Der Lumi Supercomputer Der leistungsstärkste Rechner Europas steht in Finnland
Anbieter zum Thema
Am 13. Juni weihte das Gemeinschaftsprojekt EuroHPC zusammen mit den Projektträgern und den lokalen Instanzen Europas leistungsstärksten Supercomputer mit der Bezeichnung „Lumi“ ein. Das System gehört bei Leistung und Energie-Effizienz zu den Spitzenreitern der „Top500“.

Immer wieder wird die europäische Unterlegenheit in Sachen Digitaltechnologie beschworen. Doch es tut sich was, und zwar In der finnischen Kleinstadt Kajaani. In dem 36.000-Einwohner-Städtchen rund 130 Kilometer von der russischen Grenze arbeitet nun der drittschnellste und -effizienteste Rechner der Welt, LUMI (Large Unified Modern Infrastructure).
Das Lumi-Projekt läuft, ausgehend von der EU-Technologieinitiative EuroHPC Joint Undertaking (JU) bereits seit vier Jahren. Ausgeschrieben wurde damals der Standort eines europäischen Supercomputers. Die Wahl fiel aus mehreren Gründen auf Lumi und den Standort Kajaana, wo sich das finnische CSC (Center for Supercomputing) befindet.
Anders Dam Jensen, Geschäftsführer des Euro HPC JU, erläutert: „Der große technische Ehrgeiz des Projekts, seine Energie-Effizienz und vor allem die Zusammenarbeit von zehn Ländern haben uns überzeugt.“
Standort unweit der russischen Grenze
Konsortialpartner sind einschlägige Institutionen aus Belgien, die Tschechei, Dänemark, Estland, Finnland, Island, Norwegen, Polen, Schweden und die Schweiz – und damit auch aus einem Land, das gar nicht zur EU gehört. Vier Länder haben eine sehr lange Grenze mit Russland, was bei weiteren bellizistischen Ambitionen des östlichen Nachbarn durchaus für Ärger sorgen könnte.
Eine lokale Journalistin fragte nach, ob der Standort von Lumi angesichts der Umstände ideal sei, und ob spätere Supercomputing-Projekte eventuell anderswo grenzferner angesiedelt werden würden. Das Management ignorierte allerdings dieses Thema. Bleibt zu hoffen, dass die geplante NATO-Mitgliedschaft dazu beiträgt, Russland von Finnland und damit auch von dem Superrechner Lumi fernzuhalten.
Forschungsnation Finnland
Im Standort Finnland gehören Wissenschaft und Bildung seit jeher zur Staatsräson. Das Land belegt traditionell obere Ränge in weltweiten Bildungs-Rankings. „Wir glauben, dass wir durch Forschung und Innovation zur Lösung wichtiger Weltprobleme beitragen können“, erklärte Anita Lehikonen, Staatssekretärin im finnischen Ministerium für Erziehung und Kultur.
Finnland will unter anderem sein Innovationsbudget bis 2030 auf vier Prozent des Bruttosozialprodukts anheben. Neben dem Erziehungs- und Kulturministerium beteiligt sich auch das Ministerium für Wirtschaft und Beschäftigung an der Lumi-Finanzierung.
Gemeinsame Finanzierung und Nutzung – auch durch SME
Die Finanzierung des insgesamt 202 Millionen Euro teuren Projektes erfolgte zur Hälfte durch die EU, zu einem Viertel durch Finnland. Das übrige Viertel teilten sich die verbleibenden am Projekt beteiligen Länder.
Die Rechenzeit kommt ebenfalls zur Hälfte der EU zugute und damit auch Ländern, die nicht zu den Beteiligten gehören. Der Rest wird unter den Projektländern aufgeteilt. Rund 20 Prozent der Rechenkapazitäten sollen für Industrie und SME reserviert werden.
Platz 3 der Green500
Lumi hat es auf Platz Drei der Green500 geschafft. Auf Platz 1 und 2 stehen jeweils HPE Cray-Maschinen, beide im US-amerikanischen Oak-Ridge-Labor. Sie leisten 62,68 beziehungsweise 52,227 GigaFlops/Watt. Gleich dahinter liegt Lumi mit 51,62 GFlops/Watt. Zugrunde liegt auch hier eine Cray-Masachine von HPE.
Bei den klassischen Top500 führt 2022 das HPE-System „Frontier“ im Oak Ridge Laboratorium (USA), das mit 1.1 Exaflops zum ersten Mal in diesen Leistungsbereich vordringt. Auf Platz zwei Fujitsus „Fugaku“-System im japanischen Technologiezentrum Riken. Lumi steht auf Platz drei und schafft derzeit bei 2,414 Millionen Knoten 146,8 PetaFlops sustained und wird weiter ausgebaut – auch Quantencomputing-Ergänzungen sind geplant.
