Rolls Royce, Plug Power und Microsoft melden Erfolge Wasserstoff-Brennstoffzellen als Notstromaggregat im Datacenter
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Im vergangenen Juli hat Microsoft ein mit Wasserstoff betriebenes 3-Megawatt-Notstromaggregat vorgestellt. Das System wurde von Plug Power gebaut. Jetzt konnte Rolls-Royce einen erfolgreichen Test mit 100 Prozent Wasserstoff demonstrieren – und zwar mit einer 12-Zylinder-Gasvariante des hauseigenen MTU-Motors der Baureihe „4000 L64“.

Das Microsoft-System auf einem Parkplatz am Hauptsitz von Plug in Latham, New York, nutzt Wasserstoff-Brennstoffzellen in zwei 40-Fuß-Schiffscontainern. Microsoft hat eine simulierte Rechenzentrumslast hinzugefügt und die Anlage denselben Akzeptanztests unterzogen, die normalerweise für Dieselgeneratoren gelten. Nach Angaben der Partner konnte damit bewiesen werden, dass die Anlage die Last auch bei einem Ausfall des Stromnetzes am Laufen halten kann.
Damit könnten die Brennstoffzellen ein Ersatz für die großen Dieselaggregate sein, die in den meisten Rechenzentren für die Notstromversorgung eingesetzt werden. Sean James, Leiter der Rechenzentrumsforschung bei Microsoft, schrieb im Microsoft-Blog: „Was wir gerade erlebt haben, war für die Rechenzentrumsbranche wie eine Mondlandung. Wir haben einen Generator, der keine Emissionen erzeugt. Das ist atemberaubend.“
Das erklärte Ziel des Softwareherstellers und Cloud-Betreibers ist es, bis 2030 kohlenstoffneutral zu sein oder sogar kohlenstoffnegativ zu werden, um seine historischen Emissionen zu kompensieren. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen zahlreiche Stromabnahmeverträge abgeschlossen, so dass die Stromlieferungen an seine Rechenzentren durch klimaneutrale Stromerzeugung im Netz ausgeglichen werden, und es hat Schritte unternommen, um die Energieversorgung Stunde für Stunde abzugleichen.
Obwohl die Notstrom-Diesel nur bei Tests und seltenen bei Netzausfällen, zum Einsatz und deshalb nur einen Bruchteil des Energieverbrauchs ausmachen, will Microsoft die Kohlendioxid-Schleudern bis 2030 aus seinen Backup-Systemen verbannen.
Nach Erklärungen der Testpartner laufen die Polymerelektrolyt-Brennstoffzellen (Polymer Electrolyte Fuel Cell, PEM-Brennstoffzellen) zudem auch bei niedrigeren Temperaturen als die alternativen Festoxid-Brennstoffzellen (SOFC), die häufig mit Methan betrieben werden, und könnten schneller anlaufen, was sie für die Notstromversorgung geeigneter mache. Microsoft hat zwischen 2013 und 2018 ebenfalls SOFCs getestet, ist dann aber auf PEM umgestiegen und hat 2020 in einem 48-stündigen Test ein 250-Klowatt-PEM-System als primäre Stromquelle für 10 Server-Racks demonstriert.
Um von 250 Kilowatt auf 3 Megawatt aufzustocken, kam Plug Power ins Spiel. Das Unternehmen hat Brennstoffzellen mit einer Leistung von je 125 Kilowatt in den Containern kombiniert - die bisher größte Plug-Power-Installation. Jeder Container fasst 18 der 125-kW-Brennstoffzellen, so dass eine Sicherheitsspanne für die 3-MW-Kapazität des Systems vorhanden ist.
Die Anlage von Microsoft
Die entstandene Demonstrationsanlage in Latham ist das bisher größte Wasserstoffprojekt von Microsoft. Es basiert auf der PEM-Brennstoffzellentechnologie (Proton Exchange Membrane), die Wasserstoff und Sauerstoff kombiniert und dabei Strom, Wärme und Wasser erzeugt. Das ist grüner Strom - vorausgesetzt, der Wasserstoff ist ´grüner Wasserstoff´, der durch Elektrolyse mit erneuerbarem Strom erzeugt wird.
So ist das Prototypsystem auch noch keine wirkliche kohlenstofffreie Backup-Lösung, da es nicht mit solch grünem Wasserstoff läuft. Stattdessen verwendet Wasserstoff, der als Nebenprodukt des Chloralkaliprozesses bei der industriellen Herstellung von Chlor und Natriumhydroxid anfällt.
Microsoft bezeichnet dies als `blauen Wasserstoff´. Diese Klassifizierung ist im Regenbogen der Wasserstoffquellen normalerweise für kohlenstoffarmen Wasserstoff reserviert, der auf andere Weise als durch Elektrolyse gewonnen wird. Blauer Wasserstoff bedeutet in der Regel Wasserstoff, der aus Methan gewonnen wird, einem Verfahren, bei dem viel CO2 als Treibhausgas entsteht - allerdings unter Verwendung eines Kohlenstoffabscheidungssystems, das einen Teil dieses CO2 auffängt.
