiger / Ulrike Ostler |

Eine aktuelle Studie mit Daten zu der Rolle der IT-Abteilung im DV-Zeitalter, die VMware durchgeführt hat, zeigt: Die IT gibt in vielen Unternehmen nicht mehr die entscheidenden Weiterentwicklungsimpulse. Was das bedeutet, darüber diskutierten anschließend Unternehmensvertreter und Anwender.

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Angeregt diskutierten gestern mit Pressevetrteren über die zukünftige Rolle der Cloud (v.l.n.r.) Annette Maier (VMware), Udo Sebald (Amadeus), Martin Rausche (VMware), Stefan Maier (OVH), Jens Zeyer (OVH), Dominic Schmidt-Reiche (VMware) und Martin Rausche (VMware).
Angeregt diskutierten gestern mit Pressevetrteren über die zukünftige Rolle der Cloud (v.l.n.r.) Annette Maier (VMware), Udo Sebald (Amadeus), Martin Rausche (VMware), Stefan Maier (OVH), Jens Zeyer (OVH), Dominic Schmidt-Reiche (VMware) und Martin Rausche (VMware).
(Bild: Ariane Rüdiger)

Die zentrale IT verliert die Kontrolle und muss um ihre prägende Rolle bangen. Das ist nicht unbedingt eine neue Erkenntnis, sie wurde aber jetzt durch eine Umfrage von VMware noch einmal bestätigt.

Danach sehen 64 Prozent der befragten deutschen IT-Entscheidungsträger den IT-Bereich nicht mehr als Vorreiter in Sachen IT-Strategie. Weltweit wurden 1.650 IT-Entscheidungsträger und 1.650 Abteilungsleiter in Unternehmen ab 500 Mitarbeiter befragt, in Deutschland nahmen nur Unternehmen ab 1.000 Mitarbeiter teil. Leider nennt VMware nicht die Zahl der Firmen aus Deutschland, die an der Umfrage beteiligt waren – so bleibt letztlich unklar, wie breit die Erkenntnisbasis eigentlich ist.

„Die IT dezentralisiert sich", so jedenfalls Annette Maier, Country Manager und frisch gebackener Vice President Deutschland und bei VMware. Darunterist zu verstehen, „wenn Mitarbeiter eines Unternehmens, die nicht zur IT-Abteilung gehören, IT-Käufe tätigen, Software installieren oder betreiben. Oder wenn Mitarbeiter nicht zugelassene Software wie beispielsweise Dropbox nutzen, ohne die zentrale IT-Abteilung hinzuzuziehen“, so die Pressemitteilung zur Studie.

Dezentralisierung ist zu verstehen als ....

Der Begriff bedeutet aus VMware-Perspektive also eine Mischung aus legaler dezentraler Beschaffung, weil zum Beispiel eine Fachabteilung ein eigenes IT-Budget hat, und aus Schatten-IT, die außerhalb der Kontrolle der IT existiert. Letzteres ist wohl weniger Dezentralisierung als schlicht Kompetenzüberschreitung, die es aus Compliance-Gründen schleunigst einzugrenzen gilt.

IDC präsentierte 2013 Daten, nach denen in 25 Prozent der Befragten Online-Sharing-Lösungen wie Dropbox an der IT-Abteilung vorbei nutzen. „Die heutige Schatten-IT von gestern ist die Mainstream-IT von morgen“, sagte Meier dann auch, und meint damit die Nutzung von einem oder mehreren Cloud-Dienstleistern, die, oft zusammen mit einer Private Cloud, die Schatten-IT ersetzen soll.

Die VMware-Umfrageteilnehmer sehen in diesem Trend durchaus eine Herausforderung: So sagten 54 Prozent von ihnen, es würden immer mehr sicherheitskritische Lösungen erworben, und Verantwortung und Zuständigkeit für die IT-Ressourcen seien zunehmend unklar (53 Prozent). Ärgerlich aus Unternehmenssicht: Wenn die Zentrale und gleichzeitig andere Akteure eigene Services buchen und die Kosten anschließend offiziell geltend machen, steigen die Kosten.

Kostenanstieg und Kontrollverlust

Die Hälfte der Befragten gaben an, dass sich die Aufwendungen für externe IT-Dienste verdoppelt hätten – und dies in Zeiten häufig knapper IT-Kassen. „Die Impulse kommen aus den Fachabteilungen“, sagt Meier. Zu belegen war diese Behauptung nicht durch Zahlen; anscheinend hatten die Studienmacher nicht gefragt, wer denn anstelle der IT die Kontrolle übernimmt.

Trotz ihrer Probleme bringe die Dezentralisierung in ihrer Gesamtheit geschäftliche Vorteile mit sich, nämlich schnellere Produkt- und Serviceeinführungen (65 Prozent Nennungen), schnellere Reaktion auf Marktbedingungen (64 Prozent) und mehr Freiraum für Innovationen (63 Prozent).

Ursache für das Kuddelmuddel ist das Cloud Computing. „Der Siegeszug der Cloud hat die IT mit ihrer unkomplizierten Nutzung und attraktiven Preismodellen demokratisiert, so dass die Begeisterung der Fachabteilungen wenig überrascht.“

Was wollen die IT-Verantwortlichen?

