Edge Computing allenthalben - vom Datacenter-Container bis zum Siemens-Rechner Hersteller und Provider konzipieren Edge-Produkte
Edge Computing könnte sich als neue Goldgrube für die Anbieter von Rechenzentrumsinfrastruktur, Server, Rechner und KI-Algorithmen entwickeln. Auf der Hannover Messe Industrie gab es eine ganze Reihe entsprechender Angebote zu bewundern.
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Um Daten in Echtzeit zu verarbeiten, etwa zur Produktions- oder Verkehrssteuerung, ist die Cloud im Hintergrund oft schlicht zu weit weg. Der Grund dafür sind die nötigen schnellen Reaktionszeiten: Für die Echtzeit-Maschinensteuerung werden Reaktionen im Mikrosekundenbereich gefordert.
Dazu kommen die Datenmassen, die innerhalb kürzester Zeiten zu bewegen sind. Das würde die Datenverarbeitung in der Cloud im Hintergrund teuer und sehr risikobehaftet machen.
Das Edge ist nah genug
Hier helfen Edge-Ansätze. Bei aller Unterschiedlichkeit eint sie die Idee, die Daten, die an den mit Sensoren bestückten Endpunkten von (I)IoT (Industrial Internet of Things) eingesammelt wurden, erzeugungsnah zu verarbeiten. Dadurch lassen sich Aufgaben wie die Qualitätssicherung, die Steuerung von Produktionsmaschinen oder des Verkehrs digital optimieren.
Edge-Systeme benötigen Rechenleistung, ausreichend Konnektivitätsoptionen und Speicher sowie intelligente Software. Dazu gehören Algorithmen für Künstliche Intelligenz oder maschinelles Lernen.
5G als Edge-Vernetzungsoption
In diesem Trend sehen viele ITK-Unternehmen die Chance, neue Hardware, Software und Dienstleistungen an Kunden aus der Industrie oder aus anderen Bereichen zu bringen. Das spiegelte sich auch auf der Hannover Messe Industrie deutlich wieder.
Das auch auf den schnellen Transport massenweise erzeugter Sensordaten zugeschnittene 5G dürfte sich dabei als wichtige Vernetzungsinfrastruktur innerhalb von Fabrikumgebungen entpuppen. Speziell für industrielle 5G-Campusnetze ist ein Frequenzband zwischen 3,7 und 3,8 Gigahertz vorgesehen. Zu ihnen gehört dann meist auch ein Edge-Datacenter in dieser oder jener Form.
Wie solche Netze aussehen könnten, war in der 5G-Arena in Halle 16 der HMI zu besichtigen. Die dortigen Exponate, zum Beispiel die vernetzte Werkzeugmaschine von Festo auf dem Bild, waren mit Industrial 5G auf Basis von 5G-Modem-Prototypen vernetzt. Zu sehen gab es diverse Modelle dafür, wie die vernetzte Produktion mit 5G und Edge-Intelligenz in Zukunft verbreitet aussehen könnte.
Nokia möchte Edge-Cloud-Betreiber werden
Im Hintergrund arbeitete eine Edge-Cloud, die sich aus einer Nokia-5G-Antenne und einer Edge-Lösung von Dell EMC zusammensetzte. Diese Gerätekombi steht auch im Nokia-Werk in Oulo, das nach Industrie-4.0-Prinzipien herstellt. In Deutschland will Nokia sie als Betreiber bei Industriekunden für deren Fabriknetze einsetzen und damit neues Servicegeschäft generieren.
Edge Computing für den deutschen Mittelstand
Auch die Neugründung „German Edge Cloud“ soll am Edge-Geschäft verdienen. Die Firma gehört zur Friedhelm Loh Group, zu der auch der Schaltschrankspezialist Rittal zählt. Zielgruppe von German Edge Cloud sind vor allem mittelständische Produktionsunternehmen aus Deutschland. Viele von ihnen sind bereits Kunden anderer Unternehmen aus der Friedhelm-Loh-Group.
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SEF und German Edge Cloud mit Showcase
Predictive Maintenance auf der Hannover Messe
Der Newcomer will zusammen mit der Frankfurter Firma Innovo Cloud, an dem Rittal beteiligt ist, KI-basierte Edge-Cloud-Lösungen entwickeln, implementieren und gegebenenfalls betreiben. Mit von der Partie sind hier auch weitere Kooperationspartner: Einerseits IIoT-Dienstleister wie die Iotos GmbH und die Fraunhofer-Gesellschaft.
Innovo Cloud kommt die Rolle zu, innerhalb der nächsten Jahre sein Netz an deutschen Rechenzentren kräftig auszubauen: Je nach Nachfrage sollen bis zu 18 Rechenzentren in unterschiedlichen Regionen entstehen. Der Schaltschrankbauer könnte Rittal wird für die Edge-Datacenter Container und Schaltschränke liefern. Ein Edge-Rechenzentrum entsteht gerade auf dem neuen Rittal-Werksgelände in Haiger.
Eine nachhaltige Lösung für das containerisierte Edge?
Fürs Edge-Computing eignen würden sich prinzipiell auch die Container-Rechenzentren von Cloud&Heat, insbesondere „The Beast“, ein Hochleistungs-Datacenter-Container mit eingebauter Wärmerückgewinnung. Wie Cloud&Heat auf seiner Website meldet, hat das Unternehmen bereits eine verteilte Datacenter-Infrastruktur für die RWE-Tochter Innogy realisiert.
