Zwischen Spielerei und Branchenrevolution Deloitte zur KI in der Musikindustrie
Künstliche Intelligenz (KI) ist die vielleicht spannendste Technologie unserer Zeit. Die Anwendungsfelder ziehen sich längst durch alle möglichen Branchen. Aber wie gut passen maschinelles Lernen, Natural Language Processing, Deep Learning und Musik, die eng verknüpft ist mit zutiefst menschlichen Eigenschaften wie Kreativität und Emotionalität, zusammen?
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„Fakt ist, KI ist schon längst in der Musikbranche angekommen: Wer Musik-Streaming-Dienste nutzt, ist schon heute vertraut mit Song-Empfehlungen, die ein Algorithmus ausgesucht hat. Doch das Potenzial der Technologie ist überraschend vielfältig“, erläutert Ralf Esser, Leiter Industry Insights bei Deloitte. „In unserem aktuellen Sector Briefing haben wir uns das Thema genauer angeschaut und Anwendungsfelder sowie entscheidende Erfolgsfaktoren für künstliche Intelligenz in der Musikindustrie identifiziert.“
Die relevanten Anwendungsfelder von KI in der Musikindustrie lassen sich in drei Kategorien einteilen:
Komposition und Produktion
Schon heute nutzen Künstler KI auch im Kreativprozess, beispielsweise können 'virtuelle Musiker' mit Hilfe von Deep Learning selbstständig Musik erzeugen. Spannende Möglichkeiten bietet KI auch im Bereich der 'adaptiven Musik', also Musik die sich dem jeweiligen Kontext anpasst.
So verändert sich beispielsweise der Soundtrack eines Games abhängig von Verhalten und Gesundheit der Spielfigur. Bei der Produktion kann intelligente Software, basierend auf Machine Learning, beispielsweise den Mastering-Prozess unterstützen.
Auffindbarkeit und Marketing
Neben der Erstellung von Playlisten und relevanten Musikempfehlungen beim Streaming kann KI auch Labels bei der Suche nach neuen Hits behilflich sein, indem die unzähligen Songs, die am Tag auf Online-Plattformen hochgeladen werden, nach bestimmten Charakteristika abgesucht werden.
Kommunikation und Journalismus
Genau wie es bei Finanznachrichten zum Teil schon heute passiert, kann KI auch im Bereich Musikjournalismus Redakteure unterstützen, indem sie enormen Mengen an Informationen scannt und relevante Datenpunkte automatisch identifiziert und bereitstellt. Die so gewonnene Zeit können Redakteure dann für komplexere Recherchen nutzen.
Erfolgsfaktor Datenverfügbarkeit
Unverzichtbar für die Umsetzung von KI-Anwendungen ist die Verfügbarkeit relevanter Daten. Ausschlaggebend hierfür sind zwei Faktoren: das Regulierungsumfeld sowie die Aufgeschlossenheit von Mediennutzern, ihre Daten zur Verfügung zu stellen, damit die KI lernen kann.
Laut dem aktuellen „Media Consumer Survey von Deloitte“ herrscht bei den deutschen Nutzern noch immer eher Zurückhaltung: Altersübergreifend sind 37 Prozent der Befragten bereit, für bessere Content-Empfehlungen ihre Daten zu teilen. Gleichzeitig bleibt der Anteil derer, die der Weitergabe grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen, unverändert hoch. Dennoch ist die Bereitschaft zur Weitergabe von Daten in den vergangenen sechs Jahren signifikant und kontinuierlich gestiegen.
Klaus Böhm, Leiter des Bereichs Media & Entertainment bei Deloitte, fasst zusammen: „Künstliche Intelligenz wird sich in den kommenden Jahren in der Musikindustrie weiter durchsetzen, denn viele Zweige der Branche können von der Technologie profitieren. Wie in allen Kreativbranchen gilt es jedoch, KI-Lösungen mit Fingerspitzengefühl umzusetzen.“
Sensibles Umfeld
Skeptiker legen ihrer Kritik ein Szenario zugrunde, in dem Künstliche Intelligenz in der Musikindustrie die beherrschende Rolle spielt. Ihre Argumente: Der künstlerische Anspruch der Kreativbranche stände im Widerspruch zum technisierten Charakter von Künstlicher Intelligenz. Stattdessen würden Algorithmen den Trend zum Mainstream verstärken.
So befürchten kritische Beobachter, dass viele Überraschungshits früherer Tage heute durch das Raster der Algorithmen fallen könnten. Ob KI tatsächlich den weltweiten Erfolg komplexer, ausladender Kompositionen wie Bohemian Rhapsody von Queen oder den Hits von Pink Floyd verhindert hätte, wird sich gleichwohl nie beweisen lassen, so Deloitte.
Die Spezifika der Branche sowie Grenzen der Datenverfügbarkeit setzen jedoch absehbar einen anderen Entwicklungsverlauf in Gang. Künstliche Intelligenz wird sich als zusätzliches, innovatives Instrumentarium in zahlreichen Anwendungsfeldern der Musikindustrie weiter etablieren.
In der Tradition von Synthesizer und mp3
Allerdings werde KI nicht als primäres Werkzeug, sondern in der Hauptsache komplementär genutzt werden. Die Musikindustrie der Zukunft werde geprägt sein von einem Nebeneinander etablierter Prozesse und neuen, intelligenten Anwendungen.
Künstliche Intelligenz vereinfache Arbeitsabläufe, sie objektiviere Entscheidungen und eröffne zusätzliche, kreative Möglichkeiten. Sie werde aber keinesfalls das kreative Schaffen von Musikern, die Erfahrung von A&R-Managern oder die Expertise von Musikjournalisten komplett ersetzen. Der Mensch bleibe der wesentliche Faktor, KI-Tools zeigten ihm aber zusätzliche Handlungsoptionen auf und helfen bei der Entscheidungsfindung.
Wichtig werde sein, so Böhm, dass vorhandene Bedenken nicht zu einer ausgeprägten Verweigerungshaltung oder rigiden Regulierungsschritten führen, die den Fortschritt blockieren. Denn die Musik habe schon immer stark von Veränderungen gelebt.
„KI reiht sich ein in die lange Tradition von Phonograph, Synthesizer und mp3“. Zudem bleiben auch in Zeiten von Künstlicher Intelligenz menschliche Kreativität, Emotion und Bauchgefühl unerlässlich für die Musik“, resümiert der Bereichsleiter Media und Entertainment.
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