Die weitere Planung
Am Standort Latham wird der erzeugte Strom in Lastbänke (Heizungen) eingespeist, die den Stromverbrauch eines ganzen Rechenzentrums simulieren. Außerdem gibt es Batterien, wie sie auch in einem unterbrechungsfreien Stromversorgungssystem (USV) eingesetzt werden, um den Strom zu liefern, während die Brennstoffzellen hochgefahren werden.
Doch will Microsoft eine kommerzielle Version in einem Forschungsdatenzentrum installieren und an den praktischen Aspekten der Verwendung von Wasserstoff arbeiten, einschließlich Versorgung, Lagerung und Sicherheitsprotokolle. Den Standort hat Microsoft nicht bekannt gegeben. Laut James wird es ein Ort sein, "an dem die Luftqualitätsstandards Dieselgeneratoren verbieten".
„Wenn sich die Aufregung gelegt hat, werde ich mich umdrehen und fragen: 'Okay, wir haben einen gemacht, wo kann ich 1.000 bekommen?` Wir haben uns verpflichtet, komplett ohne Diesel auszukommen, und die Lieferkette muss stabil sein - wir müssen über die Größenordnung der gesamten Wasserstoffindustrie sprechen.“
Das Rolls-Royce-System
Nun hat Rolls-Royce eine wasserstoffbetriebene Version seiner Gasgeneratoren gebaut und getestet. Ab Januar 2024 soll die in seinem Geschäftsbereich Power Systems in Friedrichshafen entwickelte Variante an Kunden ausgeliefert werden – der erste Testkunde wird jedoch kein Rechenzentrum, sondern der Binnenhafen in Duisburg.
Dieser soll Standort eines klimaneutralen Containerterminals, „Enerport“, sein. Zwei Aggregate sollen im Januar des kommenden Jahres geliefert werden. Sie werden dort in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen des Enerport eingesetzt und werden für den Hafen vor allem konstant elektrische Energie liefern.
Die Wärme, die beim Verbrennungsprozess entsteht, wird für das Duisburger Nahwärmenetz zur Verfügung gestellt. Zudem werden drei MTU-Brennstoffzellensysteme mit einer installierten Leistung von insgesamt 1,5 Megawatt, die flexibel auf schwankenden Energiebedarf reagieren, für Spitzenstrom zum Einsatz kommen.
Der Fortschritt
Die Wasserstoff-Variante und der Gas-betriebene Motor ähneln sich nur auf den ersten Blick. Denn bestehende Gasmotoren können nicht mit 100 Prozent Wasserstoff betrieben werden, so dass sie entweder mit einer Mischung gefüttert werden müssen, die weiterhin hauptsächlich Methan verbrennt, oder sie müssen ersetzt oder aufgerüstet werden.
Rolls-Royce hat die Motorkomponenten einschließlich der Kraftstoffeinspritzung, der Turboaufladung sowie der Kolbenkonstruktion und -steuerung geändert, da Wasserstoff andere Verbrennungseigenschaften als Erdgas aufweist. Er hat eine geringere Energiedichte, so dass mehr verbraucht werden muss und der Motor größere Turbolader benötigt.
Da Wasserstoff bei niedrigeren Konzentrationen in der Luft brennbarer ist als Methan, muss der Motor ein niedrigeres Verdichtungsverhältnis haben und das Gas näher am Zylinder einspritzen. All dies erfordert ein anderes Motor-Management-System.
Hoffnungen und Kosten
Nach Angaben von Andrea Prospero, Ingenieur des Systems, hätten sich die Tests auf einen stabilen Betrieb und niedrige Emissionen konzentriert und gezeigt, dass bestehende Gasmotoren mit Teilen, die im MTU-Portfolio von Rolls-Royce verfügbar sind, modifiziert werden können. Die resultierenden Motoren bestehen auch die Emissionstests: „Die sehr niedrigen Motoremissionen liegen weit unter den strengen EU-Grenzwerten, eine Abgasnachbehandlung ist nicht erforderlich“, so Prospero.
Ob das System damit auch für Rechenzentren geeignet ist, …. ? Microsoft-Tüftler James stellt jedenfalls die Bedeutung der Notstromversorgung heraus: „Was ein Rechenzentrum zu einem Rechenzentrum macht, ist, dass es auch dann funktionieren kann, wenn das Stromnetz nicht funktioniert. Wenn es einen Stromausfall gibt, bleiben die Server in Betrieb. Das ist der Unterschied zwischen einem Rechenzentrum und einem mit Computern vollgestopften Lagerhaus.“
Derzeit sind die Kosten pro Kilowattstunde Energie bei einem Wasserstoff-Prototypsystem viel höher als bei einem Diesel, aber zumindest Microsoft und Plug glauben, dass diese Kosten sinken werden.
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