Rechenzentren im Hypermaßstab Norwegen holt bei der Datacenter-Ansiedlung auf
Während deutsche Parteien hauptsächlich mit sich selber beschäftigt scheinen, handeln Regierungen in anderen Ländern und investieren in die Zukunftsindustrie Datacenter. Zum 1. Januar 2018 erübrigt sich in Norwegen die Grundsteuer für Energieproduzenten, nachdem zum 1. Januar 2017 bereits die Energiesteuern für Rechenzentren um 97 Prozent gesenkt worden waren und Norwegen so mit Schweden gleichzog. Denn die Ansiedlung von Rechenzentren soll gefördert werden. Der Erfolg stellt sich ein.
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Als Reynir Jóhannesson, Staatssekretär im Ministerium für Verkehr und Kommunikation der norwegischen Regierung während der Veranstaltung „Datacloud Nordic“ 2017 vor 400 Wirtschaftsführern in Oslo auf der Bühne stand, sagte er: Regierungen auf der ganzen Welt gingen rasch auf die wachsenden Sorgen der Rechenzentrumsindustrie ein, da der Sektor einen Nachfrageboom erlebe und staatliche Hilfe benötigt werde, um ein nachhaltiges Wachstum zu fördern.
Und er setzte hinzu: Dies sei eine wichtige und spannende Branche. „Eine strategische Industrie für uns", rechtfertigte er die 97prozentige Steuerermäßigung für Strom sowie eine Haushaltserhöhung, um die nationale IT-Infrastruktur voranzubringen. „Data Eaconomy“ zitiert ihn mit den Worten: „Ich verbringe die meiste Zeit damit, die Rahmenbedingungen für Telekommunikation, Rechenzentren und andere Branchen zu verbessern. Und ich bin wirklich froh, dass ich an Norwegens erstem fahrerlosen Kfz-Gesetz gearbeitet habe. „Keines dieser fahrerlosen Autos aber ist ohne die Datenfabriken möglich.“
Bisher galt die Kapazität an Energie aus erneuerbaren Rohstoffen für der größte Pluspunkt: 98 Prozent des landesweit verbrauchten Stroms wird derart erzeugt. Dabei ist die Wasserkraft mit 67 Prozent davon die am häufigsten genutzte Energiequelle, so dass Norwegen der größte Wasserkraftproduzent Europas und der siebtgrößte der Welt ist. Jóhannesson sagt: „Wir entwickeln ein Stromversorgungssystem für die Zukunft. Norwegen ist bereit für die Zukunft der Konnektivität.“
Energieproduzent sucht Partner und Kunden für Datacenter
So sucht der norwegische Energiekonzern Statkraft beispielsweise nach Partnern, da er große Rechenzentren in Norwegen bauen will, berichtete kürzlich die Nachrichtenagentur Reuters. Es handelt sich um ein staatliches Unternehmen, das vor allem erneuerbare Energie aus Wasserkraft liefert, und es interessierte sich für Rechenzentren, nachdem Norwegen diese Anlagen ab Anfang 2018 von der Grundsteuer befreit hatte.
Offenbar ist die Partneranwerbung schon weit fortgeschritten. So zitiert „Datacenter Dynamics“ den CEO von Statkraft, Christian Rynning-Toennesen, mit: „Wir arbeiten hart daran, dass einige Verträge unterzeichnet werden, aber ich kann nicht sagen, bis wann.“ Das Geld für Investitionen stammt unter anderem aus dem Verkauf von Offshore-Windkraftanlagen im vergangenen Jahr. Die 1,2 bis 1,5 Milliarden Euro will der Konzern nun für neue Projekte Onshore-Windkraft, und Solarenergie in Indien, Brasilien und Europa, sowie Datacenter investieren.
In einer Statkraft-Broschüre über die Datacenter-Planung finden sich weitere Details zur Planung. Das Rechenzentrum soll aus drei großen Datenhallen mit dazugehörigen Verwaltungsgebäuden und sonstiger Infrastruktur bestehen. Jede Halle werde rund 30.000 Quadratmeter groß sein, mit einer installierten elektrischen Leistung von knapp über 30 Megawatt.
Die ökonomischen Auswirkungen
Um die direkten und indirekten induzierten wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Auswirkungen der Rechenzentrumsgründung zu berechnen, nimmt Statkraft das „International Total Effect Model“ (ITEM) von Menon zum Abschätzen her.
