In anderen Ländern ja, in Deutschland nicht Integration des Datacenter ins Stromnetz

Autor / Redakteur: lic.rer.publ. Ariane Rüdiger / Ulrike Ostler |

Die Energiewende bietet auch Datacenter-Betreibern neue wirtschaftliche Chancen. Ein Beispiel dafür sieht Eaton in der engeren Integration von Batteriespeichern ins Stromnetz. Für DataCenter-insider hat Ariane Rüdiger mit Stefan Rohrmoser, Geschäftsführer Vertrieb Eaton Deutschland, über die Chancen dieses Geschäftsmodells und Eatons Rolle darin gesprochen.

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Gebäude wie ein Rechenzentrum können zukünftig mehr zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen.
Gebäude wie ein Rechenzentrum können zukünftig mehr zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen.
(Bild: gemeinfrei Gerd Altmann/Pixabay / Pixabay )

Was müssen wir uns unter dem Schlagwort 'Buildings as a Grid' vorstellen?

Stefan Rohrmoser: Man muss das in einem größeren strategischen Zusammenhang sehen. Wir bei Eaton sehen die Energiewende und die somit notwendige Transformation der Energienetze als ein strategisches Thema, das wir durch Energie-Management und Batterien unterstützen können. Dabei spielen Gebäude aber gerade auch Rechenzentren eine wichtige Rolle.

Wie soll das gehen und wozu?

Stefan Rohrmoser: Wir betrachten Gebäude heute ja meist als Energiesenken, also Orte, wo elektrische und andere Energie verbraucht wird. Sie müssen aber in Zukunft zur Energiequelle werden. Dabei können unsere Ideen helfen.

Um zu verstehen, was das bedeutet, muss man zunächst etwas über das Energiesystem insgesamt sagen. Das Energieverteilnetz muss nämlich viel flexibler werden als heute, damit es mit regenerativem Strom funktioniert. De facto haben wir ja heute trotz der bisherigen Regulierung ein Gebietsmonopol der Energieversorgungsunternehmen. Das muss sich ändern. Jeder muss als vollwertiger Stromerzeuger Energie verkaufen und als Verbraucher Energie kaufen können, auch zum Beispiel Rechenzentren. Das wäre ein tatsächlich offener Markt.

„Gebäude, auch Rechenzentren, müssen zu Energiequellen werden. Dabei können unsere Technologien und Produkte helfen", sagt Dr. Stefan Rohrmoser, Geschäftsführer Vertrieb Eaton Deutschland.
„Gebäude, auch Rechenzentren, müssen zu Energiequellen werden. Dabei können unsere Technologien und Produkte helfen", sagt Dr. Stefan Rohrmoser, Geschäftsführer Vertrieb Eaton Deutschland.
(Bild: Eaton)

Was heißt das konkret?

Stefan Rohrmoser: Gerade auf Rechenzentren haben wir bereits viel der nötigen Infrastruktur. Die Strukturen im Stromnetz ähneln denen, die wir bei der internen Stromverteilung im Rechenzentrum vorfinden. Dazu haben wir zum Beispiel Batterien, die Strom speichern. Diese Batterien müsste man einfach größer auslegen, um dann dem Netz bei Bedarf Energie zu liefern.

Wind und Sonne gibt es ja nicht immer, und der Bedarf schwankt auch. Daraus kann ein neues Geschäftsmodell werden. Dazu kommen oft große Dachflächen, die mit Photovoltaik belegt werden könnten. Darunter hat immer noch die Kühltechnik Platz, die davon sogar profitiert, weil sie dann im Schatten steht. Dasselbe gilt für Parkplätze. Der Strom von PV über Parkflächen im Freien könnte direkt ins Rechenzentrum fließen.

Mehr Batterien werden zur Einahmequelle

Und die Kosten? Neue Batterien kosten ja auch etwas.

Stefan Rohrmoser: Das ist richtig, aber die Infrastruktur steht für die Hälfte der Kosten der USV-Anlage, der Rest sind Batterien. Nur diese zweite Hälfte würde also mehr kosten, wenn mehr Batterien gekauft werden. Damit lassen sich aber Erlöse erwirtschaften.

Und wer keine eigene PV nutzt, kann dieselben Technologien auch für Strom aus dem Netz anwenden: Man bezieht Strom, wenn viel im Netz ist, speichert ihn zwischen und schiebt ihn dann wieder ins Netz, wenn er gebraucht wird. Das ist eine echte, monetarisierbare Dienstleistung fürs Stromnetz.

Stromnetze und BESS (Batteriespeichersysteme) haben strukturelle Ähnlichkeiten.
Stromnetze und BESS (Batteriespeichersysteme) haben strukturelle Ähnlichkeiten.
(Bild: Eaton)

Bisher kennt man Eaton vor allem als Hersteller konventioneller Datacenter-Strominfrastruktur. Dieses Vorhaben geht ja weit darüber hinaus. Wie haben Sie sich dafür aufgestellt?