Verständlicherweise wollen 72 Prozent der befragten IT-Spezialisten trotz dieser Entwicklungen weiter die Kontrolle über die IT behalten. 68 Prozent sagen, die IT solle als Wegbereiter den Fachabteilungen ermöglichen, Innovationen voranzutreiben, gleichzeitig aber verantwortlich sein für strategische Ausrichtung und Sicherheit.

Die wichtigsten Herausforderungen der Dezentralisierung/Schatten-IT: Sicherheit, unklare Zuständigkeiten und hohe Kosten
Die wichtigsten Herausforderungen der Dezentralisierung/Schatten-IT: Sicherheit, unklare Zuständigkeiten und hohe Kosten
(Bild: VMware)

Ganz klar scheint diese Fokussierung aber auch nicht zu sein. Es verwundert schon, wenn in der gleichen Studie bei detaillierter Nachfrage nur 37 Prozent der Befragten Netzwerk-Security und Compliance weiter in den Händen der zentralen IT wissen wollen. 42 Prozent gaben an, auch weiterhin den Bereich Storage kontrollieren zu wollen, Desktop- und Mobility-Lösungen wollten 41 Prozent unter der Ägide der zentralen IT wissen, Private Cloud Services 35 Prozent.

Im Außenkontakt, also zum Beispiel zu Cloud-Providern, scheint im Übrigen die Rolle der IT-Leitung noch relativ intakt zu sein. Vertreter des Providers OVH, berichten jedenfalls, man habe bei den Verhandlungen mit potentiellen Kunden und Anwendern hauptsächlich auch weiterhin mit IT-Leitern und CEOs zu tun, nicht mit den Vertretern von Fachabteilungen. „Über diese Themen einigen sich unsere Kunden vorher intern“, berichtete Jens Zeyer, der bei OVH für Marketing und PR zuständig ist.

Die Kunden nehmen Einfluss

Bei Unternehmen mit einem digitalen Plattform-Geschäftsmodell wie dem Reisedienstleister Amadeus scheint es an der Autorität der obersten Führungsebene in Sachen IT ohnehin keine Zweifel zu geben. Hier ist es allerdings der Kunde in Gestalt beispielsweise von Reisebüros, der vermehrt Druck entfaltet, so Udo Sebald, Service Portfolio Manager bei dem Dienstleister, der Motor rapider Veränderungen.

„Heute kann man noch immer nicht durchgängig über alle Verkehrsmittel hinweg eine Reise buchen“, umreißt er, wohin die Reise eigentlich gehen soll. Anfragen nach Neuerungen und Änderungen in der Infrastruktur würden häufig aus dem vertriebsnahen Bereich an die Entscheider, CEO und CTO, herangetragen.

Amadeus zeigt auch, dass gerade für digitale Unternehmen die Public Cloud noch immer nicht der zentrale Fokus der IT ist. Sie wird vielmehr vor allem für das Ausprobieren neuer Dienste oder Dienstmerkmale und für das Abfangen von Nachfragespitzen verwendet. „In der Public Cloud läuft, was wir in massiver Skalierung brauchen“, sagt Sebald.

Die Chancen der Dezentralisierung für Unternehmen: Flexibilität, Schnelligkeit und letztlich Wettbewerbsfähigkeit
Die Chancen der Dezentralisierung für Unternehmen: Flexibilität, Schnelligkeit und letztlich Wettbewerbsfähigkeit
(Bild: VMware)

Hilfe per Cloud

Ansonsten strebe man in der eigenen Private Cloud nach massiver Automatisierung. „Wir haben pro Monat 6.300 Infrastruktur- und noch einmal genau so viele Applikations-Changes“, sagt der Manager. „Das lässt sich überhaupt nur automatisiert bewältigen.“ Weil man stark wachse, werde trotzdem immer mehr ausgelagert. „Wenn bei einer Recovery 10.000 Rechner im Nu hochgefahren werden müssen, ist das möglicherweise in Zukunft ein Fall für die Public Cloud.“

Auch der Weg zur nahtlosen Multi- oder Cross-Cloud (VMware-Diktion) scheint durchaus noch weiter zu sein als angenommen, eine reine Preisfrage ist der Wechsel von einem zum anderen Anbieter jedenfalls heute noch nicht. „Natürlich wird zuerst nach dem Preis gefragt, doch dann geht es sehr schnell technisch in die Tiefe, es geht um die Kompatibilität zur eigenen Infrastruktur, darum, ob bestimmte Komponenten mit der Cloud harmonieren oder nicht“, erläutert Stefan Maier, Cloud-Spezialist bei OVH.

Ohnehin sei, gerade angesichts der Europäischen Daten-Grundschutzverordnung, Sicherheit ein dominantes Thema, in das man viel Geld stecke, um Kunden seitens des Providers auch die gewünschten Garantien bieten zu können. Das gleiche gilt für Amadeus. „Wir müssen in Zukunft von unseren Public-Cloud-Partnern verlangen, dass sie uns genau sagen, wo unsere Daten sind.“

* Ariane Rüdiger ist freie Journalsitin und lebt in München.

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