Open Standard for Datacenter Availability - OSDA Batterietechnik statt Diesel und neue Verfügbarkeitsklassen

Autor / Redakteur: lic.rer.publ. Ariane Rüdiger / Ulrike Ostler |

Wer ein zertifiziertes Rechenzentrum betreiben will, konnte bisher den Einsatz von Dieselgeneratoren als Notstromerzeuger kaum vermeiden. Deshalb entwickelt The Green Grid nun einen neuen Standard, der auch Batterien und Erneuerbare als Erzeuger als Notstromreserve zulässt.

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Der Klimawandel fordert die Nutzung erneuerbarer, nicht immer zuverlässiger Energien, doch die Rechenzentren müssen höchstverfügbar sein. Ein Umdenken ist erforderlich plus neue Battterien und neue Metriken. Der Open Standard for Datacenter Availability (OSDA) von The Green Grid macht sich darn.
Der Klimawandel fordert die Nutzung erneuerbarer, nicht immer zuverlässiger Energien, doch die Rechenzentren müssen höchstverfügbar sein. Ein Umdenken ist erforderlich plus neue Battterien und neue Metriken. Der Open Standard for Datacenter Availability (OSDA) von The Green Grid macht sich darn.
(Bild: gemeinfrei - TheDigitalArtist/Pixabay / CC0 )

Der Stromverbrauch der Rechenzentrumsindustrie wächst unvermindert weiter. Lex Coors, Chief Datacentre Technology and Engineering Officer beim Datacenter-Provider Interxion und daneben unter anderem Gründer und Mitglied des Executive Advisory Board des Uptime Institute, Mitglied des gemeinsamen Forschungsausschusses der Europäischen Kommission zur Nachhaltigkeit sowie der European Data Centre Code of Conduct Metrics Group, sagt dazu: „2020 werden es etwa 60 Gigawatt (GW) sein.“

Das entspricht dem gesamten Verbrauch eines Landes wie Polen oder Thailand. 2005 lag die elektrische Leistung der Rechenzentren weltweit noch bei 17 GWh, was 102 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten entspricht. Die Versorgung war komplett nicht kohlenstoffneutral:

Im Hintergrund wartete überall der Diesel auf seinen Einsatz, und der Primärstrom kam üblicherweise von den damals ebenfalls erst in Erneuerbare einsteigenden Stromversorgern. 2020 werden es, steigt der Verbrauch, wie Coors und andere es erwarten, dreimal so viele CO2-Äquivalente sein. Gleichzeitig habe sich aber die EU das Ziel gesetzt, ihren Kohlendioxidausstoß bis 2020 um 20 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu senken. „Also müssen wir was tun“, sagt Coors (Die neue deutsche Bundesregierung hat ihre Klimaziele schon vor Regierungsantritt gekippt).

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Nachhaltigkeit soll sein, aber ....

Damit befindet sich die Rechenzentrumsindustrie in derselben Bredouille wie etwa der Mobilitätssektor: Einem scheinbar unaufhörlich steigenden Bedarf stehen Nachhaltigkeitsbedürfnisse oder -zwänge gegenüber, denn die Zeit tickt. Guter Rat ist also teuer, wenn die EU ihre Nachhaltigkeitsziele tatsächlich einhalten möchte.

Damit, was nun unter anderem im Datacenter-Sektor zu tun ist, beschäftigte sich am 5. Februar des laufenden Jahres die EU-Kommission. Auch Coors war zu der Sitzung eingeladen, bei der es um Initiativen ging, mit denen sich die Koholendioxiderzeugung im IT-Bereich und bei der Mobilität wirksam reduzieren lassen, ohne Mobilität und IT-Nutzung einzuschränken.

Während im Mobilitätsbereich auch dank des Dieselbetrugs langsam einschneidende und beschränkende Maßnahmen näher zu rücken scheinen, gibt es in der IT begründete Hoffnung auf umsetzbare technische Lösungen. Sie sollen dem Kohlendioxidproduzenten Rechenzentrum zu Leibe rücken, ohne seine Leistungsfähigkeit einzuschränken.

