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„Nano-Ruckler“ und die Auswirkungen auf die Quantenrechnerei Was ist das Quantenrauschen?

Von Jürgen Höfling |

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Eine Zufallsverteilung von atomaren Teilchen in der Nano-Welt schlägt auch in der Makrowelt ganz schön Wellen. Das so genannte Quantenrauschen ist eine große Herausforderung an die Konstrukteure von Quantenrechnern.

Bei der Detektion von Gravitationswellen aus den Tiefen des Alls entstehen zuweilen auch Erkenntnisse über das Quantenrauschen.
Bei der Detektion von Gravitationswellen aus den Tiefen des Alls entstehen zuweilen auch Erkenntnisse über das Quantenrauschen.
(Bild: Dieter_Schütz_pixelio.de)

Die Sache scheint einfach: Was bei klassischen Computern die „Bits“ sind, das sind bei einem Quantenrechner die Quantenbits („Qubits“). Rechenoperationen werden auf Qubits beziehungsweise logischen Gattern, die aus Qubits aufgebaut werden, ausgeführt.

Leider ist die Analogie zwischen Bit und Qubit sehr unscharf. Oder glücklicherweise. Schließlich liegt in der nur oberflächlichen Analogie von Bit und Qubit die eigentliche Power eines Quantenrechners im Sinn einer inhärenten Parallelität.

Ein Qubit ist eine aus vielen Parametern bestehende quantenphysikalische Zustandsbeschreibung, bei der über einen Laser gezielte Änderungen der Energieniveaus („der Quantelung“) vorgenommen werden. Auf diese Weise wird „gerechnet“, ähnlich kompliziert gestaltet sich auch das Auslesen von Rechenwerten.

Laserimpulse und ständige Messungen sind das A und O beim Quantenrechner. Und die Messungen sind mit systematischen Unschärfen behaftet beziehungsweise haben probabilistischen Charakter. Mehr noch: Je umfangreicher sich das quantenphysikalische Gesamtsystem darstellt, aus dem der Rechner aufgebaut ist, sprich: je größer die Zahl der verwendeten Qubits ist, desto größer wird im Prinzip auch die mögliche Unschärfe der Messungen und damit die Fehlerrate der Rechenoperationen.

Quantenrauschen im makroskopischen Bereich messbar

Für die Detektion von Gravitationswellen sind Messgeräte nötig, die wortwörtlich „vom Feinsten“ sein müssen. Die Detektoren des Forschungsverbunds LIGO (Laser-Interferometer-Gravitationswellen-Observatorium), zu dem unter anderem auch das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik gehört, haben diese feine Auffassungsgabe.

Die feinen Detektoren entdecken manches auch nebenbei, so zum Beispiel, dass die Quantenfluktuation (Quantenrauschen) nicht nur im Nanomaßstab Bewegung schafft, sondern dass sie auch kilogrammschwere Objekte bewegt.

Demnach verschieben die quantenphysikalischen „Ruckler“ den 40 Kilogramm schweren Spiegel des Gravitationswellen-Detektors um 10 hoch minus 20 Meter, das entspricht 100 Milliardsteln des Wasserstoff-Atomdurchmessers, berichtet das Wissenschaftsmagazin "Nature“.

Das System nutzt die Tatsache, dass beim Quantenrauschen Amplitude und Phase miteinander verknüpft sind: Verringert man das Rauschen der Phase, erhöht sich im selben Maße die Fluktuation der Amplitude und umgekehrt. Weil für die Detektion der Gravitationswellen nur die Phase der Laserstrahlen wichtig ist, wird der Rauschanteil der Amplitude bei der Messung der Gravitationswellen unterdrückt.

Die Idee der LIGO-Physiker bestand nun darin, den Rauschanteil der Amplitude wieder zuzulassen und zu beobachten, was mit dem Spiegel passiert. Und siehe da, er bewegte sich. Nicht viel, aber genug für eine gigantische Erkenntnis: Es ist die Amplitude des Lichts, die den 40 Kilogramm schweren Spiegel bewegt, und zwar um genau 10 hoch minus 20 Meter.