Demnach wird ein Rechenzentrum mit mehr als 6.800 Vollzeitbeschäftigten während des zwölfjährigen Analysezeitraums und mehr als 450 Vollzeitbeschäftigten in den folgenden Jahren zur nationalen Beschäftigung beitragen, wenn das Rechenzentrum in vollem Betrieb ist. Darüber hinaus könnte ein wirtschaftlicher Effekt von mehr als 5,2 Milliarden Norwegische Kronen (NOK, 0,54 Milliarden Euro) mit der Einrichtung des Rechenzentrums über den Analysezeitraum verbunden werden, mit einem jährlichen Aufkommen von rund 320 Millionen NOK (33,2 Millionen Euro).
Darüber hinaus legte die Berechnung verschiedenen Umgebungen, klein, mittel und groß, durchschnittlicher Wohn- und Arbeitssituationen in Norwegen zugrunde: Demnach hat eine kleine Wohnungs- und Arbeitsmarktregion eine Bevölkerung zwischen 1.000 und 5.000 Einwohnern und ist so groß wie Sauda. Eine mittelgroße Region hat eine Bevölkerung zwischen 10.000 und 25.000 Einwohnern, während eine große Region eine Bevölkerung von mehr als 100.000 Einwohnern hat und mit Vestfold (Sandefjord / Larvik / Tønsberg) vergleichbar ist.
Beschäftigung und Umsatz
Einbezogen wurden auch Überlegungen, dass ein Rechenzentrum für einer kleine Region für die Beschäftigungslage viel attraktiver ist als für große. So kommt das 12-Jahresmodell für eine kleine Region auf fast 1.600 Vollzeitbeschäftigte und die Netto-Wirtschaftsauswirkungen auf fast 300 Millionen NOK. In einer mittelgroßen Region dürfte ein Rechenzentrumsbetrieb im gleichen Zeitraum über 2.000 lokale Vollzeitbeschäftigte und rund 450 Millionen NOK generieren. Die entsprechenden Effekte für eine große Region sind etwa 2.400 Vollzeitbeschäftigte und fast 600 Millionen NOK.
Nachholbedarf
Kein Wunder also, dass sich alle Nordländer um Rechenzentrumsansiedlungen bemühen. Bis jetzt liegt Norwegen bezüglich Datacenter noch hinter seinen nördlichen Nachbarn zurück: Apple baut sein zweites Rechenzentrum in Dänemark, Facebook baut eines in Odense, Dänemark. Ein riesigens von Facebook steht in Luleå, Schweden und weitere Datacenter von namhaften Betreibern in Stockholm sowie Boden. Island sieht sich als Zentrum von HPC-Aktivitäten und beheimatet etwa Unternehmen wie Verne Global, das ein Rechenzentrum auf einem 45 Hektar großen Campus auf einem ehemaligen Marineflugplatz westlich von Reykjavik betreibt.
Der Kolos
Das bislang größte Projekt in Norwegen befindet sich in der Lefdal-Mine, die das Potenzial hat, Europas größter Rechenzentrumscampus zu werden, aber noch nicht kommerziell erfolgreich ist. Konkurrenz in Sachen Größe bekommt das Datacenter von „Kolos“, einem amerikanisch-norwegischem Joint-Venture, das 2018 in Ballangen, 225 Kilometer nördlich des Polarkreises, „das größte grüne Rechenzentrum der Welt“ eröffnen will.
Auf der Website des Planungsbüros HDR heißt es: „Die 600.000 Quadratmeter große, vierstöckige Anlage, die von HDR entworfen wurde, reagiert auf ihre Lage in einem von Bergen umgebenen Fjord und integriert sich in die natürliche Schönheit ihrer Umgebung. Das Design orientiert sich an den spektakulären Landformen von Schwemmfächern, Bergen und Gletschern, die den Ort prägen.“
Die Gebäudeformen, die entlang sich eines zentralen Grats erstrecken, seien so angeordnet, dass sie die Bewegung eines Gletschers nachahmten, der Landstriche wie ein Berg verdrängt. Am Fuße des Berges prallten die Landformen gleichermaßen aufeinander und würden zu Modulen oder Datenhallen umgedeutet, die sicher, skalierbar und miteinander verbunden sind.