Intel: beim Supercomputing im Hintertreffen
Schon jetzt leistet LUMI sieben Mal mehr als die Hardware am
. Ein anschaulicher Vergleich: Man müsste 1,5 Millionen Laptops und damit einen Turm von mehr als 20 km Höhe aufeinanderstapeln, um dieselbe Leistung zu erzeugen. Die Peak Performance liegt bei mehr als 550 PFlops.
:quality(80)/p7i.vogel.de/wcms/98/5f/985f294dffcaaf7451a5af6b1c1d1971/0105056162.jpeg)
ISC High Performance 2022 in Hamburg
HPE-Superrechner erreicht mit AMD-Prozessoren erstmals Exascale-Rechenleistung
Die Bestenlisten belegen übrigens, dass Intel hinsichtlich des Supercomputing merklich im Hintertreffen ist: Auf keiner der beiden Listen taucht ein Intel-basiertes System unter den ersten fünf auf, Nvidia rangiert teils vor Intel. Man darf gespannt sein, ob sich das mit Intels aktueller Technologiegeneration wieder ändert.
Lumi: HPE Cray mit AMD Epyc als Basis
Der für die Jahre 2021 bis 2026 vorgesehene Supercomputer in Kajaani ist ein HPE Cray-System aus „AMD-Epyc“-Prozessoren der dritten Generation mit 2 Gigahertz (GHz) Taktrate. Dazu kommen 117 PByte Storage: Ein 7-PByte-Flash-Layer, 80 PByte „Lustre“-Filestorage und 30 PByte Objektspeicher (Lumi-O).
Mehrere 100-Gbit/s-Verbindungen führen derzeit in andere Länder Europas. Die Verbindungen sind bis in den Multi-Terabit-Bereich skalierbar. Lumi ist direkt an das nordeuropäische IP/MPLS-Backbone angebunden. Er ist extrem ausfallsicher – das Management des CSC postuliert, dass man höchstens mit einem Ausfall in 37 Jahren rechne.
Der Rechner steht auf einem Whitespace von 2.200 Quadratmetern, der auf 4.500 Quadratmeter erweitert werden kann. Seine Standfläche beträgt 150 Quadratmeter, sein Gewicht liegt bei 150 Tonnen.
Positive Klimabilanz durch Abwärmenutzung
Besonders interessant ist das Energiekonzept: Die nötigen 200 MW Strom kommen komplett aus Wasserkraft und damit aus regenerativen Energien. Die Abwärme verpufft nicht sinnlos in Finnlands kühler Luft, sondern deckt rund 20 Prozent des Nahwärmebedarfs der benachbarten Gemeinde.
Das führt am Ende dazu, dass Lumi 12,4 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr einspart, statt wie üblich zu Kohlendioxid zu generieren. Auch hier hilft ein Vergleich dem Vorstellungsvermögen: Das entspricht etwa dem jährlichen Ausstoß von 4.000 durchschnittlichen PKWs.
Strom ist in Kajaani vorläufig überreichlich vorhanden. Kimmo Koski, Geschäftsführer des finnischen CSC: „Allein die drei mittlerweile geschlossenen Papierfabriken in dieser Gegend hatten einst einen Energiebedarf von 235,5 Megawatt (MW).“ Dieses Volumen stehe jetzt zur Verfügung.
Neue Möglichkeiten für die europäische Forschung
Robert Viola, Generaldirektor der Generaldirektion Kommunikationsnetze der EU (DG Connect), fügte hinzu: „Lumi ist ein zukunftsweisendes Beispiel dafür, wie man das Leben in einer schönen, abgelegenen Umgebung mit der weltweiten Zusammenarbeit verbinden kann.“
Jensen ergänzt: „Lumi eröffnet dem europäischen Supercomputing neue Möglichkeiten.“ Man werde bestehende Applikationen wesentlich beschleunigen. Aber es würden sich auch neue, bislang nicht rechenbare Applikationen entwickeln.
Besonders wichtig sei in diesem Zusammenhang die Klimaforschung. Bessere Simulationen mit höherer geografischer Auflösung für gezieltere Schutz- und Gegenmaßnahmen brauchten mehr Rechenleistung.
Das Gleiche in der Hirnforschung: Man kenne erst die Funktion von rund 20 Prozent aller Hirnzellen. Mehr Rechenleistung wird benötigt, um den Rest zu verstehen, wie das Human Brain Project der EU vorsieht.
Gemeinsamkeit macht stark
EU-Generaldirektor Viola schloss mit einem optimistischen Statement über die wissenschaftlichen und technologischen Kapazitäten Europas: „Allein sind die komplexen Probleme von heute nicht mehr zu lösen. Wir sind in der EU 27 unterschiedliche Partner, die zusammen den weltweit den größten Markt bilden. Das ist eine einmalige Chance. Zusammen können wir jedes Problem bewältigen.“ Völlig utopisch scheint das angesichts von Lumi nicht.
(ID:48416543)