Fundamentales Rauschen

Ursache dieser Fehler ist das so genannte Quantenrauschen. Dieses entsteht dann, wenn Atome beziehungsweise subatomare Teilchen (Elektronen, Photonen oder noch kleinere Teilchen) an einem energetischen Niveau-Übergang („Quantensprung“) beteiligt sind. Entsprechende Messwerte (und damit Rechenergebnisse) unterliegen dabei einer Wahrscheinlichkeitsverteilung und sind zwar mathematisch-probabilistisch korrekt, in der rechentechnischen Praxis aber oft unbefriedigend bis unbrauchbar.

Das Rauschen im Quantenbereich ist ein so genanntes fundamentales Rauschen, das nicht durch die Verbesserung der verwendeten Bauelemente reduziert werden kann. Und es hat auch nichts mit dem Wärmerauschen (auch Widerstandsrauschen genannt) zu tun, das in elektrischen Leitern auftritt. Es ist allerdings äußerst schwierig - das sei hier nur nebenbei bemerkt – die Effekte des Quantenrauschens vom Wärmerauschen zu separieren, und zwar auch bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, an dem im Moment Quantenrechner betrieben werden (müssen).

Tatsächlich verursacht nämlich auch noch eine Temperatur von weniger als einem Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt ein thermisches Rauschen berichten Experimentalphysiker. Auch wir Menschen werden „in jeder Nanosekunde unserer Existenz von Quantenfluktuationen umhergeschubst“, erklärt Nergis Mavalvala vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). aber „das von unserer thermischen Energie verursachte Zittern überdeckt diese Quantenfluktuationen so stark, dass sie nicht messbar sind.“

Die Aussage im letzten Halbsatz wird allerdings durch das Team von Frau Mavalvala selbst Lügen gestraft, weil sie an Experimenten beteiligt ist, die durch das Quantenrauschen verursachte Nanoverschiebungen an makroskopischen Objekten messbar gemacht hat (siehe Ergänzendes zum Thema).

NISQ als Zwischenlösung

Was nun die Entwicklung leistungsfähiger Quantenrechner betrifft, so ist grundsätzlich das Quantenrauschen als Fehlerquelle zu berücksichtigen, doch „bei realen Implementierungen ist nicht klar, wie die einzelnen Komponenten und deren Fehlerbeiträge zusammenspielen“, heißt es in einem kurzen Beitrag auf dieser Plattform von 2018, der in Zusammenhang mit Forschungen eines Physiker-Teams um Martin Kliesch vom Institut für Theoretische Physik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) publiziert worden ist. Wissenschaftler verschiedener Disziplinen versuchten deshalb, das Rauschen [besser] zu verstehen, um es kontrollieren oder seinen Einfluss minimieren zu können.

Kliesch und Kollegen haben hierzu zwei Methoden kombiniert, nämlich das „randomisierte Benchmarking“ und die „komprimierte Erfassung“. Damit könne man Quantencomputer vermessen, ohne dass die Messung die Geräte selbst in größerem Maße beeinflusse und für die sich auch der Messaufwand in Grenzen halte.

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Letztlich geht es bei allen Versuchen, den störenden Einfluss des Quantenrauschens auf die Leistungsfähigkeit der Quantenrechner zu minimieren, darum, „ideale Qubits“ zu entwickeln, die überhaupt nicht verrauscht sind. Solche idealen Qubits sind Konstrukte, die durch eine quantenphysikalische Verschränkungsoperation physischer Qubits mit einem oder mehreren Korrektur-Qubit(s) entstehen.

Bis solche idealen Qubits zur Verfügung stehen, werden Quantencomputer weiterhin verrauscht arbeiten müssen. Bei Maschinen mit bis zu 100 Qubits kann dies wohl auch „leidlich“ funktionieren, wenn man den Theoretikern der so genannten Noisy Intermediate-Scale Quantum Computers (NISQ) glauben darf.

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