Neue Energiespeicher müssen her

Gefeilt wird an zwei Bestandteilen: verbesserter Energiespeichertechnik und dem von The Green Grid vorgeschlagenen „Open Standard for Datacenter Availability“, der es ermöglichen soll, auch für nichttraditionelle Rechenzentrumsdesigns verlässliche Verfügbarkeitslevel zu ermitteln. Mit den derzeitigen Klassifikationen und Tools geht das nicht.

Zwar gibt es schon viel erneuerbaren Strom, doch ihn als alleinige Ressource für Rechenzentren einzusetzen, ist nach wie vor schwierig. Das wichtigste Hindernis dabei ist die diskontinuierliche Stromerzeugung durch die Erneuerbaren – ruht der Wind und verdüstern Wolken die Sonne, dann geht im Rechenzentrum das Licht aus, oder unter aktuellen Bedingungen der Dieselgenerator, eine echte Kohlendioxid-Schleuder, an.

„Bisher war Diesel die einzige Alternative, ein sicheres Datacenter-Elektrizitäts-Backup bereitzustellen“, sagt Coors. „Wenn ein Rechenzentrum mit 15 Megawatt DC für 10 Stunden versorgt werden soll, braucht man entsprechend viel Speicherkapazität, und das ist mit den Batterietypen, die es bisher gibt, schwer zu realisieren.“

Querschnitt durch eine Salz-Nickel-Batterie, wie sie am MIT entwickelt wird.
Querschnitt durch eine Salz-Nickel-Batterie, wie sie am MIT entwickelt wird.
(Bild: MIT)

Die Nickel-Salz-Batterie: Alter Wein in neuen Schläuchen

Doch neue Batterietechnik macht jetzt Hoffnung: Kombiniert mit den Erneuerbaren, gebe es durch sie, so Coors, nun erstmals die Chance, Gesamtlösungen ohne Diesel zu entwickeln.

Am Massachusetts Institute for Technology (MIT) entwickelt aktuell, unterstützt auch von der Gates-Foundation, Donald R. Sadoway, der dort die John-F.-Elliott-Professur für Materialchemie innehat, mit seinem Team einen im Jahr 1968 entstandenen Batterietyp so weiter, dass er für diese Aufgabe taugen könnte.

Die wiederaufladbare Batterie basiert auf Elektroden aus Salz und Nickel-Chlorid. Bislang war der praktische Einsatz dieses Batteriedesigns an der Membran gescheitert, durch die die Elektronen bei ihrem Weg durch die Batterie diffundieren müssen: Die bislang verwendeten Keramik-Membrane waren zu spröde und zerbrachen deshalb oft unter den nicht immer sanften Einsatzbedingungen. Nur in einigen Spezialfällen bewährten sich Nickel-Salz-Batterien daher praktisch.

Batterien werden zur Hauptenergiequelle

Das Team um Sadoway ersetzte die Keramikmembran nun durch ein beschichtetes Metallmaschennetz, das sehr viel stärker und widerstandsfähiger ist. Da die übrigen Grundmaterialien günstig, reichlich verfügbar und sicher sind, eröffnet das neue Horizonte. Die Batterien selbst sehr stabil, was viele Lade-/Entladezyklen bedeutet. Sie sind zudem stapelbar und erzeugen kaum Hitze, so dass auch keine aufwändigen gekühlten Umgebungen am Batteriestandort notwendig sind. Es könnte sich also tatsächlich um einen Durchbruch handeln.

Denn mit diesem Batterietyp könnte man Flauten und Wolken am Himmel, die die Solar- und Winderzeugung ausschalten, begegnen: Erneuerbare Energie würde, wann immer möglich, direkt in den Datacenter-Batterieblock eingespeist. Dieser würde das Rechenzentrum ständig mit Strom versorgen, vergleichbar etwa mit einer Online-USV.

Bei Flaute und schlechtem Wetter tritt die Batterie als primäre Ressource in Aktion. Sobald eine der vorhandenen erneuerbaren Ressourcen wieder verfügbar ist, füllen sie die Batterien erneut auf. Die gewünschte Überbrückungsdauer wird durch einen entsprechend dimensionierten Batterieblock sichergestellt.

Für wen taugt das?