Zwar macht Cloud&Heat dazu keine konkreten Angaben, doch es ist durchaus vorstellbar, dass das RWE-Tochterunternehmen auf diesem Weg versucht, in die Edge-Datenverarbeitung einzusteigen. Denn die Edge-Technologie wird beispielsweise gebraucht, um intelligente bidirektionale intelligente Stromnetze (Smart Grids) erzeugungs- und verbrauchernah zu steuern. Ob diese Vermutung zutrifft, muss sich freilich erst zeigen.
Vielgestaltige Edge-Portfolien
Oft haben Unternehmen gleich mehrere Edge-Systeme im Portfolio. Bei HPE etwa bedient das Edge einmal die Serie „Edgeline ELxxxx Converged Edge“. Ihr aktueller Spross, „EL8000“, bewältigt auch sehr anspruchsvolle und datenreiche Steuerungsaufgaben nahe am Ort der Datenerzeugung. Zielgruppe sind hier beispielsweise Telekommunikations-Provider.
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Für die Echtzeit-Datenverarbeitung in Telekommunikationsnetzen
Edge-Plattform von HPE für Streaming, Mobilität und smarte Städte
Schon länger gehört das „Secure Edge Datacenter“, das zusammen mit den Partnern Rittal und ABB realisiert wird, zum Portfolio. Weiter war auf der HMI mit dem HPE Edge Center eine Fertiglösung für raue Umgebungsbedingungen zur Überwachung der Assets in Produktionsumgebungen zu sehen. In ihr arbeitet die IoT-Plattform „Thingworx“.
Dell EMC hat einerseits seine „Poweredge“-Server, andererseits Edge-Gateways im Programm. Letztere lassen sich entweder mit den Powerddge-Servern kombinieren, die größeren mit eigener Processing-Leistung anreichern.
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Dell Technologies Forum in München
„Die Digitalisierung ändert nichts…nur alles“
Der derzeit sehr kontrovers diskutierte chinesische Hersteller Huawei hat mit der „Atlas“-Serie eine Reihe von Boxen mit ausgeprägter Edge-Intelligenz im Programm. Die Hardware basiert auf einem selbst auf Basis einer ARM-Architektur entwickelten KI-Prozessor, der auch in den „Kunlun“-Superrechnern steckt. Dazu kommen ebenfalls eigenentwickelte KI-Algorithmen.
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Hannover Messe 2019
Huawei präsentiert KI-Plattform Atlas
Cisco und das Edge
Cisco setzt beim Edge- respektive Fog-Computing auf sein „Knietic“-Konzept. Es kombiniert ein Gateway-Modul, ein Edge-Processing-Modul für die Verarbeitung von Daten auf Edge-Systemen (EFM, Edge and Fog Module) und ein Data Control Modul. Letzteres ist für die Zugriffsregulierung auf die Daten und das gesamte Verarbeitungs-Regelwerk zuständig.
Mit EFM-Software lässt sich unter anderem der Datenfluss je nach Anwendung designen und am Bildschirm darstellen. Zudem enthält das Modul eine historische Datenbank der IoT-Daten und optional Algorithmen, mit denen sich datengetriebene Dashboards für die Umgebung, deren Daten dort zusammenfließen, erstellen.
Hardwarebasis sind entweder die Inustrial-Edge-Router „IR 809/829“, den Industrial-Ethernet-Switch „IE4000“ oder der Integrated Service Router „ISD 4000“ mit integriertem „Unified Computing System“ (UCS). Soll die Rechenleistung hoch sein, empfiehlt eignen sich die Server „UCS C220“ und „C240“.
Siemens bringt eigene Edge-Hardware
Siemens hatte bereits 2018 sein Industrial-Edge-Konzept vorgestellt. Auf der Pressekonferenz zur HMI betonte Klaus Helmrich, Mitglied des Siemens-Vorstandes, die große Bedeutung der Edge-Technologien und der Künstlichen Intelligenz für Siemens. Edge-Technologien sollen systematisch in alle Industrieprodukte integriert werden.
Ein Beispiel dafür ist „Sinumerik Edge“, eine maschinennahe Plattform für die Hersteller von Werkzeugmaschinen. Sie wird direkt an oder neben der Maschine angebracht. Dort arbeiten dann Edge-Apps, beispielsweise „Analyze My Workpiece“, eine Anwendung zur Aufzeichnung von Echtzeitdaten über den Produktionsprozess. Im Hintergrund werkelt die in Zukunft auch über 5G angebundene Cloud.
Edge-Computing bringt mehr firmeninterne Rechenzentren
Das sind nur einige von vielen Beispielen. Sie belegen aber zusammen mit den vielen Exponaten industrieller Einsatzumgebungen, die es auf der HMI zu sehen gab, dass man die Bedeutung des Edge-Computing schwer überschätzen kann.
Es werden sich wohl viele Varianten von Edge-Systemen herausbilden. Das Spektrum reicht von der maschinennahen intelligenten Box, die direkt vom Hersteller des Equipments geliefert wird, bis zu kompletten Rechenzentren auf dem Fabrikhof. All dies gibt es in Zukunft in den unterschiedlichsten Betriebsmodellen.
Mit anderen Worten: Die Cloud bedeutet mitnichten das Ende der unternehmensinternen Rechenzentren. Im Gegenteil. Sie werden vielgestaltiger.
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