Stefan Rohrmoser: Wir haben im vergangenen Jahr diverse Firmen aus strategischen Gründen zugekauft, zum Beispiel Green Motion, den führenden Betreiber von Ladeinfrastrukturen in der Schweiz. Derzeit programmieren wir eine umfassende, SCADA-kompatible Energie-Management und wir adaptieren unsere Datacenter-Batteriespeicherlösungen auf unserer USV-Technologie.

Eaton wird Energie-Management-Dienstleister

Die wenigsten Rechenzentrumsbetreiber werden sich auch noch mit den Feinheiten des Energiemarktes auseinandersetzen wollen...

Stefan Rohrmoser: Deshalb bieten wir ja bald auch Energie-Management als Dienstleistung an.

Ab wann wird das sein und gibt es in Deutschland schon Pilotkunden?

Stefan Rohrmoser: In anderen Ländern ja, in Deutschland nicht. Das liegt daran, dass wir diverse normative Vorgaben in unsere Hard- und Software einbauen müssen, die anderswo nicht nötig sind. Deshalb haben wir die Lösung in einigen anderen Ländern schon auf dem Markt.

Welche Anforderungen sind das?

Stefan Rohrmoser: Das betrifft Anpassungen der Software, der Kommunikationsschnittstellen und an die Technische Anschlussregeln nach VDE-AR-N 4100. Wir haben unsere Software schon angepasst, aber es gibt nur wenige Zertifizierungsstellen, die diese Produkte entsprechend zertifizieren, und die haben einen Terminstau von neun bis zwölf Monaten. Wir haben jetzt fürs Anfang 2022 einen Zertifizierungstermin bei einem Zertifizierer und hoffen, dass wir Mitte des Jahres an den Markt gehen können.

Wenn Gebäude als aktive Komponenten ins Stromnetz integriert sind, spielt ein intelligentes Energie-Management-System eine zentrale Rolle.
Wenn Gebäude als aktive Komponenten ins Stromnetz integriert sind, spielt ein intelligentes Energie-Management-System eine zentrale Rolle.
(Bild: Eaton)

Gibt es schon Interesse?

Stefan Rohrmoser: Der Markt ist hier schneller als die Technologie – die Anfragen sind bereits da, die Produkte noch nicht.

Jedes Projekt ist individuell

Mit welchen Kosten müssen Datacenter-Betreiber bei solchen Projekten rechnen, einmal abgesehen von den Batterien?

Stefan Rohrmoser: Das ist sehr individuell; denn jedes Projekt erfordert viel Beratung mit dem jeweiligen Energieversorger und Rechenzentrumsbetreiber, weil neben den Basisanforderungen fast jedes Energieversorgungsunternehmen noch spezifische Anforderungen hat.

Umfasst in diesem Umfeld Ihre Tätigkeit dann gegebenenfalls auch die PV auf dem Dach oder die Handhabung der Rechner-Abwärme, die ja auch zur Energiebilanz des Unternehmens gehört?

Stefan Rohrmoser: Für die nächsten Jahre sehen wir beides nicht. Wir kümmern uns um Abwärme dann, wenn sie direkt durch die Batterien erzeugt wird, sonst nicht. Und auch für die PV selbst fühlen wir uns nicht zuständig, das müssen andere machen. ist nicht Teil unseres Produktportfolios.

Gleichstrom-Rechenzentrum und Brennstoffzellen: Vielleicht in fünf Jahren

Wie sieht es mit Gleichstromtechnologie im Rechenzentrum aus? Das läge doch nahe, wenn man sowieso Solarzellen aufs Dach legt?

Stefan Rohrmoser: Wir gehören zum DC Industry Konsortium, einem internationalen Gremium, das versucht, Gleichstrom für Industrieverbraucher zugänglich zu machen, aber das bedeutet eine komplette Marktumwälzung. Das macht es schwierig: Es gibt für so etwas keine erprobten Mechanismen, keine Vereinbarungen.

Auch Brennstoffzellen sind inzwischen als Datacenter-Power-Quelle im Gespräch, sie würden viel Strominfrastruktur im Rechenzentrum überflüssig machen und fernwärmetaugliche Abwärme liefern. Arbeiten Sie bereits an dem Thema?

Stefan Rohrmoser: Da sind wir noch in Sondierung und Entwicklung, das ist noch zu früh für Produkte. Ein weiteres Thema, bei dem wir in der Forschung stecken, ist die DC-Hochvoltverteilung. Aber auch hier ist es noch zu früh. Es könnte noch einige Jahre dauern, bis das so weit ist.

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