Sinnvoll ist diese Art der Versorgung insbesondere für kleinere und mittlere Rechenzentren, für sehr große würden auch die Batterieblöcke entsprechend groß. Der Charme dieser Idee: Es ist egal, woher der Strom kommt und ob er kontinuierlich von außen in die Batterien fließt, so lange nur die Dimensionierung des Batterieblocks der gewünschten Überbrückungsdauer und Leistung entspricht.

Coors bestätigt: „Sinnvoll ist diese Art der Versorgung insbesondere für kleinere und mittlere Rechenzentren, größere brauchen andere Überbrückungsressourcen.“ Soweit die Theorie. Ob das Ganze praktisch funktioniert, wird sich eine geplante Versuchsanwendung zeigen.

Doch um diese Technologie praktisch im Rechenzentrumsmarkt durchzusetzen, ist noch mehr erforderlich: Nämlich eine Norm, die die zuverlässige Berechnung von Verfügbarkeiten auch für derartige Installationen ohne Notstromaggregat ermöglicht.

Anders planen!

Genau das tut OSDA (Open Standard for Datacenter Availability): Mit dem vorgeschlagenen Verfahren lässt sich die Verfügbarkeit eines Rechenzentrums sicher prognostizieren, egal, welche Form der Energieversorgung es verwendet und egal wie hoch die angepeilte Verfügbarkeit sein soll.

OSDA baut auf den bestehenden vier Tier-Klassifikationen auf (Nicht redundant, grundlegend redundant, unterbrechungsfrei wartbar und fehlertolerant) und soll in den frühen Planungsstadien des Datacenter-Designs verwendet werden, wenn Bauherren und Architekten grundlegende Entscheidungen über Verfügbarkeit, Dimension und Skalierbarkeit sowie Energieversorgung treffen.

Das Bewertungsschema von OSDA.
Das Bewertungsschema von OSDA.
(Bild: The Green Grid)

OSDA, so ein Arbeitspapier von The Green Grid, das für Nichtmitglieder des Verbands gegen Entgelt von dessen Website heruntergeladen werden kann, basiert auf einer generischen Kalkulationsmethode. Mit ihr lässt sich jedes Design nach den Kriterien Nachhaltigkeit, Energie-Effizienz und Verfügbarkeit bewerten. Sie setzt die Bewertung auch zu den bestehenden vier Verfügbarkeitslevel in Beziehung. Die spätere Nutzungsform des Rechenzentrums ist dabei unerheblich. Am Ende wird für das Gesamtdesign des Datacenter ein Punktwert vergeben, der es ermöglicht, unterschiedliche Rechenzentren miteinander zu vergleichen.

Im Hintergrund stehen Wahrscheinlichkeitsberechnungen von in Serie oder parallel geschalteten Komponentenkonfigurationen, um die vier Level zu beschreiben. Dabei wird für jede Komponente eine eher pessimistische Verfügbarkeitsschätzung verwendet, um überoptimistische Einschätzungen zu vermeiden. Faktoren wie die Skalierbarkeit werden ebenfalls in das Modell einbezogen. Auch die statistische Verfügbarkeit von Designs, die heute keiner Level-Definition entsprächen, sowie die jedweden zukünftigen Designs ließen sich mit OSDA in Zukunft berechnen.

Für den Einsatz von OSDA beim Datacenter-Design schlägt The Green Grid vier Schritte vor:

  • 1. Ziele definieren und Systemauswahl gemäß dem DCMM (Datacenter Maturity Model).
  • 2. Auswahl der Energieversorgung und Auslegung des Energiesystems
  • 3. OSDA-Bewertung errechnen
  • 4. Nummer 1 bis 3 so lange wiederholen, bis das angestrebte Gleichgewicht zwischen Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit erreicht ist.

Geplant ist ein Online-Tool, das es ermöglicht, diese Berechnungen für das eigene Rechenzentrum durchzuführen. Derzeit läuft ein offener Konsultationsprozess, in den sich alle Interessenten mit Kritik und Verbesserungs- oder Änderungsvorschlägen einbringen können.

* Ariane Rüdiger ist freie Journalistin und lebt in München.

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