Würdig für den Deutschen Rechenzentrumspreis? RZ-Abwärme versorgt 400 Wohnungen

Autor / Redakteur: Dr. Dietmar Müller / Ulrike Ostler

Betreiber von Rechenzentren (RZ) suchen beim Neu- und Umbau von Serverräumen beständig nach Einsparungen, Stichwort Energieeffizienz. Dabei gerät die Nutzung der Abwärme immer mehr ins Visier. Nun ist im Süden von Braunschweig ein neues RZ entstanden, das Modellcharakter haben könnte.

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Das RZ der Volkswagen Financial Services AG setzt seine Abwärme nun dafür ein, in einem angrenzenden Neubaugebiet rund 400 Wohneinheiten zu beheizen.
Das RZ der Volkswagen Financial Services AG setzt seine Abwärme nun dafür ein, in einem angrenzenden Neubaugebiet rund 400 Wohneinheiten zu beheizen.
(Bild: gemeinfrei, pixel2013 / Pixabay)

Das Projekt könnte ein Meilenstein sein: Bislang galt die Wärmerückgewinnung bei RZ als unwirtschaftlich, weil die Abwärmetemperatur in der Regel zu gering für eine Warmwasserbereitung oder ein Heizungssystem ist. Die Energie der Abwärme müsste zusätzlich über Wärmepumpen oder Ähnliches auf ein notwendiges Maß angehoben werden, damit sie sich in Fernwärmenetzen oder für Absorptionskältemaschinen nutzen lässt. Das „Zuheizen“ erfordert jedoch Energie, was die Wirtschaftlichkeit sehr in Frage stellt.

„Es mag in bestimmten Bereichen und Anwendungen auch bisher wirtschaftlich schon möglich sein, das ist jedoch nach wie vor eher die Ausnahme als die Regel und oft auch einer gehörigen Portion Idealismus geschuldet", urteilte noch vor einem Jahr der bekannte Experte Bernd Dürr, Autor des Standardwerks „IT-Räume und Rechenzentren planen und betreiben“.

400 warme Wohnungen dank VWFS

Das RZ der Volkswagen Financial Services AG (VWFS), das von IBM als Generalunternehmer gebaut wurde und im Betrieb (natürlich) Kälteleistung benötigt, setzt seine Abwärme nun dafür ein, in dem am RZ angrenzenden Neubaugebiet im Süden von Braunschweig rund 400 (!) Wohneinheiten nebst einem Gewerbegebiet zu beheizen. Der regionale Energieversorger BS|Energy erschließt diese Wohneinheiten mit Fernwärme, die über eine in der Nähe angesiedelten Nahwärmestation bereitgestellt wird.

Im Vorfeld war klar, dass die Einhausung der Racks ernst genommen werden muss, um die Klimatisierung effizient zu machen, die Einspeisung der Abwärme über Wärmetauscher in das Nahwärmenetz erfolgen soll - im Gegenzug erhält man dann Kälteleistung -, und die Abwärme für die Heizungsversorgung der Büroflächen im Rechenzentrum genutzt werden soll.

Tatsächlich sah die Umsetzung in Form einer Kooperation der VWFS mit BS|Energy und Veolia über das geförderte EU-Projekt „ReUseHeat“ dann so aus, dass die IT-Systeme mittels Schiebetüren und druckgeregelter Kaltgänge konsequent eingehaust wurden. In den Racks sind die freien HEs mit Blindleisten belegt. Luftseitig wird der Kaltgang mit etwa 24°C, der Warmgang mit bis zu 34°C betrieben.

Wärmepumpen sorgen für das benötigte Temperaturniveau

Das RZ liefert im Betrieb warmes Wasser mit einer Rücklauftemperatur von ca. 25°C und erhält im Gegenzug ca. 18°C kaltes Wasser für die Rückkühlung. „Erste Gespräche mit dem lokalen Energieversorger beziffern die Energieleistung von etwa 250 kW, was einem Viertel der geplanten Ausbaustufe entspricht, als erste Energietauschleistung“, so Moritz Kudalla, Gesamtprojektleiter Neubau Data Center, Volkswagen Financial Services Digital Solutions GmbH. Die Büroflächen im RZ werden über die von Dürr geforderten Wärmepumpe beheizt, die ebenfalls an den Rücklauf aus den IT-Räumen angeschlossen sind.

Durch die Wärmepumpe kann das benötigte Temperaturniveau erreicht werden. Bei Ausfall der Pumpe springt eine Zusatzheizung ein. Damit wird ebenfalls etwa 100 kW an Abwärme für die Beheizung der RZ-Büros und Flurflächen sichergestellt.

Der Wärmetauscher ist an den Wasserrücklauf aus den IT-Räumen angeschlossen und liefert auf der Primärseite 25 beziehungsweise 19°C und Sekundärseite 24 beziehungsweise 18°C für 250 kW übertragbare Leistung. Damit kann die Laufzeit der Kältemaschine reduziert werden, was letztendlich über den geringeren Stromverbrauch dem PUE zugutekommt.

Laut einem Bericht des TÜV Rheinland zur PUE Messung vom November vergangenen Jahres kann das RZ mit allen Maßnahmen zur energetischen Effizienz im Teillastbereich einen PUE-Wert von unter 1,5 erreichen, im Vollastbetrieb sind damit im Jahresmittel unter 1,3 drin

Für den DRZ-Preis angemeldet

Projektleiter Moritz Kudalla hat im Februar den Neubau für den Deutschen Rechenzentrumspreis angemeldet. Der Award wird bekanntlich am Abend der future thinking am 11. April 2019 im „Chamäleon Beach“ im Rhein-Main-Gebiet verliehen. Schon unter Tags wird das Projekt sicherlich für viele Diskussionen sorgen.

„Die Zahl der Rechenzentren steigt jährlich. Umso wichtiger werden innovative Lösungen, um den damit einhergehendem Energiebedarf nachhaltig, effizient und ressourcenschonend zu stillen“, so Ulrich Terrahe, Veranstalter der future thinking und Initiator des Deutschen Rechenzentrumspreises.

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