1.000 Megawatt Rechenleistung
An der Endstation auf dem Wasser tauche quasi eine Wirbelsäule als öffentliches, kupferverkleidetes Element auf, ein Hinweis auf die Geschichte des Kupferabbaus in diesem Gebiet. Hier befindet sich der Eingang zum Rechenzentrum und bietet zugleich ein Tor zur öffentlichen Uferpromenade – „ein physischer Ausdruck des Engagements des Unternehmens für die Gemeinschaft“, so die Planer von HDR.
Die riesige Anlage, die von vorhandener Wasserkraft angetrieben wird, wird mehr als 1.000 Megawatt Rechenleistung erreichen. Der Hochgeschwindigkeitsverkehr nach Kontinentaleuropa und bis zur Ostküste der Vereinigten Staaten wird vom Kolos-Knotenpunkt aus über Hochleistungsfasern im benachbarten Schweden geleitet.
Mark Robinson, Co-CEO von Kolos, erläutert, dass es im Umkreis von 25 Kilometern um den geplanten Standort finde sich Zugang zu einer riesigen Menge überschüssiger sauberer Wasserkraft gebe. „Wir können bis zu zwei Gigawatt verbrauchbare erneuerbare Energie skalieren. Das ist eine gewaltige Größe, die unsere Konkurrenten nicht vorweisen können.“ Typischerweise haben die bisher größten Rechenzentren der Welt - einschließlich der großen Anlagen in China - eine Bandbreite von 100 bis 200 Megawatt.
Warum Norwegen?
Norwegen wurde im „Cushman & Wakefield 2016 Data Center Risk Index“ auf Platz zwei der empfehlenswerten Standorte für Rechenzentren gesetzt. Zu den Pluspunkten zählte der Report neben dem reichlich vorhandener erneuerbarer Energie, ein starkes Stromnetz und weltweit führend langfristige Preisgarantien. Dazu kommen eine genügende Auswahl an Standorten, sowohl in zentraler als auch ländlicher Lage, redundante Datenleitungen, die entweder bereits bestehen oder in absehbarer Zeit zur Verfügung gestellt werden können, eine starke Wirtschaft, kompetente Arbeitskräfte, stabile politische Situation, ein EU-kompatibler rechtlicher Rahmen sowie wettbewerbsfähige Steuern.
Auf der Website „Invest in Norway“ heißt es dazu: „Das norwegische Steuersystem der ist transparent und leicht verständlich. Der Körperschaftsteuersatz ist eine Abgeltungssteuer von 25 Prozent, die auf die Summe von Gewinnen und Kapitalgewinnen anwendbar ist.
Apple investiert in den USA
Aber auch andernorts bleibt die Welt nicht stehen. So gab Apple kürzlich bekannt, seine Investitionen in den USA in den kommenden fünf Jahre zu erhöhen und 10 Milliarden Dollar für Rechenzentren auszugeben. Apple betreibt eigene Rechenzentren in Reno, der Spatenstich für die Erweiterung erfolgte im Januar, sowie in sieben Bundesstaaten, etwa in North Carolina, Oregon, Nevada, Arizona und Iowa. Insgesamt will der Konzern mehr als 30 Milliarden Dollar in seine US-Aktivitäten investieren, einen neuen Campus errichten und mehr als 20.000 Arbeitsplätze zu schaffen.
Gewährt wird dafür ein befristeter Steuernachlasses bei der Rückführung von Bargeld, so dass der größter Teil seiner 250 Milliarden Dollar, die außerhalb der USA liegen zurück transferieren und eine einmalige Steuerzahlung in Höhe von etwa 38 Milliarden Dollar begleichen. Im Vergleich zum vorherigen US-Steuersystem spart der Konzern dabei 47 Milliarden Dollar.
Jedenfalls brachte es Apple einen Tweet von US-Präsident Donald Trump ein (siehe: Abbildung). Allerdings wusste der Konzern auch vorher schon Steuervorteile außerhalb und in den USA zu nutzen: So erhielt das Rechenzentrum in Reno seit 2012 erhebliche Steuernachlässe, und im vergangenen Jahr kündigte das Unternehmen Pläne für den Bau eines Lagers in der Innenstadt von Reno an, um die Steuern zu senken.
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